Valentina

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Der Junge, dem der breite Rücken gehörte war Luke, der mit einem freundlichen Lächeln zu mir herunterschaute. „Meine Güte, wie riesig ist der Kerl denn?", dachte ich mir und fürchtete eine Nackenstarre zu bekommen, wenn ich weiter so zu ihm hoch schaute. Seine dunkelblauen Augen funkelten und erst nach einiger Zeit wurde mir bewusst, dass er sich über mich lustig machte. Ich verschränkte die Arme vor meiner, leider ziemlich flachen, Brust und schaute störrisch zu ihm hoch. „Schau mich nicht so an, ich kann nichts dafür, dass du so ein Riese sein musst", schnaubte ich. Plötzlich wurde mir komisch zumute. „Ich kenne diesen Blick", dachte ich mir, sah ihn vor einem blauen Hintergrund.
Wir waren auf einer Wiese entlang spaziert und unterhielten uns darüber, dass er meinen Vater gebeten hatte, mich zu heiraten.
Ich runzelte die Stirn. „Das kann gar nicht. Ich hab ja nicht mal einen Freund und hab Luke noch nie im Leben gesehen", widersprach ich den Bildern, die durch meinen Kopf schwirrten und sich wie Erinnerungen anfühlten. Dabei sah Luke mich die ganze Zeit mit belustigt funkelnden Augen an. Ich schüttelte leicht den Kopf, um ihn wieder frei zu kriegen. „Sorry, war grade mit meinen Gedanken wo anders", sagte ich und hörte, dass meine Stimme sich ein wenig zittrig anhörte. Erst jetzt bemerkte ich, dass Lucie immer noch neben mir stand und die ganze, garantiert fragwürdige Situation, mit gerunzelter Stirn beobachtete. „Ach übrigens, das ist Lucie, Luce, das ist Luke, der Kerl, von dem ich dir vorhin erzählt habe", stellte ich die beiden vor und auch jetzt schien Luke Lucie erst zu bemerken. „Aha, es wurde also schon über mich gesprochen. Nur gutes hoffe ich", lachte Luke und reichte Lucie seine Hand. „Freut mich dich kennenzulernen, Lucie. Valentina, sorry Val, hat mir angeboten, mir das Schulgelände zu zeigen, willst du vielleicht mit?", fragte Luke höflich, doch Lucie verneinte, da sie schnell in ihren Raum müsse, da sie gleich noch eine Klausur schreibe. „Du böse Lügnerin", dachte ich, musste aber leicht grinsen. Schon seit Jahren versuchte Luce mich zu verkuppeln und hatte echt einen Riecher dafür, wenn ein Junge mal ausnahmsweise an mir interessiert war. Leider war dieses Interesse nicht immer gegenseitig, wie es auch jetzt der Fall war.
Bevor Lucie verschwand zwinkerte sie mir noch zu und formte mit den Lippen ein „Hau rein". Ich seufzte leicht und wandte mich wieder Luke zu.
„Also, was willst du zuerst sehen? Die Cafeteria, in der du das Essen auf keinen Fall anrühren solltest, die Toiletten, den Platz, wo sich die Raucher treffen?", leierte ich gespielt gelangweilt herunter und zählte die Orte an meinen Fingern ab. Ich spürte seinen kalten, ja wirklich kalten, Atem an meinem Ohr, als er sich zu mir herunterbeugte und mir ins Ohr flüsterte: „Wo hältst du dich denn am liebsten auf?"
Sein Atem ließ eine Gänsehaut an meinem Hals entstehen und irgendwie wurde mir flau im Magen, als müsste ich mich Übergeben. Die Übelkeit herunterschluckend lächelte ich gezwungen. „Um dir meinen Lieblingsplatz hier an der Schule zu verraten kenne ich dich noch nicht lange genug", sagte ich gezwungen freundlich und hielt ihn mit meiner Hand ein wenig auf Abstand. Er schien ja ganz nett zu sein, aber er war echt verdammt aufdringlich, obwohl ich ihn erst seit heute kenne. Sofort verhärtete sich seine Miene und seine Hände ballten sich kurz zu Fäusten, bevor er sie wieder locker ließ. „Hat er etwa noch nie eine Zurückweisung bekommen oder warum verhält er sich jetzt so, als hätte ich ihm das Herz gebrochen?", fragte ich mich. „Gut", sagte er mit einer harten Stimme, die mich zusammenzucken ließ. Das schien er zu merken, weshalb seine Stimme danach etwas sanfter war. „Kannst du mir erst den Bereich draußen zeigen? Ich denke ein bisschen frische Luft wäre ganz gut", schlug er vor und ich nickte nur stumm und ging voraus. Die Übelkeit bahnte sich wieder ihren Weg und ich fing schon an zu befürchten, dass ich Luke gleich vor die Füße kotzte. „Weißt du, Luke? Mir geht es gerade nicht so gut. Können wir die Führung vielleicht auf morgen verschieben? Das wäre super", sagte ich gepresst. Er schien wohl zu merken, dass es mir ernst war, weshalb er nur nickte und sofort verschwand. Genau im richtigen Moment, denn sobald er verschwand wurde das Gefühl mich übergeben zu müssen stärker wurde, rannte ich in einen Schuppen, der näher war, als die nächste Toilette, und erbrach dort in eine Tonne, die hoffentlich leer war.

UnhurtableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt