Kapitel 23 ~ Von verlorenen Kameraden und kleinen Dieben

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FARN  P.O.V.
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"Frische Fische! Frische Fische aus dem Nordmeer! Höchste Qualität für nur wenig Kupferlinge."

Ich klemmte meine Nase zwischen Daumen und Zeigefinger ein und ging eilenden Schrittes an dem Marktstand eines hießen Fischers vorbei.
Frische Fische am späten Nachmittag. Welch Ironie...
Ein Schmunzeln umspielte meine Lippen. Gefischt wurde nur am frühen Morgen. Diese Fische waren alles andere als frisch. Geruch und Optik bekräftigten meine Vermutung.

Mittlerweile hatte ich es aufgegeben meine zwei Kameraden in dem Getümmel dieser Menschenansammlung zu finden. Zu groß war die Stadt. Deshalb hatte ich beschlossen, dass ich mich einfach am Markt umsah.
Das Angebot an Waren war das Selbe wie in Ealdh, mit der Ausnahme, dass gut ein Drittel der Marktstände geschmiedete Schmuckstücke oder Waffen feil boten. Zu bemerken war auch die um Längen hochwertigerere Qualität.

Auch Remin lugte ununterbrochen neugierig aus der Tasche und beobachtete das Geschehen mit seinen treuen braunen Augen. Hin und wieder machte er ein paar spitze Bemerkungen über besorgte Mütter die hystrisch keiften, wenn deren Kinder an Ständen mit Glasperlen stehen blieben. Selbst ich war belustigt, als der eine oder andere unruhestiftende Betrunkene von den Markbütteln in die Ausnüchterungszelle der städtischen Garnison mitgenommen wurde.
Ansonsten verhielt sich der Mäuserich wie gehabt still und ruhig.

"Habt Ihr den Händler dort drüben schon entdeckt, Meister?", fragte mich Remin.
Suchend blickte ich mich um, doch wusste ich nicht nach was ich Ausschau halten sollte. Remin war mein Suchen nicht entgangen und setzte sodann nach:
"Der Stand zu Eurer Linken. Der Mann scheint das Handwerk eines Schnitzers auszuüben. Vielleicht bietet er ein Set Halatafl zum Verkauf an?"
"Guter Einfall, Remin.", lobte ich.

Tatsächlich erwies sich der Händler als ein talentierter Schnitzer, wie sich anhand seiner Werke erkennen lies. Und er verkaufte neben Schmuck, Holzfiguren auch Kleinigkeiten für den Zeitvertreib. Sofort stach mir dabei ein Halatafl-Set ins Auge. Es war einfach geschnitzt, dafür allerdings günstig.

Ich wollte bereits zum Geldbeutel greifen um mein kleines Vermögen durchzuzählen, als ich plötzlich angerempelt wurde.

Empört über diese Grobheit drehte ich mich um. Ein kleiner Bengel sah mir mit einem listigen Blick in die Augen. Ich wollte schon einen Schwall an Schimpfwörtern über ihn ergehen lassen, als er sich kurzerhand umdrehte und in der Menge untertauchte. Kurz starrte ich ihm einfach nur erbost über diese Frechheit nach. Dann griff ich zum Geldbeutel, oder vielmehr zu der Stelle wo jener gehangen hatte.

"Verdammt!", fluchte ich und ballte wütend meine Hände zu Fäusten.
Kurzerhand bekam ich einen Anflug von Panik. Doch gleichzeitig scholt ich mich für meinen Leichtsinn. Das war der Junge!

Selbst Remin war verwundert. Wahrscheinlich hatte er nur einen Blick für das Brettspiel gehabt.

Sofort sprintete ich in jene Richtung los, wohin ich glaubte, dass der Dieb verschwunden ist. Ich stürmte vorbei an Marktständen, huschte so schnell es mir möglich war durch das Gedränge und vernahm nur entfernt den Lärm aus Feilschen und klimpernden Münzen.
Dazwischen suchte ich immer wieder nach Anzeichen des Bengels. Ein grünes und für ihn viel zu groß geschnittenes Hemd hatte er getragen.

Tatsächlich erspähte ich, wie eine kleine Gestalt mit grüner Kleidung in eine Seitengasse abwich.
Augenblicklich sammelte ich meine Kräfte und rannte hoffnungsvoll in die Gasse. Meine Stiefelsohlen hallten auf den glatten und feuchten Pflastersteinen wider und eine Katze fauchte, als ich zu knapp an ihr vorbeilief.
Ein befriedigendes Keckern seitens Remin war mir dabei nicht entgangen.

Erfreut stellte ich fest, dass ich den Vorsprung des kleinen Diebes stetig verkleinerte.
So war ich bald nur mehr wenige Ellen hinter ihm. Zielstrebig streckte ich meine Arme nach vor, um den Jungen zu stoppen. Mit einem Satz umklammerte ich seine Schultern und drückte ihn, durch den Schwung vom Rennen, zu Boden.

"Hab ich dich!", triumphierte ich.
"Wo ist mein Geldbeutel?"

Ein trockenes Krächzen erwich seinen Lippen, gefolgt von verzweifelten Befreiungsversuchen. Doch ich behielt mit eisernem Griff die Oberhand dieser Situation.

Der Dieb hatte seine Ausweglosigkeit bald darauf erkannt und beruhigte sich etwas, sodass ich leicht meinen Griff lockerte. Nur das Röcheln nach Luft von uns beiden war zu hören. Ich glaubte zu hören, wie das Blut durch meinen Körper gepumpt wurde.

Angespannt spitze ich die Ohren. Da waren doch Schritte!
Von meinen Augenwinkeln aus erkannte ich wie dünne Schatten aus den Winkeln der Gasse hervortraten.

Ein spitze, hohe Stimme hinter meinem Rücken begann zu sprechen: "Lass den Burschen los! Du hast kein Recht ihn hier auf den Boden zu drücken."

Erstaunt dreht ich den Kopf so gut es in meiner Position möglich war nach hinten, ohne jedoch meinen Gefangenen los zu lassen.

Ich erkannte fünf abgemagerte Straßenjungen in schmutziger Kleidung. Ungekämmt zierte das filzige Haar ihren Kopf. Der Sprecher der Gruppe war hochgewachsen und ein schwacher Ansatz eines Bartflaumes war vorhanden. Sein Gesicht war verunstaltet von einer Vielzahl kleiner Narben. Gezeichnet von einer Pockeninfektion in seiner Kindheit, wie ich bei genauerem hinsehen wusste.

"Wer seid ihr?", wagte ich zu fragen.
Der Anführer der Schar spuckt vor mir aus. "Erkennt man das nicht? Stell dich nicht so an."
Ich blieb ihm daraufhin die Antwort schuldig.
Barsch fügte er bei: "Und lass verdammt nochmal Stanis los!"

Sieh an... Der Dieb hat also auch einen Namen.

"Dann soll er mir mein Geld wieder zurückgeben!", verlangte ich.
"Stanis, du hast doch nicht etwa schon wieder gestohlen?", hakte der Jüngling nach.
Mit zusammengepressten Lippen brummte der Angesprochene ein kaum zu verstehendes "Entschuldigung, Mog. Kommt nicht wieder vor."
"Tststs... Was machst du nur für Sachen. Das ändert natürlich die Situation.", stellte der mit Mog genannte mit einem Ton fest, welcher nun weitaus freundlicher war.

Eine warnendes Quiken Remins kam zu spät.
Augenblicklich erhielt ich einen brutalen Schlag gegen den Hinterkopf, bevor ich in das tiefe Nichts der Dunkelheit absackte...


Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt