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Ich merke, wie ich wach werde und schlage langsam die Augen auf.
Ich vermute, dass ich in meinem Bett liege, doch als ich meine Augen aufschlage befinde ich mich in einem bunten Zimmer.
Vor Schreck setze ich mich auf.
Mir fallen die Ereignisse des gestrigen Tages wieder ein, sie legen sich wie ein schwerer Schleier über mich.

Jetzt wo ich wieder klar denken kann ist es mir plötzlich garnicht mehr geheuer hier in der Wohnung von Herr Petrista zu sitzen.
Was hab ich mir nur dabei gedacht?!

Ist es nicht komisch, dass er mich mit in seine Wohnung genommen hat?
Wer nimmt schon irgendeinen Schüler mit in seine Wohnung und lässt ihn bei sich übernachten? Vor allem wenn man den Schüler noch nichteinmal leiden kann?!

Mir läuft ein Schauer über den Rücken und ich muss an die Geschichten der 14 Jährigen Mädchen, Mädchen in meinem Alter, denken die Tot und vergewaltigt in Wohnungen von Erziehern oder Lehrern gefunden wurden.

Die Angst schnürt mir die Kehle zu. Warum sollte er mich sonst mitgenommen haben? Und ich bin einfach so mitgekommen!
Was hat er nun mit mir vor?
Ich verspüre einen starken Drang zu flüchten und springe auf. Dann der nächste Schock.
Ich trage den Damenpyjama. Habe ich mich nicht sogar gestern noch im Halbschlaf gefragt woher er den hat?
Wo sind überhaupt meine Sachen?

Voller Panik beginne ich damit das Wohnzimmer nach meinen Sachen zu durchkämmen. Währenddessen fallen mir nochmehr Zeichen ein.
Hat er nicht gesagt, dass er in der Schule anruft? Etwa damit keiner Verdacht schöpft?!

Plötzlich höre ich Schritte und renne im Eiltempo zu dem Sofa. Kurz darauf öffnet sich schon die Tür und Herr Petrista tritt ein.

Ich halte ganz still. Mein Herz klopft stark und schnell und ich bin nass geschwitzt.

Zunächst lächelt mich Herr Petrista an, doch als er meine Haltung bemerkt erlöscht das Lächeln und weicht einem Stirnrunzeln.

»Was ist los?«, fragt er verwundert.
Ich bekomme keinen Ton heraus. Ich bin ganz starr.
Nein! Der Tot kommt mir zu früh! Was wird er als mit mir machen?

»Mila, was ist los?«, fragt er erneut besorgt. Er kann gut Schauspielerin!
Ich öffne meinen Mund, doch zuerst kommt kein Ton heraus.

»W-warum h-aber s-sie mich m-mit in ihre W-wohnung genommen?«, stottere ich dann.

Zuerst sieht Herr Petrista verwirrt aus, dann scheint er zu verstehen.

»Natürlich! Ich hätte wissen sollen, dass es dir komisch vorkommen muss, wenn ich dich mit nehme. Ich meine, ich war ja auch nicht sehr nett zu dir, was mir übrigens sehr leid tut!..«, sagt er und schlägt sich mit der Flächen Hand vor die Stirn.

Er lügt! Ich zitter.

»Mila, ich tue dir nichts!«, sagt er mit ruhiger Stimme.

»W-woher weiß I-ich, dass sie nicht lügen?«, mein Misstrauen wächst und ich habe das große verlangen einfach an ihm vorbei zu laufen aus dieser verdammten Wohnung raus. Aber ich kann nicht.

»Ich..«, fängt Herr Petrista an. Er scheint mit sich zu ringen. Oder überlegt er sich nur seine weitere Taktik?

»Ich... Ich bin...«, jetzt ist er derjenige der Stottert.
» Du kannst mir glauben, weil ich dein Vater bin.«, sagt er mit einem tiefen Seufzer und stützt seinen Kopf auf seinen Händen ab.

Es trifft mich wie ein Schlag in den Magen. Nein! Nein, er muss lügen!

»Beweis es mir!«, fordere ich.

Herr Petrista holt eine Kiste, die ich bis jetzt für einen kleinen Tisch gehalten habe und Öffner sie.

Was ich dann Sehe lässt meine ganze Welt Kopf stehen.
In dieser Kiste sind lauter Baby Fotos von mir mit meiner Mutter und...  Herr Petrista.
Zu allem Überfluss holt er noch ein Stammbuch heraus und zeigt mir eine aufgeschlagene Seite:

Eltern: Peter Petrista und Simone Petrista (Geb. Gräberlein)

Da steht es schwarz auf weiß.
Herr Petrista ist mein Vater.
Lauter Gefühle prasseln auf mich ein und drücken wie eine Tonnen schwere Last.
Ich fühle mich traurig, verletzt, glücklich, enttäuscht und verwirrt zugleich.

Mir laufen nun Tränen über die Wangen. Er ist mein Vater, ich kann es nicht glauben!

Mein Vater schaut mich aus roten, verweinten Augen an und mir kommt das Bild der Dezemberträume wieder in den Sinn. Genau das Bild, bei dem ich unter dem Weihnachtsbaum sitze und das lächelnde Männergesicht sehe.
Erst jetzt erkenne ich die Ähnlichkeit aber klar, er war da ja auch noch einige Jahre jünger!

Wie soll es jetzt nur weiter gehen? Ich sitze hier und weine zusammen mit meinem Vater um die verlorene Zeit und darüber, dass wir uns endlich gefunden haben.
Doch warum hat er mir nie etwas gesagt?
Nun mischt sich auch noch Wut in das Gefühlschaos.
Vor ein paar Minuten dachte ich noch, er will mich ermorden und jetzt weine ich weil er mein Vater ist.

Wir weinen noch eine ganze Weile nebeneinander her. Ich und mein Vater, den ich mir schon seit Jahren wünsche.

WeihnachtsliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt