Kapitel 38 ~ Von einem Aufstand und Zwiespalt

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FILOU
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Als ob die Götter das Geschehen auf diesem Flecken Erde beobachteten, verdunkelte sich plötzlich der Himmel. Graue Wolken schoben sich vor die hell scheinende Sonne und eine stürmische Brise kam auf.
Ich stierte hinauf in das Himmelszelt und sah, dass dieser Wetterumschung auch von den Tieren der Lüfte ernstgenommen wurde, denn die Schwalben und Spatzen, welche vorhin noch fröhlich zwitschernd auf den Ästen der Bäume saßen oder auf Insektenjagd herumgeflogen waren, gleiteten tiefer herab und suchten bei ihren Nistplätzen Unterschlupf.

Ein erzürnter Schrei zog meine Aufmerksamkeit wieder zur Stadt. Wir beobachteten, wie vereinzelt Bürger aus ihren Häusern kamen und sich zur Stadtmitte bewegten. Immer mehr Leute strömten durch die Gassen, selbst die Arbeiter von den Lehmgruben kehrten von der Neugier getrieben dort hin.
Oder war es der Hass, wie Larah vermutete, welcher sie antrieb?

Die Stimmen wurden lauter und wütender, doch konnte ich keine klaren Wörter heraushören. Was war die Ursache für diese Akute Unzufriedenheit?
Num mischte sich auch noch das Schreien von kleinen Kindern mit ein, und gleich darauf vernahm ich das Brüllen von Befehlen der Soldaten. Ich brauchte nichts zu sehen um zu wissen was geschah, denn in diesem Augenblick spürte selbst ich den Hass der in den Seelen der Menschen brütete, er kam einer Hitzewelle gleich, welche aus Bitterkeit und Armut entstanden war und von Wut vorangetrieben Wurde. Die Situation ekalierte und ein Tumult entstand in der Ansammlung der Menschen, es waren Zeichen eines Aufstandes, ...einer Rebellion!

Kurzerhand gab ich der Schwarzhaarigen das Zeichen zum Aufsitzen, dann nahm ich die Zügel in die Hand und versuchte so schnell es ging auf die gepflasterte Straße zu kommen.
Ich blickte abschätzend die Straße zur Stadtmitte hinunter, Männer und Frauen schlugen mit Fäusten und Knüppeln auf die Wachen ein, dabei wurden sogar Rivalitäten unter den Bewohnern ausgefochten. Es gab keine klare Seite, kein klares Ziel für welches gekämpft wurde. Blut vermischte sich mit dem Dreck auf dem Boden und so mancher gefallener Rebell wurde in der dichten Menge von den Füßen seiner Mitstreiter erdrückt.
Unfassbarkeit und Grauen statteten meinem Gesicht einen triftigen Besuch ab, Hilflosigkeit durspülte meine Gefühle, als mir am Rande der Menge dieser aufgebrachten Bevölkerung ein Gesicht ins Auge stach.
Die Gestalt trug eine saubere militärische Ausrüstung, allerdings ohne erkennbare Wappen und war somit kein Mitglied der örtlichen Soldaten. Die Männer in seiner Nähe waren ähnlich gekleidet, konnten das Söldner sein?
Mein Bauchgefühl gab mir zu verstehen, dass sie etwas mit dem Aufstand zu tun hatten, ja hatten etwa gar diese Männer ihn angezettelt?!

Doch das passte nicht recht zu diesem Mann. Hylam hieß er und sofern ich das aus früheren Zeiten in Arleen wusste, hielt dieser hohe Stücke auf Gerechtigkeit und Ordnung.
Aber er ließ sich auch nie etwas vorschreiben und war ein Mensch der die Freiheit geliebt hatte, was auch der Grund war, warum er aus der Bruderschaft der 12 Wächter der Nacht ausgetreten ist.
Diese Entscheidung mochte er aber auch deshalb getroffen haben, da es bei seinem letzten Auftrag an mangelnder Disziplin und Kameradschaft gefehlt hat.

Wie ich später aus Gerüchten erfahren hatte, kam es dabei angeblich zu einer gröberen Meinungsverschiedenheit zwischen ihm, Garren und Whesemir. Letzterer kam von dieser Mission auch niemals wieder zurück, er galt bis heute als vermisst.
Whesemir war ein verbitterter Wächter gewesen, aber sein Charakter war mutig und loyal gegenüber jedem, der ihn als Freund ansah. Mit seinen waldgrünen Augen und dem nussbraunem Haar ähnelte er ganz dem Jungen, welchen Garren vor einigen Tag auf seinem Besuch mitgenommen hatte.
Ich versuchte angestrengt mich an seinen Namen zu erinnern, doch gab es genau dort eine Gedächtnislücke, wo ich gerade so dringlich nach Erinnerungen vergangener Tage suchte.

"Stimmt etwas nicht?", fragte meine Gefährtin beunruhigt.
"Äh.. wie? Ach ja, ...alles in Ordnung." Ich hatte mein Umfeld geradewegs aus den Augen verloren.

Ein weiters Mal suchte ich die bekannte Gestalt in der Menge. Doch diesmal hatte sie mich erspäht und musterte mich nun aus zusammengekniffenen Augen. Schnell wandte ich den Kopf ab, und herrschte die Pferde zum weiterziehen an.

Ich konnte es kaum ertragen, wie langsam wir Lemír den Rücken kehrten. Erst als wir viele Wegstrecken nördlich unser Nachtlager aufschlugen, konnte ich meinem aufgewühltem Gemüt eine Pause gönnen.

Ich fühlte die Angst die von mir ausströmte, angestachelt von zu vielen Bedenken auf dieser Reise.
Und doch, es war etwas faul, nur wusste ich nicht im Genauem was.

Bald Filou, bald wirst du es erfahren.
...oder auch nicht.
Vielleicht spielt dir deine Sorge um deine Familie nur einen bösen Streich und du lässt dich von den Fehlern der Vergangenheit manipulieren. Das was geschehen ist, ist geschehen.
Ja gewiss, so muss es sein.

Eine Zeitlang führte ich Zwiesprache mit meiner Inneren Stimme, bis mir die Augen schwer wurden und ich ins Land der Träume gleitete...


Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt