Kapitel 23

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(Media - Yasmin)

Wieso ich so gehandelt habe? Ganz einfach. Er hat mich verletzt. Ist es denn so schwer zu verstehen, dass ich meinem besten Freund nur das Beste wünsche?

Angesichts der Tatsache, dass ich noch angetrunken bin, schaffe ich es erst nach dem vierten Versuch die Fahrertür zu öffnen. Selbst der Alkohol hat mir nicht vollständig geholfen. Die ganzen Gedanken konnte ich nur für wenige Sekunden aus meinem Kopf verbannen.

Ohne wirklich darüber nachzudenken das es eigentlich Mittwoch ist und ich in der Uni und auf der Arbeit erscheinen muss, beschließe ich ohne irgendwem Bescheid zu geben, abzureisen. Da letzte Nacht mein Akku den Geist aufgegeben hat, verrät mir meine Armbanduhr, die mir Derya zum zwanzigsten Geburtstag geschenkt hat, die Uhrzeit.

12:37 Uhr

Ich habe nur knapp eine Stunde Zeit meine Sachen zu packen. Natürlich hatte ich meine Bedenken was meine Pflegeeltern dazu sagen werden, darum werde ich mich aber später kümmern.

In der Wohnung angekommen, stürmte ich in mein Zimmer und packte alles wichtige für die kommende Woche ein. Nach nur zwanzig Minuten war ich mit dem packen fertig. Deswegen entschied ich mich dazu noch duschen zu gehen.

In der Zwischenzeit lädt mein Handy an der Ladestation. 256 verpasste Anrufe von Caner, Derya und Lina. Unzählige WhatsApp Nachrichten von Yasir kamen auch noch dazu. Ich schaltete mein Handy in den Flugmodus. Da ich Derya eine Erklärung schuldig bin, klebte ich ein Post-it an ihre Tür, worauf steht das ich in Berlin bin. Für das erste muss sie sich damit genügen.

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Nun stehe ich vor dem Haus meiner Pflegefamilie und weiß noch immer nicht was ich ihnen sagen soll. Die Wahrheit kann ich nicht erzählen. So werde ich zu keinem Entschluss kommen. Die einzige Person die ich jetzt bei mir haben möchte ist meine Mutter.

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Vor dem Grab kniete ich mich nieder.
"Anne es tut mir so leid. Mama ich kann nicht mehr. Ich bin schwach, ich wollte dir deinen letzten Wunsch erfüllen, doch mir fehlt die Kraft." Ich ließ all meinen Sorgen freien Lauf. Mein schluchzen konnte man im Umkreis von mehreren Metern bestimmt hören, doch dies war mir egal.

Sie musste sterben, weil sie unbedingt mehr arbeiten musste. Ansonsten hätten wir nichts zu essen gehabt. Meine Mutter wollte immer das aus mir was wird. Ohne Rücksicht auf sich selbst und ihren Bedürfnissen, hat sie mir alles gegeben. Ab diesem Moment stieg der Hass gegenüber meines Erzeugers bis ins unermessliche. Ich fasste den Entschluss ihn zu finden. Damals gab es sogar ziemlich große Chancen das sie überlebt, doch wir hatten das Geld für eine ärztliche Behandlung nicht.

Er lebte in Saus und Braus und obwohl er wusste das seine damalige Freundin schwanger war, verließ er sie! Wegen ihm bin ich allein! All die aufgestaute Wut brach in Form von Tränen und Schreien aus mir aus.

"Heute hat Anna's Oma sie aus dem Kindergarten abgeholt. Warum habe ich keine Oma?" Meine Mutter versuchte ihre Trauer zu verstecken, doch schon damals fiel es mir auf. "Sahra mein Schatz, du hast doch mich. Manche Sachen wirst du erst verstehen können, wenn du älter wirst."

Jetzt bin ich älter geworden und verstehe es trotzdem nicht. Wie kann eine Mutter ihr eigenes Fleisch und Blut im Stich lassen, wenn sie den Halt am meisten braucht? Von meiner Mutter habe ich nie erfahren, ob sie Geschwister oder andere Verwandte hat. Also beschließe ich zu meiner Pflegefamilie zu fahren. So unwissend konnten sie doch nicht sein.

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"Sahra mein Kind, was für eine schöne Überraschung." Vor mir stand die Frau die nach meiner Mutter mir am nächsten stand. "Ich habe euch so sehr vermisst Maman"

Ich kann nur von Glück sprechen, dass meine Familie denkt ich hätte Semesterferien. Wie gewohnt setzten wir uns an den Esstisch und aßen zusammen. Mir wird erst jetzt bewusst, wie sehr mir all das gefehlt hat. Nachdem Essen zog ich mich in mein altes Zimmer zurück und schlief ohne große Mühe direkt ein.

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Mittlerweile bin schon seit einer Woche hier. In dieser Woche habe ich es geschafft mit Yasmin, die zufälligerweise den selben Namen hat wie Caner's neue Freundin, zu reden. Und tatsächlich kannte sie die Schwester von meiner leiblichen Mutter. Nur leider hatte sie weder eine aktuelle Nummer oder Adresse. Sie hat mir versprochen mich zu unterstützten, wofür ich ihr sehr dankbar bin.

Derya konnte ich nicht anrufen, doch Maman hat mir gesagt, das sie schon vor einer Ankunft angerufen hat, um nach meinem Wohlbefinden zu fragen. Ich hatte kein Recht darauf sie aus meinem Leben auszuschließen, obwohl sie immer hinter mir stand.
Deswegen nahm ich mir mein Handy in die Hand und hoffte drauf nicht allzuviele Nachrichten bekommen zu haben.

Natürlich war das nicht der Fall. Neben unzähligen Anrufen und Nachrichten von Derya, Lina und Caner, hat selbst Yasir versucht mich zu erreichen. Ich klickte als erstes auf den Chat von Caner und danach archivierte ich ihn ohne den Chat zu lesen. Als ich auf Derya's Kontakt wollte, rief sie mich schon an.

"Wie geht es meiner besten Freundin?" Ihr Stimme klang fast wie immer. Natürlich hörte ich etwas Sorge aus ihr heraus; doch im Grunde war ich ihr nur unglaublich dankbar das sie mich nicht auf meine 'Flucht' anspricht.

Wir schafften es drei Stunden ohne Punkt und Komma zu sprechen. Nach ungefähr einer Stunde stand Lina vor unserer Wohnungstür und so entstand es das wir eine Art Konferenz führten.

Das Telefonat war genau das, was ich in dem Moment gebraucht hatte.

In der Nachricht von Yasir stand das ich ihn sofort anrufen soll, und das es wichtig sei. Ohne wirklich Ahnung zu haben, worum es gehen könnte, wählte ich seine Nummer.

"Hallo hübsche Frau." Seine charmante Stimme dringt durch den Lautsprecher. "Was wurde dir denn in den Tee gemischt Yasir?" Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken, das es gerade ein Aufmunterungsversuch von ihm war. "Andere Frauen würden mir dafür um den Hals fallen Sahra. Dir ist nicht bewusst was für ein Glück du hast." Den Sarkasmus konnte man ganz deutlich aus seiner männlichen Stimme hören. "Wie du weißt, bin ich nicht wie die anderen Frauen. Ich habe gerade deine Nachricht gelesen. Was ist denn so wichtig?" "Stimmt. Ich habe ein Angebot für dich, welches du unmöglich ausschlagen kannst. Rate mal welcher Anwalt eine neue Sekretärin braucht?" "Woher soll ich das wissen Yasir?" "Na gut. Wie du weißt, arbeite ich in einer Kanzlei und ich wurde letzte Woche zum Junior Partner befördert. Jeder Junior Partner hat ein Recht auf eine Sekrätein. Mein erster Gedanke warst natürlich du. Da du eh Jura studierst wäre das einfach passend für dich." Ich bin sprachlos. Die Kanzlei in der er arbeitet ist einer der erfolgreichsten in Deutschland. Und in diesem Augenblick habe ich ein Job dort angeboten bekommen.

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Schicksalsschlag [#Wattys2016]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt