Angie öffnete die Tür zu Germáns Büro. "Darf ich kurz stören, Germán?" Er saß an seinem Schreibtisch, vertieft in ein paar Unterlagen, sah jedoch kurz auf. "Ja, kommen Sie rein." Angie schritt nervös in den Raum hinein. Was sie Germán mitteilen wollte, war nicht einfach für sie. Die blonde Frau hatte beschlossen, der ganzen Lügerei ein Ende zu setzten und ihm endlich zu erzählen, dass sie Marías Schwester war.
"Ja, ähm", begann Angie unsicher. "Ich muss dringend mit Ihnen sprechen." Germán wirkte gedanklich noch ein wenig abweisend. "Moment, bitte. Ich unterschreibe nur diesen Vertrag und dann bin ich bei Ihnen.", erklärte er die fehlende Aufmerksamkeit. "Ja, aber es ist wichtig, was ich Ihnen sagen...", versuchte Angie, wurde aber von ihrem Schwager unterbrochen. "Der Vertrag ist auch sehr wichtig. Einen Moment bitte, Angie." Dieser wurde es allmählich zu bunt. Da konnte sie sich einmal dazu durchringen, ehrlich zu sein. Aber Germán hatte ja wichtigeres zu tun.
"Dann unterschreiben Sie ihn, wenn er so wichtig ist.", meinte Angie daher leicht genervt. "Das, das mache ich doch schon, aber der Stift schreibt nicht." Germán wirkte ein wenig hilflos und jetzt erkannte Angie, dass er den Stift schon die ganze Zeit über vergeblich zum Schreiben bringen wollte. "Zeigen Sie mal. Wieso bitten Sie nicht um Hilfe?" Sie nahm ihm den Stift aus der Hand und schüttelte kräftig.
Das Gespräch, welches bereits jetzt anders verlief als geplant, wurde immer unübersichtlicher. Angie wusste ja, dass sie vielleicht ein wenig zu energisch war, aber es ging nicht anders. Jetzt taten die beiden das, was sie am besten konnten. Gegeneinander anreden. "Außerdem ist das ein Füllfederhalter.", bemerkte Angie, während Germán sich rechtfertigte. "Würden Sie denn bloß wegen einem Stift um Hilfe bitten?"
"Der ist sicher...". "Normalerweise hat er...". Dann stoppten beide. "Ahh."
Angie sah ihn mit großen Augen an und hielt ihre Hand erschrocken vor den Mund. Sie hatte es mal wieder geschafft! Germáns Hemd zierten nun unzählige Tintenspritzer. "Ähmm, ehh, Germán, das tut mir wahnsinnig leid. Das war wirklich keine Absicht.", entschuldigte sich Angie, während Germán abwinkte. "Das ist nicht so schlimm, das ist nicht so schlimm. Das muss Ihnen nicht leid tun. Das kann ja mal passieren, das ist kein Problem."
Angie wollte ihren Fehler jedoch wieder gut machen und endlich zu ihrem eigentlichen Thema kommen. "Warten Sie, ich w.. Wasser. Wasser! Mit Wasser kriegen wir das wieder hin, Sie werden sehen." Germán sah das im Gegensatz zu ihr ein wenig anders. "Nein, bitte nehmen Sie kein Wasser. Warten Sie, Angie. Nein, Angie. Aber, aber was." Es war zu spät. Die blonde Frau hatte bereits in das Wasserglas gegriffen und rieb nun an seiner Brust entlang.
Sie bemerkte dabei, wie ein Kribbeln ihre Fingerspitzen einnahm. Angie spürte, wie straff sich seine Haut unter dem Hemd anfühlte. Für einen Moment ignorierte sie das und dachte an ihr Missgeschick zurück. Durch das Reiben war ein kräftiger, blauer Fleck entstanden. "Wenn man das sofort mit kaltem Wasser behandelt, kriegt man das ganz leicht raus.", versicherte Angie nervös. "Ich schwöre es Ihnen. Man sieht es schon, aber..." Er unterbrach sie. "Angie." Germán schaute sie eindringlich an und sie erwiderte seinen Blick. "...das ist... Tut mir leid."
Angie zog ihre Hand zurück. Wie so oft in letzter Zeit musste sie sich konzentrieren, nicht in seinen dunklen Augen verloren zu gehen. Die Atmosphäre schlug augenblicklich um. Auch das passierte in den letzten Tagen immer häufiger. "Das kann so nicht weitergehen.", beschloss Germán mit seiner dunklen Stimme. Was für einen Klang sie angenommen hatte! Wie er sie ansah!
Stopp Angie! Innerlich wusste sie, dass sie bereits viel zu viele Gefühle für ihren Schwager entwickelt hatte, aber sie wollte sich das nicht eingestehen. Sie würde sich doch nicht in den Mann ihrer toten Schwester verlieben! Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. "Sagen Sie mir nicht, Sie entlassen mich, wegen eines kleinen Tintenflecks.", kam Angie wieder in die Realität zurück und war reichlich verunsichert. Was meinte er damit? Was kann so nicht weitergehen?