Kapitel 28 ~ Von der Entscheidung und einem bärtigen Hünen

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FARN  P.O.V.
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Ich hörte mein Blut, wie es durch die Ohren rauschte. Funken wirbelten unter den Fingerkuppen. Mein Bauchgefühl flüsterte, dass ich auf das Angebot eingehen soll. Dass ich Wächter werden soll.
Klar und deutlich sah ich die Worte vor mir; in geordneter Reihenfolge bauten sie sich zu zwei Sätzen in meiner visuellen Vorstellungskraft auf.

Es ist deine Berufung, Farnilon Eladh. Nutze die Gunst der Stunde.

Ein frohlockendes Ziehen strich über meine Bauchdecke, es drängte nach einem einzigen Wort das ich aussprechen sollte: JA!

Doch hörte ich auch auf die Gegenseite meines Körpers. Die Vernunft hatte hier das Sagen. Sie umgarnte meine Gefühle mit Zweifel. Ich wäre noch zu jung für diese Aufgabe, zu unerfahren. Was würde mein Vater sagen?

Konnte ich ihm das antun?

Zaghaft biss ich mir auf die Lippen und bald schon schmeckte ich einen metallischen Geschmack an meinem Gaumen. Nervös verlagerte ich meinen Gewicht von einem Bein aufs andere.
Angespannt ballte ich die Fäuste und verschloss fest meine Augen. Dann holte ich tief Luft; eine ernüchternde Frische reinigte meine Seele und nahm jegliche Unsicherheiten mit sich fort. Ich hatte meine Entscheidung getroffen.

"Ja. Es wäre mir eine große Ehre, wenn ihr mich als Anwärter zum Novizen als Wächter in die Bruderschaft aufnehmt.", sprach ich in leisem Ton, es war beinahe ein ehrfürchtiges flüstern.

Meine zwei Reisegefährten grinsten mich an. Garren klopfte mir gar - von Stolz erfüllt - auf die Schulter.
"Hab ich es mir doch gedacht.", meinte er zwinkernd.
Auch Ilandil reichte mir seine Hand zum Armesgruß, in welche ich freudig einschlug. Dabei umfasste man mit der rechten Hand den Unterarm des Gegenübers.

Bald danach ließen mich die Wächter wieder alleine. Ich war noch immer überwältigt von dem Ereignis...
Waren es nur Minuten oder Stunden, wie ich einfach so auf der Stadtmauer stand und dem Wetter trotzte. Das Zeitgefühl hatte mich verlassen.
Irgendwann war ich dann wieder zurück in mein weiches Bett gelangt. Schlafen ließen mich die Freude der letzten Stunden und die Vorfreude auf den kommenden Tag als Anwärter nicht. Unruhig wälzte ich mich auf der Heumatratze umher. Schließlich wachte Remin von meiner Unruhe auf und ich gestand ihm redselig was sich eben ereignet hatte. Es war ein angenehmes Gefühl zu erfahren, dass es noch jemanden gab der sich so freute wie ich. Daraufhin verviel ich in einen sanften Schlaf und träumte, wie ich als Wächter in glänzender silbernen Rüstung auf einem edlen Ross die Grenzen des Königreiches beschützte und geheime Missionen ausführte...

Der Morgen graute und warme Sonnenstrahlen schienen auf mein Gesicht. Ich genoss noch für einen Moment dieses Gefühl, dann schwang ich mich frohen Mutes aus der Schlafstatt. Schnell schlüpfte ich in ein neues Gewand und sauste - wie immer mit dem Mäuserich in der Tasche - die Treppe runter. In der Gaststube hatten es sich eben Garren und Ilandil bei einem Becher Tee gemütlich gemacht. Zusammen frühstückten wir, bevor wir die nächsten Schritte unserer Reise planten. Bald darauf zahlten die Wächter unsere anfällige Zeche und wir wandten der Herberge den Rücken zu.

Kurze Zeit später saßen wir bereits in unseren Satteln und ritten nordwärts zum Stadttor. Wie an den anderen Tagen bot das Stadtleben ein buntes und reges Treiben.

Unerwartet bogen wir plötzlich in eine kleinere Nebenstraße ein. Verdutzt sah ich auf. Auf diesem Weg entfernten wir uns doch vom Tor. Auf meine Frage, wohin wir trabben, meinte der Fürstensohn nur, dass sie noch etwas besorgen müssten.

Schlussendlich hielten wir vor einem typischen weiß verputzen Fachwerkhaus. Kein Aushängeschild, kein eingravierter Name auf einer der Granitplatten neben der Tür gab eine Information preis, wer hier wohnte oder was es hier zu kaufen gab.

"Na, was sagst du dazu Farn? Ist das nicht ein besonderer Besuch?", frohlockt der ältere Wächter.
Verwirrt schielte ich Garren an.
"Dies ist sie, Almírs Esse!", berichtete er mir, mit einer mir verwunderlicher ehrführchtiger Stimme, bevor er den angebrachten Messingring mit dem Bärenkopf zweimal anhob und fest gegen die Tür pochte.

Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und ein schwarzbärtiges Gesicht mit ebenso schwarzem gelocktem Haar kam zum Vorschein. Mit abschätzendem Blick musterte er uns aus seinen geröteten Augen heraus, bevor er die Tür zur Gänze öffnete. Nicht unfreundlich fragte er: "Wer seid ihr?"
"Schmiedemeister Regun Meranem!? Eure Fertigkeiten werden im ganzen Lande gepriesen. Deshalb würden wir uns gerne selbst davon überzeugen. Im geschäftlichen Interesse, selbstverständlich!", erwiederte Garren.
Diese Worte schienen den Mann amüsiert zu haben.
Schelmisch gluckste er: "Hoho tatsächlich? Das beantwortet aber immer noch nicht meine Frage."
"Ah, natürlich. Wir sind einfache Reisende auf dem Weg nach A'Aarnsmund.", offenbarte Ilandil. Der Schmied runzelte zweifelnd die Stirn.
"Geheimnisvolle Reisende trifft's wohl eher! Aber ich bin kein Waschweib und hinterfrage nich jedes blubbern der Fische. Folgt mir erst einmal hinein zur Schmiede."
Abermals vernahm ich sein Glucksen.

Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und durchschritten einen langen Flur, behangen mit allerlei Raritäten an Waffen. Dann querten wir den Innenhof und blieben unter einem Vordach stehen. Diese Schmiede hier, war bei weitem nicht zu vergleichen mit den Dorfschmieden am Land. Zwar gab es genauso Esse, Ambos, Blasbalg und welches Werkzeug ein Schmied auch immer benötigte; doch waren hier die Werkzeuge um einiges Hochwertiger, um besonders qualitative Produkte herzustellen.
"Nach was hättet ihr Ausschau gehalten?", begehrte der Bärtige zu wissen.
"Wir brauchen ein passendes Schwert für unseren jungen Herren hier!" Neckisch wuschelte mir dabei der Wächter durchs Haar. Ich hatte es mir mittlerweile schon fast gedacht, dass der Besuch meinetwegen war sein. Und doch war es kaum begreiflich. Meine Freude war deswegen riesengroß!

Unbeeindruckt sah mich der Bärtige an. Er war wirklich ein halber Riese mit seinen nahezu zwei Metern Größe. Seine Haarkultur zierten ein paar wenige graue Härchen. Rußflecken standen dazu stark im Kontrast und ließen seine Züge düsterer erscheinen. Von der Brust bis knapp zu den Knien trug er eine abgewetzte Lederschürze als Schutz vor Feuer und Metallsplittern.
Regun grummelte eine Weile vor sich hin und besah sich fachmännisch meinen Körperbau.
Dann meinte er: "Ich denke ich habe da was passendes und preiswertes." Zufrieden nickten meine Gefährten. Augenblicklich marschierte der Schmied auf einen Holzständer mit senkrecht angeordneten Klingen zu. Mit einer fast liebevollen Handbewegung entnahm er eines davon.


Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt