Kapitel 54 ~ Von Abschied und Stimmen im Moor

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FARN
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In Reih und Glied standen sie alle stramm dar.
Zuerst die Novizen Liander, Othan und Sether; welche in den wenigen Tagen beinahe zu Freunden geworden waren. Wir Vier spürten, dass uns der Weg zu Freunden abgeschnitten wurde, und doch wussten wir tief in uns, dass dieses dünne Band der Freundschaft trotz dessen noch immer bestand und auch weiterhin bestehen würde.

Nach den Burschen in Grün folgten Männer in dunkelblauen Mänteln. Ihr Blick war respektvoll und sie gedachten uns vielen Glückes bei unserer Reise, als meine Gefährten und ich auf den Rücken unserer Reittiere an ihnen vorbeitrabbten.

Den Schluss dieser Abschiedstradition bildeten die alten Mastar, angeführt von Mastar Thezan. So manches schneeweißes Haar kräuselte sich unter den schwarzen Kapuzen im Wind und silbergraue Barthaare wippten unter den Böen der Naturgewalt.
Verschiedener konnten sich Gesichter wohl nicht zeigen; Traurigkeit in mancher Augen, gefolgt von Stolz, Mürrische Blicke und ernste Gesichter und hin und wieder ein melancholisches Lächeln.

Am Tor wartete eine einzelne Gestalt. Die Dichte der Haare war einer Glatze gewichen und ihr beleibter Körper stützte sich mit wulstigen Fingern auf den knorrigen Wurzelstock einer jungen Eibe.
Ein frecher Fink zwitscherte auf dessen Schulter und schien darüber zu wettern, warum es im Frühling in diesen Gestanden noch nicht wärmer war.

Behäbig wich er zur Seite und ließ uns ohne einem letzten Gruß von Dannen ziehen. Des Khar'Mastars letzte Geste war ein zärtliches Tätscheln an den Hals unserer Pferde, während er beruhigende Worte in deren Ohren flüsterte.

Wieder einmal zeugte die Geste von Ogín, dass er ein seltsamer Mensch war, zumindest war diese schrullige Person - welche er verkörperte - wahrhaftig einzigartig.

Scheinbar mühelos ritten unsere Reittiere hinunter ins Dorf. Dieses umhüllte noch immer das gleiche Erscheinungsbild wie bei unserer Ankunft. Oder auch nicht ganz.

Erquickende Töne sprudelten von der Garnison herüber. Ein Musikant in - für dieses Fürstentum typisch - grün-rot-karierter Uniform der Soldaten stand einsam auf dem Platz und ließ seine Fingern geübt über die Griffe und Löcher seines Dudelsackes sausen.
Taktvoll wippte er mit dem Fuß zur Melodie des Marsches. Sogar das Klackern der Hufe auf die Pflastersteine stand dazu harmonisch im Gleichgewicht.

Welch ein Moment! Ich war mir ziemlich sicher, dass solch ein Abschied von den Geschichtenerzählern am nächtlichen Feuer wohl als episch beschrieben werden würde.

Während ich meinen gedanklichen Gespinnsten nachjagte, legten wir Wegeslänge um Wegeslänge zurück und schon bald stand die Mittsonne hoch am Himmel. Ihre warmen Strahlen beflügelte unsere Laune und somit auch unser Vorankommen.

Den zweiten Tag seit Tharn waren wir nun unterwegs und es wurde zunehmend dunkler, der Mond verlangte sein Territorium zurück.

Dennoch hielten wir nicht an, denn Farmundh konnte nicht mehr weit sein.

Schon seit geraumer Zeit drängten sich vermehrt Schlaglöcher und Murengruben an die Straße und verlangsamten das Vorankommen. Einzelne Händler und Fuhrwerke bekamen wir nur selten zu Gesicht. Meist reisten diese in einem kleinen Tross bestehend aus drei bis fünf Karren, da man so in dieser Gegend auf die Hilfe seiner Mitreisenden zählen konnte.

Die Gegend war bekannt als Nothol'Sín, oder wie es vom gemeinen Volk den Namen trug; Hügelmoor, und das zu Recht.

Selten blitzte das Blätterdach eines Baumes aus der Mannshohen Nebellandschaft empor. Dafür erhoben sich über der Dunstschicht hunderte von Erdbuckeln und spitzen Hügeln empor.
An jedem Torfkraut, an beinahe allen Dornengewächsen brütete ein Schwarm Glühwürmchen, wenn er nicht von nahenden Fremden oder Sumpfspinnen vertrieben wurde.
Von überall dröhnten das Zirpen und Zischen von Insekten auf uns ein. Manchmal durchbrach ein zittrigen Kreischen oder tiefes Brüllen die Geräuschkulisse und für einige wenige Augenblicke herrschte dann eine stickige, von Angst durchfleuchte Stille.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt