Kapitel 42 ~ Von duftenden Speisen und gesprächigen Knappen

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FILOU
~~~

Hach, wie duftete das herrlich.
Dieses Aroma von Knollenkümmel, Knoblauch und Pfefferkörnern verlieh den Spannferkeln wahrhaftig einen köstlichen Geschmack. Weißes Fladenbrot wurde mit einer Rahmtunke dazugereicht und dutzende Knödel und Kerbelgrundbirnen boten eine gustuöse und sättigende Beilage. Sogar aufwendig fermentiertes Weinkraut konnte man sich aus breiten Tonschüsseln schöpfen.

Dies war nun schon der dritte Hauptgang, und ich fand es noch immer unbegreiflich, wie viel die Hochzeitsgäste essen konnten.
Kaum war die Hälfte der Platten leer, wurde bereits die Nächste Speise serviert. Gedünstete Bachforelle mit Dinkelnocken und eingemachtem Wurzelgemüse.

Das Wasser lief mir im Mund zusammen und ich lechzte mit einem hungrigen Blick zur Tafel. Doch bevor mein Magen ins Knurren anfing, wandte ich mich vom Pagengang weg und stieg die Treppen hinunter. Ein Knappe sauste gerade mit einem Krug vorbei und wäre vor lauter Eile beinahe in einer Lache verschüttenten Weines ausgerutscht.

Gröllende Trinksprüche zu Ehren des Brautpaares duchfluteten die Halle und drangen selbst bis zur Küche herab. Die Stimmung war gewaltig und ich staunte immer wieder, von wo die Gäste alle hergereist waren. Edelmänner aus der Osdhmark, Hoher Adel aus Thule, Kriehsherren und nahmhafte Kaufmänner aus Osdh- und Whesdh-Orgonien. Sogar eine Deligation aus der Freien Lande zählte zu den geladenen Gästen.

Ich hatte mir nun ein überschaubares Bild von der Feier gemacht und bereitete mich für Punkt zwei vor; Informationen über die Familie der zukünftigen Fürstin einholen.
Was bot sich deshalb besser an, als wenn ich dabei die Krüge der Knappen auffüllte und das Bier wässerte und sie ein wenig ausfragte.

Die jungen Burschen nahmen freudig meine Unterstützung an und schon bald kam ich mit einem Knaben ins Gespräch, welcher gerade für einen Gewürzwein Kräuter hackte und Samen mit einem Mörsel zerstoß.

"Wisst Ihr", sprach er "Es ist schon etwas ungewöhnlich, dass ein Weinhändler beim Ausschank mithilft. Meistens sehen diese uns bloß zu, damit wir keinen Tropfen verschütten. Dabei würde ich manchem Wein sogar puren Essig vorziehen."
Angeekelt vorzog er die Mundwinkel und schlug eine übertriebene Grimasse.

"Oder sie betrinken sich selbst.", meinte ich zwinkernd und machte eine Kopfbewegung zur Stiege hinauf.
Daraufhin grinste der Junge noch mehr.

"Wessen Knappe bist du? Wer ist dein Herr?", fragte ich neugierig.

"Mein Herr ist Fürst Mahran persönlich."
Stolz ruhte in seinen nussbraunen Augen und der Bursche nahm sogleich den Mörsel wieder zur Hand, welchen er während der Unterhaltung weggelegt hatte.

Ich hob erstaunt die Augenbrauen.
"Der Fürst trinkt gewürzten Wein? Bei einem solchen Feinschmecker wie dieser einer ist, dachte ich, dass er unverfälschten Genuss bevorzuge."

"Nein, wenn ich ihm diesen Wein einschenken würde, gäbe es mit Sicherheit Strafarbeit, oder sogar Prügel.", flüsterte der Bursche.
"Baerth dient heute meinem Herren. Er ist der älteste von uns Knappen. Ich habe dafür die Ehre, den Kelch des Vaters der zukünftigen Herrin immer aufzufüllen. Zu dessen Vorlieben zählen stark gewürzte Weine oder schwere Rote aus dem Süden."

Ein flüchtiges Lächeln huschte um meine Lippen; welch ein Zufall, dass genau vorgestern eine Wagenladung davon abgeladen wurde.

"Du scheinst dich gut informiert zu haben. Sag, wie ist dein Name, junger Mann?", schmeichelte ich ihm.

Augenblicklich lief dieser vor Verlegenheit rot an.
"Leíre, erster Sohn von Edelmann Whardan Nadhe."

"Nun gut, Leíre, sag kannst du mir mehr über die Sippe der Temergon erzählen? Warum ist die Gemahlin des Kriegsherren nicht anwesend?"

Der Knappe runzelte die Stirn aufgrund meiner Fragen. Mistrauisch blickte er mich an.
"Ihr seid sehr neugierig.", stellte er mit ernster Miene fest.

"So, tatsächlich? Aber sind wir das nicht alle, wenn wir etwas wissen möchten?"

"Da habt Ihr wohl recht.", sprach er und gab sich zufrieden.
"Die Mutter der Braut starb im Kindbett bei der Geburt ihres zweiten Sohnes, es war eine Fehlgeburt. Der Erstgeborene ist heute nicht anwesend, er dient in der Leibgarde des Kaisers als Krieger."

Sein Bericht ließ mich stutzig werden, das war in der Tat von Bedeutung.
"Ja, aber das würde doch heißen, dass er auf das väterliche Erbe verzichten würde."

"So ist es. Das Erbe geht nun an seine Tochter und nach dem Tod von..."
Seine Stimme wurde leiser und ließ den Satz unausgesprochen. Doch ich wusste auch so, dass es nach dem Tod ihres Vaters an Fürst Mahran übergehen würde.

Ein wahrlich gefinkelter Schachzug. Ich musste Mahran innerlich loben, er war gerissen und fürchtete kein Risiko...

"Leíre! Sieh zu, dass dein Gast nicht ohne Wein auskommen muss!", ertönte eine auffordernde Stimme von der Treppe.

Der Angesprochene warf seinem Knappenbruder eine unverständliche Antwort entgegen und ließ die gemörserten Kräuter und Gewürze in einen Krug rieseln. Dann packte er diesen und hastete zum Hochzeitsgelage hinauf.

Schuldbewusst blickte ich zum älterem Burschen, doch dieser winkte bloß mit der Hand ab.

"Macht Euch nichts daraus. Er kann sowieso nie die Klappe halten; kaum wechselt man ein Wort mit ihm, ist er so gesprächig wie die alten Weiber, wenn sie tratschend am Fluss die Wäsche waschen und über Neuigkeiten plaudern.", erleichterte er mein Gewissen.

Dann füllte auch er seinen Krug aus einem Fass und folgte seinem jüngeren Genossen.

Stille kehrte ein in diesem Raum, nur von oben drang leises Gelächter an mein Ohr. Ich warf noch einen Blick umher, bevor ich mich ebenfalls hinaufbegeben wollte.
Angeschlagene Weinfässer, leere Platten der Speisen, getrocknete Teeblätter hingen von der Decke und der Mörsel mit einer Vielzahl von Gewürzen und Wurzeln.
Apropos Wurzeln, war das dort womöglich Wolfswurz?

Schnell näherte ich mich wieder dem Platz und betrachtete die Pflanzen; Sternanis, Kreuzkümmel, Minze, Ringelblume, Pfeffer, Khamille, Apfelbeere und Thymian lagen verstreut umher. Da blitzte tatsächlich eine blaue Knospe hervor.
Scharf zog ich die Luft zwischen meinen Zähnen ein und schielte betroffen die Pflanze an. In Sekundenschnelle brach eine Hitzewallung in meinem Körper aus und ich geriet ins Schwitzen.

Das war...

Ich schluckte heftig.

Zu meinem Grauen musste ich feststellen, dass es tatsächlich Wolfswurz war, in manchen Gegenden auch unter Eisenwurz bekannt. Das Kraut war hochgiftig und führte sofort nach der Einnahme zu Atemnot und anschließendem Ersticken.
Hatte Leíre damit den Wein gewürzt?
Jedes Kind wusste über die Wirkung der Pflanze bescheid, hatte er sie vielleicht übersehen?
Wie kam diese überhaupt hier her?

Ich versuchte mich wieder so gut es ging zu beruhigen. Das war nur ein böser Streich des Zufalls. Niemand würde an einer Hochzeit jemanden vergiften.

Das wäre zu auffällig.

Dennoch schlug mein Herz in hohem Tempo weiter und meine aufgekommene Angst nistete trotzdem weiterhin in meinem Gewissen.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt