Kapitel 52 ~ Von getäuschter Freiheit und Zeitdrang

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FILOU
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"He du da! Wach auf!", rief eine Stimme von weit aus der Ferne, wie es mir schien.

Metall rasselte auf Metall, gefolgt von einem scharrenden Quietschen. Dann stampften Stiefel auf den unebenen Boden und ich vernahm ein glucksendes Blubbern als die Person in eine der Wasserlachen latschte, welche durch das feuchte, den Dunst kondensierende Gesteinsgewölbe verschuldet wurden.

Grob packten mich Arme an der Schulter und hieften meinen Körper in die Höhe, meine Seele befand sich noch immer irgendwo im Unrat der Exkrementen, so meinte ich.

Es überraschte mich, als mir der Mann - dessen war ich mir aufgrund seiner Kraft sicher - mit der linken Hand unter die Achsel griff und meinen rechten Arm über seinen Nacken legte.

In dieser Position schleifte er mich aus der Zelle, dabei schien er jedoch nicht zu beachten, dass sich meine nackten Zehen am rauen Steinboden aufschürften.

Von diesem Schmerz aus meiner Lähmung gerissen öffnete ich die Augen und ein gebrochener Schrei entwich meinen Lippen.
Sofort schoss eine behandschuhte und nach abgetragenem Leder riechende Hand auf meinen Mund und ließ mich verstummen. Nur ein emsiges Japsen nach Luft wurde mir gewährt.

Panisch versuchte ich mich aus seinen Fängen zu befreien, doch der Griff war eisern und ich fühlte die Präsenz, welche er ausstrahlte.
Ich erhaschte einen Blick auf seine Uniform und erkannte ihn als osdhmärkischen Soldaten. Seine Aufbau war hühnenhaft und der Griff von einem prächtigen Exemplar eines Zweihänders ragte an seinem Rücken empor.

Voller Ehrfurcht und Respekt beendete ich meine ängstlichen Befreiungsversuche und keuchte angestrengt, da ich seit den letzten Tagen an Unterernährung litt und die Feuchtigkeit meine von der Folter gezerrten Gelenke anschwellen lassen hatte.

"Ruhig Mann. Wir retten dich gottverdammt gerade aus diesem stinkenden Moloch. Hab keine Angst, wir haben es bald geschafft.", versuchte mich der Mann mit tiefer Stimme zu beruhigen.

"Oldon, hilf mir mal. Ich befürchte, dass es um ihn schlimmer bestellt ist als wir angenommen hatte. Der kann keinen vernünftigen Meter gehen mit seinen Füßen.", rief er dem anderen Bewaffnetem zu, welcher die Gitter hinter uns wieder schloss.

Ich erkannte, dass Oldon jener Mann war, welcher sich des einst - mochten Tage oder Wochen inzwischen vergangen sein - auf orgonisch mit seinem Kumpanen unterhalten hatte.

Diese Begegnung hatte ich verdrängt, ich hielt es nur mehr für einen seltsamen Traum. Doch nun duchfluteten mich wieder die Worte der zwei Männer.

Doch wer waren diese? Und was hatten sie jetzt mit mir vor?

"Wer... Wer seid ihr?", flüsterte ich misstrauisch.
"Wohin bringt ihr mich diesmal? Ich flehe Euch an... bitte... hört auf mit dieser Folter. Erlöst mich von meinem Leiden, ich will nicht mehr."

"Schht! Seid still, spart Euch die Fragen dafür auf, wenn wir in Sicherheit sind.", ermahnte mich Oldon.

Verwirrt versuchte ich in Blickkontakt mit ihn zu treten.
"Wer ist wir, und von welcher Sicherheit sprecht ihr?"

"Ruhe hab ich gesagt. Ich und Esthor holen Euch hier raus. Ihr seid unschuldig eingesperrt worden und müsst - so schnell es in unserer Möglichkeit steht - Euer rechtmäßiges Erbe antreten. So, und jetzt keine weiteren Fragen mehr!", erklärte der Soldat barsch aber bestimmt.

"Ihr verwechselt hier etwas, befürchte ich. Von welchem Erbe..."

Ein weiteres Mal legte sich die Hand des Grobians um meinen Mund und die Augen des Hühnen funkelten mich eigenartig an.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt