Kapitel 64 ~ Von guten Freunden und einer warnenden Beobachtung

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ROLAV
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Ich genoss den Atem der Wüste, welcher sich wie Seidenstoff an meine Haut schmiegte und fühlte die flimmernde Hitze, wenn ich mit Marasum über die Sandwellen fegte. Schwitzend glänzte sein Fell im Sonnenlicht und zerstob die gelbe Decke wie es Hagelkörner auf dem Roggenfeld taten.

Mein Pferd war mein treuester Freund in dieser Gegend, daran änderten auch Calvdan, Orlon und Skel nichts, welche mit dem restlichen Patroillienzug zu mir aufrückten. Sich fast das Leben aus dem Hals keuchend, erreichte Orlon ebenfalls das Dünengrat.

"Man möchte meinen die Wüste habe euch das Fett schon vom Körper abgebrannt, Orlon, jedoch sehe ich nach wie vor Euren Waffenrock aus den Nähten platzen.", hieß ich ihn grinsend willkommen.

Seufzend plumste er auf der anderen Dünenseite runter und röchelte, als hätte ein roher Erdapfel seine Atemwege blockiert.
Endlich erlangte der Mann seine Fassung wieder und krächzte: "Die Karten. Es ist meine verdammte Arbeit als Kartograph neben den süßen Datteln und nackten Sklavinnen."

"Oh, Ihr seid es also, der Nachts seine höchsten Töne durchs Lager schickt. Ich hätte auf eine Eurer Dienerinen getippt.", hörte man plötzlich die Stimme Skels aus dem Hintergrund mit einer guten Portion Spott im Tonfall und ließ mich in Gelächter verfallen.
Seine angriffslustig funkelnden Augen setzen seinen dunklen Teint passend dazu in Szene. Wie immer scheute das Halbblut keinen Moment, an welchem er dem alte Herren eins Auswischen konnte.

Schnell folgte auch schon die Konter Orlons: "Seht Ihr, Skelar, davon rührt meine Erschöpfung her. Bei Euch hingegen bemerke ich nie einen Kräfteschwund. Ihr müsst diese Keuschheit mal ablegen, mein Freund."

"Ihr irrt, mein Guter. Ich bin keusch wie die Mutter im Freudenhaus. Jedoch versteh ich mich in der geheimen Kunst der Verführung, da überschlägt sich der Verstand mit Ekstase, anders als bei Euch dem der Instinkt der Schweinepaarung anhaftet und-"

"Skel, ich bitte dich...", verteidigte ich die Ehre des Kartographen. So gern ich den Schlagaustausch der zwei Männer liebte, umso ernster war der Grund warum wir so weit hinaus auf Grenzkontrolle waren.

Nun war auch der Rest des Zuges angekommen und der Hauptmann der sechsten Patrouille trat auf mich zu.
"General, wir sollten dort unten in der verlassenen Stätte lagern. Es gibt hier einen kleinen Brunnen.", sprach der hochgewachsene Mann.

"Gut so. Gib den Männern Bescheid, Calvdan."

Ich starrte seinem leichtbekleideten, muskulösen Körperbau noch einen kurzen Moment nach, ehe ich die Zügel Marasums ergriff und ebenfalls hinabstieg.

Geschäftig errichteten zwei Dutzend Legionäre ein Lager mit zwei Feuerstellen, während weitere zehn Mann oben auf den Dünen Wache hielten.
Hier in der Wüste wurde keine Unvorsichtigkeit toleriert. Viele meiner Männer hatten dafür schon bitter bezahlt, weil sie das Lager ungünstig oder ohne zusätzlichen Wachposten errichtet hatten, denn die Aufklärer der Sonnenwanderer waren schnell und darauf gedrillt möglichst viele elosener Grenzer den Geiern zu opfern.

Zufällig richtete sich mein Blick gen Himmel und ein einzelner Weißhaargeier kreiste hoch über unseren Köpfen. Leichtes Unbehagen kroch wie eine Spinne meinen Rücken hinauf.

"Ein schlechtes Omen bei meinem Volk.", raunte Skel in die Runde und jeder nickte bekräftigend.

Knackend brach ich mir ein Stück gegrilltes Fladenbrot ab und schob es mir in den Mund, ließ jedoch meine Augen auf die Wachposten gerichtet. Innerlich wappnete ich mich bereits auf ein schnelles Verlassen der Stätte. Ein Geier bedeutete ein krankes oder verletztes Tier oder eine Gruppe Aufklärer auf dem Weg hierher.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt