✔ Kapitel 4 ~ Von Abenteuerlust und einem Ausreißer

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FARN
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Mit Hochachtung sog ich Garrens Erzählung in mich auf. Die legendäre Bruderschaft der Zwölf Wächter der Nacht - es gab sie wirklich!

Garth übernahm nun das Reden: "Denkt Ihr denn, dass es noch andere Wächter geschafft haben zu flüchten?"

Betretene Stille lastete schwer wie ein Mehlsack über den drei Männern. Nur die Pferde wieherten und schnaubten ihre Artgenossen an.

"Ich weiß es nicht. Wenn ich nach Ealdh komme, werde ich hoffentlich auf Ílandíl treffen. Ansonsten...", dem Wächter versagte die Stimme.

"Es ist besser wenn du weiterreist. Ich stelle dir eines meiner zwei Reitpferde zur Verfügung, auch wenn mich Überwindung kostet, denn es sind edle Tiere. Siehe es als letzten Gefallen für die Bruderschaft an, meine Schuld ist getilgt.
Von heute an, wird der Name der Eladh nie wieder mit den Wächtern der Nacht in Verbindung geraten. Mögen die Götter dies bezeugen.", sprach mein Vater und erfasste Garrens Arm.
"Schwört es!"

"So wahr ich meine Herkunft nicht verleugnen kann - kein Wächter wird Euren Grund und Boden je wieder betreten."

Ich duckte mich tief in den Heuhaufen hinein, als der Alte einen Torflügel öffnete und sich silbernes Mondlicht in die Stallungen ergoss. Die Boxenwand schützte mich vor einer Entdeckung, dennoch ging mein Atem flach.

Schritte knirschten über das Stroh, Hufe klackerten auf Pflastersteine - unterbrochen vom Rasseln der Sattel und des Zaumzeugs. Der Laut der Stimmen entfernte sich und ich lugte vorsichtig über die Holzkannte. Der Wächter war bereits auf dem Weg zur Hauptstraße, lange starrte ich ihm nach - bis der Hall des Pferdes von der Dunkelheit verschluckt wurde.

Es war die Abenteuerlust, die mich gleich einem Fieber in Besitz nahm. Leise flüsterte sie mir Wörter ins Ohr und meine unstillbare Neugier fraß sie hungrig auf. In diesem Moment fasste ich den Entschluss - es war Zeit für einen Besuch in die Außenwelt, hin nach Ealdh, auf den Spuren der Wächter der Nacht.

Aprupt ging ich hinter einem Fuhrwerk in Deckung. Ich hörte ganz in der Nähe Garth reden.

"...Meinst du? Ich werde dem Postboten einen Brief für ihn nach Eladh mitgeben, er sollte..."

Wind griff auf und zerfetzte das Gespräch der Beiden. Frierend zog ich das Hemd enger um meinen Körper und huschte geduckt ins Haus hinein

Unbemerkt vom nächtlichen Ausgang huschte ich in mein Zimmer hinein, wo mich wohlige Wärme empfing.

Das beruhigte meine aufgewühlten Gefühle, doch ich war meiner Sache sicher. Ich würde Garren auf seiner Mission begleiten - ganz gleich ob es im Sinne meines Vaters war. Nichts konnte mich davon abhalten, wenn einmal die Neugier geweckt war.

Ich nahm die alte Rindsledertasche vom Haken und packte nur die notwendigsten Sachen rein - ein Stück kostbare Seife und ein Wollhemd zum wechseln, mein abgestumpftes Messer sowie die paar gesparten Kupfermünzen und einen Feuerstein.

Schon wollte ich zur Tür hinaustreten, als mein gewissenhafter Blick die Beine hinuter wanderte. Beim vermuten Henker, war ich naiv... Da wollte ich glatt mit meinen Holzpantoffeln auf Reise Gehen. Im Winter.

Hastig wechselte ich sie gegen die Lederstiefel aus. Matt glänzten sie im Modschein, welcher durchs Fenster hereinleuchtete.
Diese Stiefel waren mir heilig. Nicht weil sie aus echtem Hirschleder geschustert waren oder sie sich innen warm und flauschig anfühlten. Nein, sie waren nämlich Vaters Geschenk zu meinem sechzehnten Geburtstag.

In froher Erwartung machte ich mich auf den Weg hinunter, wo ich mich vorher noch in die Speisekammer einlud.
Da stibitzte ich mir eines der prachtvollen Schinkenexemlare und einen halben Laib Brot. Doch meine Augen erfassten etwas ganz anderes, Schmalzkringel!

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt