Kapitel 59 ~ Von Gewissensbissen und einer schweren Entscheidung

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DIRAN
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Ein schwerer Druck lastete auf der seelischen Barriere zwischen dem Bewusstseins des Na'Arkhs und dem meinem. Er versuchte mich zurück aus seinem geistigen Territorium zu drängen. Doch ich gab nicht auf, nicht ohne zu kämpfen!

Augenblicklich zuckte ein stechender Schmerz um meine linke Schläfe. Stöhnend riss ich den Arm hoch und presste ihn kraftvoll dagegen.

Warum wehrst du dich gegen das Schicksal?, flüsterte eine sanfte, verführerische Stimme in meinem Kopf.

Mein Schicksal wird diesen Weg nicht gehen, nicht nochmal!, keifte ich zurück.

Ihr irrt Euch, Na'Ghran. Schicksale sind vorherbestimmt und erfüllen sich, so oder so. Kommt und geht diesen Weg mit mir. Ich kann Euch helfen.

Das ist nicht wahr! Ich selbst bin nur dafür verantwortlich. Du bist ein Nichts, nur eine Erscheinung in meinem Geist, welcher mich zu verrückten und grässlichen Taten verleiten will.

Die Sicherheit war dem Zweifel gewichen. Was, wenn der Seelenwanderer doch Recht mit seiner These hatte? War nicht er das brutale Monster, sondern ich, weil ich nicht genug Kraft aufwenden konnte ihn aus mir zu verbannen?

Ihr hegt Zweifel gegen Euch selbst, das fühle ich.

Und ich fühlte den pochenden Schmerz. Unerträglich schwelle dieser an ohne in irgendeiner Aussicht auf Linderung.

Du irrst dich, Wolf! Ich weiß genau was ich bin ... und was du bist. Ein mordendes Monster in fremden Seelen, mit dem unstillbaren Durst nach Leid und roten Lebenssaft!

Das Tier schwieg. Dafür vervielfachten sich plötzlich die Schmerzen und ein herzzerreißendes Gurgeln entkam meiner Kehle. Ich krümmte mich auf den spiegelglatten kühlen Boden und ein spitzer Schrei gellte durch die Halle.
Das Echo schwang selbst dann noch von Wand zu Wand, als eine akute Milderung auftrat und ich mit kreisenden Bewegungen mit den Fingern meine Schläfen masierte.

Erleichtert blickte ich auf. Stille. Kein Wispern in meinem Kopf mehr. Niemand der anwesenden Männern sagte etwas.
Dafür blickten diese mich mit teils verstohlenen, teils besorgten Mienen an.

"Diran? Geht es dir gut?", brach die zögerliche Stimme meines einstigen Freundes das Schweigen.

Wenn er wüsste was in mir vorging, sollte er sich für diesen Satz schämen. Doch ich verzieh ihm die dumme Frage, jeder reagierte so wenn etwas seltsames, nicht zu erklärendes in dessen Umfeld geschah.
Wie ... primitiv wir Menschen in überforderten Situationen doch waren.

"Es geht schon wieder. Danke.", sprach ich langsam und ließ mich von ihm auf die Beine helfen.

Alibimäßig klopfte ich den Staub vom Boden - welchen es jedoch aufgrund der Sauberkeit im Palast nicht gab - von der Kleidung und wartete eine Reaktion der anderen ab, insbesondere jene des Königs.

"Ihr wirkt verstört, Wächter Diran.", setzte dieser an.

"Tatsächlich? Mir ... war nur einen Moment nicht recht wohl zumute. Wenn Eure Majestät versteht ... die lange Reise und die noch nicht ganz verheilten Wunden daraus."

"Ruht Euch nun aus, Wächter der Nacht. Reinigt Eure Seele und Euren Körper von dem Schmutz der Entbehrungen. Außerdem entnehme ich Eurem ausgemergelten Aussehen nach, dass Ihr nach einer ordentlichen Stärkung verlangt.", meinte der Gekrönte in sachlichem Ton.

"Wie Ihr wünscht, Majestät. Meine Wenigkeit möchte euch dennoch davon überzeugen in bester Form zu sein. Zudem gibt es eine dringende Botschaft für Euch.", wies ich zurückhaltend sein Angebot ab.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt