Kapitel 51 ~ Von einer Besprechung und neuen Informationen

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FARN
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Wir saßen zu fünft um den runden Tisch im Arbeitszimmer von Mastar Ogín. Seine Glatze glänzte im gedrungenen Fackelschein und in seiner Mimik wiederspiegelte sich Sorge.
An seiner Seite hatte ein greiser Mastar mit einem schlohweißen Bart Platz genommen. Sein ernster Blick zeugte von seiner Ungeduld, welche durch das hinauszögern dieses Gespräches verursacht wurde.

Die beiden Wächter waren in ähnlicher Stimmung und Ilandil trommelte mit leichter Nervosität auf das glatte Holz des Tisches.

Wir zwei waren uns gegenseitig in den letzten Tagen vermehrt aus dem Weg gegangen, einerseits da jeder etwas zu erledigen hatte und andererseits war er noch immer erzürnt auf mich, seit er mich des Nachts in Aarnsmundh abgefangen hatte.
Mir war im klaren, dass er es nur gut mit uns, oder vielmehr seiner Schwester gemeint hatte. Trotzdem war er in meinen Augen nicht mehr der Ilandil aus den Tagen an denen wir sich zum ersten Mal begegneten.

Er hatte Recht in seinem Empfinden gegenüber Nai und mir, und dies ließ mich eben nicht so ganz in Ruhe.
Einerseits grämte mich die - meiner Meinung nach - veraltete Sitte der Zwangsheirat, andererseits fragte ich mich, warum Nailėn diese besondere Begegnung am Burgfried, all diese Gefühle dort zugelassen hatte.
Ich durchschaut dieses Gewirr weniger als es mir lieb war.

Der weißbärtige Mastar räusperte sich und richtete seine getrübeten Augen eindringlich auf unsere Gesichter.

"Wie ich sehe sind wir nun vollzählig. Lassen wir die Nacht nicht tatenlos verstreichen, sondern planen besser die Weiterreise nach Aeon.", meinte er und entrollte mit seinen faltigen Händen eine Pergamentrolle.
Diese zeigte eine Karte der Wildlande zwischen den Grenzen von Thule, Elos und den Ländereien der geeinten Margh.

Sein Zeigefinger strich über die Markierungen von meist noch unbenannten Flüssen und Bergen, bis er an einem Punkt ruhte. Es handelte sich um Tharn, unserem derzeitigen Verweilungsort.

"Wenn Ihr auf meinen Rat hören mögt, so reitet vorerst bis nach Farmundh. Dies ist der letzte Militärposten östlich des Landes, an dem ihr guten Gewissens euren Proviant aufstocken könnt. Achtet allerdings auf die Moorfelder in der Gegend und weicht auf keinen Fall vom Weg ab.
Bittet außerdem den Kommandanten der örtlichen Garnison um Geleitschutz sobald ihr weiterreist. Denn solange ihr nicht die Hügelwälder erreicht habt, seid ihr auf deren Schutz angewiesen.", riet uns der Greis und fuhr den Weg auf dem vergilbtem Pergament mit seinem Finger nach.

"Ist etwa der Stamm der Nurthín auf Beutezug?", fragte Garren interessiert.

Da mischte sich nun der Khar'Mastar ein und sein Ausdruck gefiel mir ganz und garnicht.
"Die Nurthín befinden sich in Blutsfehde mit den Esbaldh, welche sich mit dem Stämmen der Nerodh und Kharlith verbündet hatten. Deshalb ist in den Grenzregionen sehr stark mit Übergriffen der Barbaren zu rechnen; Wegabkommen hin oder her.", raunte er missmutig in die Runde und erhielt beistimmendes Nicken seines ehemaligen Waffenbruders.

"Dennoch bezweifle ich, dass es Übergriffe seitens der Nurthín geben wird. Sie profitieren wie die Balaer von den Händlertrossen, welche durch ihre Stammesreviere reisen. Da würden sie es erst recht nicht wagen bewaffnete Reiter aus Farmundh anzugreifen.", widersprach der Fürstensohn.

"Da ist was wahres dran, dennoch bleibt die Lage zugespitzt. Wir können nur hoffen, dass deren Feinde nicht einen Kriegszug in diese Gegend planen. Mit den Nerodh liefern wir uns schon seit fünf Jahren Grenzgefechte, da kommen ihnen ein paar aarnische Reiter gerade Recht, wenn diese durch feindliches Territorium reisen.", räumte Ogín ein.

Der Grauhaarige tippte auf eine Linie im unterem Bereich der Karte.
"Wie sieht es an der Grenze zum Kaiserreich aus? Gibt es vermehrt Truppenbewegungen in der Provinz Ísdome?"

"Unserem Wissen nach gab es nichts Auffälliges zu beobachten. Der Kaiser soll sogar eine Legion im Süden der Provinz abgezogen haben, um den Krieg in der Freien Lande voran zu treiben.", sprach der alte Mastar.

"Wir dürften daher halbwegs unerkannt über die Flusstäler des aeonischen Felsplateaus reisen, erkenne ich das richtig, Mastar Ulfín?", fragte der Wächter und breitete forsch seine Hand über jene eingezeichneten Berge auf der Karte.

"So ist es, Wächter Garren. Jedoch kann ich euch nicht darauf vorbereiteten, was euch in Aeon erwartet. So weit reicht unser Netz an Informationen nicht...", ergänzte der Greis.

"...Oder es reicht nicht zur Genüge um eindeutige Sicherheiten zu gewährleisten.", presste Ilandil zwischen den Zähnen hervor.

Überrascht von seiner Stimmungsschwankung blickten wir ihn an. Falten breiteten sich auf dessen Stirn aus, als er zu einer Erklärung ansetzte.

"Als wir in Aarnsmundh Rast gehalten hatten, erzählte mir mein Vater, dass die thulenischen Agenten in Aeom verraten worden seien. Darum haben wir kaum Ahaltspunkte bezüglich der politische Situation, Garnisonsstärke und wirtschaftliche Stabilität in dieser Stadt.
Es verwundert mich deshalb zutiefst, dass man dies der Bruderschaft vorenthalten hat. Und das gefällt mir nicht."

"Davon wurde uns tatsächlich noch nicht bescheid gegeben. Ich werde morgen Früh einen Boten an den Hof deines Vaters und in den königlichen Palast nach Arleen senden. Diese Missstände müssen aufgeklärt werden.", stimmte der Beleibte dem jungen Wächter zu.

Ein nicht ganz unterdrücktes Gähnen entfloh meiner vorgehaltenen Hand. Es war bereits spät und ich war müde vom Übungskampf am Nachmittag.

Flüchtig streiften mich des Großmastars Augen, dann erhob er sich von seinem Stuhl.

"Meine Herren, wie ich meine ist keinem von uns verborgen geblieben, dass uns schon längst tiefste Nacht eingeholt hat.
Das wichtigste haben wir besprochen, über alles weitere reden wir bei der Abreise.
Ich beende hiermit unser Treffen und wünsche den Herren noch eine genehme Nachtruhe.", sprach der Mann und ließ in seinem Ton keinen Widerspruch gelten.

Ich war ihm sehr dankbar für sein Verständnis. Die Worte des Mastars hatten wie Musik in meinen Ohren geklungen.
Seufzend stand ich auf und folgte den Wächtern hinaus auf den Flur. Kurze Zeit später verabschiedeten wir uns nocheinmal voneinander und gingen dann getrennten Weges in unsere Zimmer.

Genüsslich entledigte ich mich meiner Kleider und schrubbte mir an der Waschschüssel Schmutz und Schweiß von der Haut, bis mein Körper mit geröteter Reinheit und geklärtem Nussöl wieder ansehnlich war.
Zufrieden stieg ich ins weiche Bett und wickelte mich warm in die kuschelige Decke. Dann wünschte ich Remin eine gute Nacht und schloss zufrieden die Augen.

Morgen würde es endlich weitergehen. Weit hinaus in die Ferne fremder Länder und Völker, welch eine Aufregung das war!

Allerdings musste ich mir auch Wehmut eingestehen, als ich daran dachte, dass ich Liander, Othan und Sether für eine lange Zeit nicht zu sehen bekam.
Ja vielleicht würde ich manches Mal auch die seltsame Wesensart von Mastar Ogín vermissen, wer weiß...

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt