Kapitel 11 ~ Von duftendem Honig und muffigen Büchern

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FARN  P.O.V.
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Am nächsten Morgen erwachte ich schon sehr früh. Der Gedanke, dass ich heute mit Ilandil in die Stadt gehen würde, rief eine richtig gute Laune in mir hervor.

Ich schwang mich übermütig aus dem Bett und schlurfte zur Kommode hinüber. Dort wusch ich mir erstmal das Gesicht in der Waschschüssel. Das kalte Wasser vertrieb sogleich die letzten Zeichen der Schlaftrunkenheit. Auch meinem Arm ging es wieder besser. Die Schmerzen hatten nachgelassen, nur das verbleibende lästige Ziehen konnte mich nicht ganz zufriedenstellen.

Kurz danach trat auch schon Martha herein. "Guten Morgen, Farnilon!", begrüßte sie mich freudestrahlend. "Oh, Heilerin Martha! Guten Morgen!", erwiederte ich. "Ich sehe, dir geht es wieder besser." Während wir uns über alltägliche Dinge unterhielten, wechselte sie meinen Verband und ersetzte ihn durch einen frischen.

Als ich ihr erzählte, dass ich Ilandil in die Stadt begleiten möchte, hatte sie nichts dagegen. Doch riet sie mir, dass ich mich erstmal mit einem kräftigen Frühstück stärken sollte. Bevor ich das tat, schlüpfte ich noch in das Gewand, welches auf der Kommode bereit lag. Es war eine viel feinere Kleidung, als ich sie Zuhause trug.

Mit hungrigem Magen ging es weiter zur Küche. Ich staunte nicht schlecht, sobald ich die Auswahl erblickte: Herlich duftende frisch gebackene Weißbrötchen, verschiedenste Fruchtaufstriche von Himbeeren, Brombeeren und Weichseln, himmlischer Akazienhonig sowie Ziegenkäse und geräucherten Schinken. Zum Trinken gab es, Schwarztee, Kaffee und heiße Honigmilch.

Nachdem ich mich reichlich gelabt hatte, fragte ich eine vorbeikommende Heilerin wo ich das Zimmer von Garren fände. Sie berichtete, dass der Wächter im Nebentrakt auf Zimmer vier lag.

Alsdann machte ich mich auf den Weg. Auffallend war, dass das ganze Lazarett gleich eingerichtet war. Die Gänge waren mit Fließen ausgelegt, die Wände zierten Fackelhalter und in gewissen Abständen hingen teure Wandteppiche aus der Handelsmetropole Mesphia. Auch in den Zimmern sah es so aus wie in meinem, bemerkte ich als ich die Tür mit der Nummer vier öffnete.

Bedauernd musste ich hinnehmen, dass mein Reisegefährte noch tief und fest schlummerte. Dabei gäbe es doch so viel zu erzählen und zu fragen. Ich musterte die Blessuren und Abschürfungen an Garrens Kopf und Händen. Diese schienen bereits gut zu verheilen. Nur der mit Hilfsschienen angelegte Verband um seinen Oberkörper ließ mich an einer schnellen Genesung zweifeln.
Einige Zeit später verließ ich das Krankenzimmer und bewegte mich Richtung Eingangstor. Dort erwartete mich schon Ilandil. An meiner Mimik schien er schon erraten zu haben, wie erfolgreich mein Besuch gewesen war. "Wenn wir wieder zurück sind, wird er bestimmt ansprechbar sein.", meinte der Wächter ermunternd. Dabei legte er mir beruhigend die Hand auf die Schulter. So schritten wir die Treppen hinunter zur Straße.

Man konnte bereits bemerken, dass langsam aber doch der Frühling anbrach. Die Sonne schien mittlerweile etwas kräftiger und ließ den Schnee auf den Dächern langsam dahinschmelzen. Stetig landeten vereinzelte Wassertropfen auf den Pflastersteinen der Straßen und Gassen. Diese waren bereits schneefrei.

Zielstrebig schritten wir zum Marktplatz, wo schon reges Treiben herrschte. Händler von nah und fern priesen hier lautstark ihre Waren an. Da waren Kaufleute aus Sacia, Sophene, Mesphia, Pirmin. Sogar einige Osdh-Orgonier. Dazwischen machten ihnen immer wieder Heimische Händler die Kundschaft streitig. Es gab keinerlei Anzeichen von Bedrücktheit oder Sorge wegen dem beginnenden Krieg. Ganz im Gegenteil sogar. Dazu trugen wohl die Gaukler und Spielleute bei. Mit ihren Baladen und Späßen erhellten sie das Gemüt der Bürger.

Ohne einen Blick auf die exotischen Waren zu werfen, durchschritt Ilandil die Menschenmenge. Etwas enttäuscht folgte ich ihm. Wär ich doch so gerne ein wenig umhergegangen.

Wir bewegten uns auf ein mittelgroßes Steingebäude zu. Die Fassade war schon abgebröckelt und das Dach war in einem desolaten Zustand. "Das ist die Bibliothek.", teilte mir der Wächter mit. Ich nickte knapp. Mit einer kräftigen Handbewegung öffnete er die Tür und wir traten ein. Ein muffiger Geruch aus schlechter Luft, alten Büchern und morschem Holz empfing uns. Vor uns erstreckte sich die Kanzlei des Bibliothekars. Dahinter erhoben sich Regale voller Bücher. Aufgrung des schlechten Lichtverhälltnisses konnte ich nicht ganz nach Hinten sehen.

"Oh, Wächter Ilandil! Was für eine Ehre!", vernahm ich eine Stimme aus der Dunkelheit. Ein gebückter greiser Mann kam hervor. Ich staunte, als ich seinen Bart erblickte. Der musste wohl einen Meter Länge gehabt haben. "Und du bist von der Sippe der Eladh, nicht wahr?", redete der Mann weiter.

Woher wusste dieser das nur? Verwirrt blickte ich ihn an.

"Den Göttern zum Gruße, Masthar Althallas. Wir oder besser gesagt, dieser junge Mann benötigt Eure Hilfe.", sprach Ilandil. Masthar? Dieser Anrede entnahm ich, dass es sich bei dem Greis um eine Respektperson von hohem Rang handelte. Nur der Berater des Königs oder fortgeschrittene Druiden wurden so angesprochen. "Woher kennt Ihr meinen Zweitnamen?", fragte ich. "Ah... Ich kannte schon deinen Vater, dessen Vater und wiederum dessen Vater. Ihr Eladh's schaut euch nunmal sehr ähnlich.", kam die Antwort zurück. "Doch nun berichtet, wobei ich euch behilflich sein kann." Ich schilderte dem Bibliothekar meine Erlebnisse und Ilandil ergänzte sie mit seinen Überlegungen. "Masthar, wisst Ihr mehr über solche Geschehnisse? Wie kann es sein, dass Farnilon mit dem Wolf kommunizieren konnte?"

Der alte Mann runzelte die Stirn. "Hmm... Anhand dieser Erzählung handelt es sich bei diesem Tier um einen Na'Arkh. In den Legenden des Nordens bezeichnet man diese Tiere auch unter Seelenwanderer. Vor vielen hunderten Jahren sollten sie einst die Menschen in Aarn und in der Wildlande in Angst und Schrecken versetzt haben. Doch das sind meist wirre und lückenhafte Überlieferungen. Mehr weis ich auch nicht darüber. Ich denke Masthar Aorin weiß mehr darüber. Er hat sich schon seit Jahrzehnten mit diesem Mysterium befasst. Reitet in den Nordhen Aarn's. Dort werdet ihr ihn in Tharn finden.", klärte uns der Greis auf.

"Naja, Immerhin ein Anhaltspunkt", murmelte Ilandil. Kurz danach verabschiedeten wir uns von Masthar Althallas. "Mögen euch die Götter stets auf der Reise beschützen!", war das Letzte was ich vernahm, ehe sich die Tür der Bibliothek hinter uns schloss.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt