Kapitel 46 ~ Von Folter und Streckbank

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FILOU
~~~

PLATSCH!!

Sofort schreckte ich auf.
Jemand hatte soeben einen Eimer eiskaltes Wasser über meinen pochenden Kopf geschüttet.

Verwirrt blickte ich umher und wartete, dass der hervorgerufene Gehirnfrost abklang.
Doch dafür wurde mir keine Zeit gelassen, denn grob packten mich zwei Paar Hände an meinen Armen und hieften mich in die Höhe.

Augenblicklich protestierte ich lautstark über die schroffe Behandlung, als ich mich wieder an den gestrigen Abend erinnerte.
Die Hochzeit in Eomundh, dann das Feuer und die Vergiftung des Kriegsherren. Meine Verhaftung obwohl ich unschuldig war.

Ich erhaschte einen Blick auf die Grobiane und erkannte zwei Soldaten in osdhmärkischer Uniform.

"Los, komm schon. Steig jetzt mal vor, hast ja lang genug gepennt!", herrschte mich einer an.

Also ob man das freiwilligen Schlaf hätte bezeichnen können. Zuerst hatte mich der Rauch außer Gefecht gesetzt und dann wurde man unsanft vom kalten Zellenboden aufgeweckt.

Murrend ließ ich mich auf den Gang weisen, wobei mir einer der Soldaten in regelmäßigen Abständen einen unsanften Klaps gegen den Hinterkopf verpasste.

Ein paar brennende Fackeln leuchteten den Weg spärlich aus, während ich über eine Treppe in die tieferen Gewölbe des Verlieses gebracht wurde. Selten beobachtete ich hinter den Gefängnisgittern andere Bewegungen, deshalb vermutete ich nur eine geringe Anzahl an Leidensgenossen.

Schließlich begegneten wir zwei weiteren Soldaten, welche meine Bewacher ablösten und mich in eine dunkle Kammer zerrten. Ich sah deshalb nur sehr unscharfe Mauerumrisse.

Da flackerte plötzlich ein Feuer auf und ich blickte mich neugierig, jedoch suchtlich unsicher um. Ein mulmiges Gefühl überkam mich, wie ich feststellen musste, dass ich mich in der Folterkammer der Festung befand.
Schnell wandte ich meinen Blick wieder von den Werkzeugen ab, bevor ich alleine bei ihrem Anblick schon ängstlich wurde.

Wirkliche Panik bekam ich, als ich die Streckbank bemerkte, an der breits der Folterknecht stand und mich hämisch mit seinen letzten losen und gelblichen Zähnen angrinste. Hingegen zeigten sich die Gesichter von Zrathoc und Hylam emotionslos, der Fürst selbst war nicht anwesend, und ich war mir im Ungewissen ob dies ein gutes oder böses Omen darstellte. Ich tippte auf Letzteres.

"Binde ihn auf die Streckbank, Foltermeister!", rief Zrathoc ohne mich auch nur anzusehen.

"Wartet! Bitte, ich hab niemandem etwas getan. Ich bin doch kein Mörder! Was wollt ihr von mir?", schrie ich und vernahm wie sich meine Stimme überschlug und zu einem schrillen Ton anschwoll.

Panisch huschten meine Augen umher, suchten nach Hilfe, ohne jeglichen Erfolg. Die Mimik der Männer blieb entschlossen und zeugte davon, dass sie diese Arbeit schon öfters gemacht hatten.

Ich erkannte, dass meine Situation ausweglos war und so wehrte ich mich auch nicht mehr, als abgewetzte Stricke meine Gelenke an das Foltergerät banden. Dann betätigte der Knecht mit geübter Bewegung das Rad auf der Kopfseite des Schmerzinstrumentes und ich fühlte die aufkommende Spannung an meine Gliedmaßen.

Ich verdankte es wohl immer noch dem Feuerrauch, dass mein Kopf leicht benebelt war und ich deshalb das Geschehen um mich herum und an meinem Körper mit einiger Verzögerung wahrnahm.

In diesem Augenblick fühlte ich den Schmerz in den Knien, an der Hüfte und bei den Schulter. Ein Knochen knackste ungut und ich knirschte die Zähne aufeinander.
Ein gepeinigtes Stöhnen presste ich hervor und der Foltermeister hielt in seiner Arbeit inne.

Ich wartete auf die Fragen, welche mir jetzt gestellt werden würden und auf die schmachvolle Verhöhnung, welche danach folgen würde.
Jedoch war ich nicht bereit einfach so drauflos plappern zu wollen.
Zrathoc schien die gleiche Erkenntnis getroffen zu haben, denn er gab den Befehl zum Weitermachen.

"Wie ist dein richtiger Name, Gefangener?", hörte ich den Mann in ausgeprägtem kharischen Akzent sprechen.

"Noral Danthe.", krächzte ich.

"Wie ist dein richtiger Name!?"

Das Ziehen wurde schmerzhafter.

"Ich bin... Aaahh! ...Noral Danthe.", versuchte ich meine Lüge ein zweites Mal.
Hier ging es nicht mehr nur um mich, ich gefährdete meine Familie mit der Wahrheit. ...Und Arim und Larah.
Oder waren diese Teil des Komplottes?
Und warum wusste Hylam meinen Namen nicht?
Oder tat er so als ob er mich nicht kenne, um mich zu prüfen?

"Raaahh! Aufhören, bitte!", flehte ich unter einer neuen Welle des Leidens.

"Dann sprich die Wahrheit, verdammt! Und lüge nicht ein weiteres Mal.", herrschte mich Zrathoc an.

"Ich... Ich bin Filou..."

"Weiter! Oder die Qual wird erhöht."

"...Berlon. Filou Berlon.", flüsterte ich und Speichel tropfte mir vom Kinn runter.

"Ah! Geht doch, und ein orgonischer Bastard noch dazu.", triumphierte der Kharer.
"Das ist Verrat am eigenen Volk.", meinte der Hauptmann und spuckte mir auf die Beine.

Warum zum Henker sollte ich ein Bastard sein?
Etwa nur wegen meinem Namen?
Das war doch lächerlich.

Hylam hatte sich beängstigend verändert, seit er der Bruderschaft abeschworen hatte.
Was war er doch früher sympathisch gewesen und hatte stets einen Scherz auf Lager.
Diese Eigenschaften waren nun nicht mehr auf seinen Gesucht zu bemerken, er sah ernst, beinahe verbittert aus und ein verätliches Lächeln zeugte davon, wie er sich an meinem geschundenem Anblick ergötzte.

"Woher kommst du? In welchem Dorf lebt deine Familie?", fragte dieser mich, denn dies konnte er tatsächlich nicht wissen.

"Aus Ileam.", erwiederte ich und hoffte dass sie mir glaubten.

"Es gibt dort keine Sippe mit dem Namen Berlon. Rede!", fauchte der ehemalige Wächter.

Ich schluckte hart den Kloß hinunter der sich in meiner Kehle gebildet hatte. Schwitzend überlegte ich nach einem Ausweg, das Ziehen der Streckbank wurde fester.

"Es gibt keine Familie. Ich bin... alleine.", keuchte ich unter höchster Anstrengung.

Deutlich hörte ich wie Hylam lachte, es war ein triumphierendes Lachen. Sein Kumpane jedoch schwieg und bedachte mich eines berechnendes Blickes.

"Na, da haben wir doch einen guten Fang gemacht. Mahran wird erfreut sein, ein orgonischer Bastard vergiftet seinen Kriegsherren.", heuchelte er mit gespielter Übertreibung und verneigte sich vor seinem imaginären Fürsten.

"Sei still! Du bist doch nicht ganz bei Sinnen.", grollte Zrathoc und ein gefährliches Glitzern lag in seinen Augen.

"Unser Gebieter ist nicht erfreut über deinen Leichtsinn.", meinte er leise und doch so verständlich, dass ich die Worte mithörte.

"Dein Gebieter! Ich bin nicht sein...", erwiederte der Hauptmann aufgebracht, bevor ihn sein Gefährte mit einer beschwichtigenden Geste zum Verstummen brachte.

"Gut... Bindet den Mörder los und schafft ihn wieder in seine Zelle. Wir haben genug für heute erfahren.", befahl er den zwei Uniformierten, welche mich gleich darauf vom gespannten Leid erlösen.
Ein Zittern kroch dabei über meinen Körper.

"...Außerdem ist mir der Spaß sowieso vergangen.", setzte Hylam brummend nach.

Schließlich schleiften mich die Wachen abermals hinter Gitter; gehen konnte ich nicht mehr, da meine Gelenksschmerzen bei jeder selbständigen Bewegung meines Körpers protestieren und dem Gefühl nach bei schweren Belastungen explodierten.

Etwas sanfter legten mich die Soldaten auf ein muffiges Strohlager im kalten und zugigen Raum.
Scheppernd schloss sich die Gittertür, ein Schlüsselbund rasselte und zwei Holzbalken wurden vorgeschoben.

Dann empfing mich Einsamkeit gepaart mit Trostlosigkeit und Erschöpfung.
Ungewissheit plagte mich, während ich meine geröteten Gelenke mit schmutzigen Fingern masierte; ich bezweifelte, dass ich jemals wieder als freier Mensch ans Tageslicht kam.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt