Angie saß auf dem Sofa. Vor ihr waren etliche Notenblätter ausgebreitet, die sie seit einigen Minuten überarbeitete. Es waren die letzten Änderungen, dann wäre ihr neues Lied fertig. Sie hatte seit mehreren Tagen das dringende Bedürfnis, ihre Gedanken und Gefühle aussprechen, endlich loswerden zu können. Zu lange hatte Angie diese einfach mit sich herumgetragen und für sich behalten. Nun konnte sie die Dinge, welche sie die ganze Zeit beschäftigen, zu Papier bringen.
Kaum legte Angie den Stift weg, um zufrieden ihr fertiges Werk zu betrachten, trat Germán aus seinem Büro. Er lächelte ihr freundlich zu, als er seine Schwägerin erblickte und setzte sich neben sie. "Für heute fertig mit arbeiten?", erkundigte sich Angie. "Ja, für heute reicht es.", bestätigte Germán ihre Vermutung.
Zwischen den beiden verlief es aktuell ziemlich friedlich. Sie gingen nach den Problemen der vergangenen Wochen, Monaten wieder friedvoll und locker miteinander um. Angie versetzte es zwar jedes Mal einen kleinen Stich, wenn sie sich erneut in Gedanken rief, dass zwischen ihnen nie mehr sein würde, jedoch war sie froh um ihr freundschaftliches Verhältnis. Die blonde Frau genoss die Gespräche mit ihrem Schwager und die angenehme Atmosphäre zwischen ihnen sehr. Sie lachten immer viel zusammen und hatten Spaß miteinander.
"Und was machst du?", holte Germán sie aus ihren Gedanken und deutete mit einem Kopfnicken auf die unzähligen Blätter. "Irgendwelche Arbeiten der Schüler?" Angie schüttelte den Kopf. "Nicht ganz. Ich habe die letzten Tage ein neues Lied komponiert. Bin gerade fertig geworden.", erklärte sie das Papierchaos auf dem Tisch.
"So etwas kannst du?", neckte Germán sie grinsend. Solche Neckereien und kleineren Auseinandersetzungen gehörten bei den beiden nach wie vor dazu, aber das störte Angie nicht. Im Gegenteil. Sie hätte sonst das Gefühl, ihr würde etwas fehlen.
"Natürlich.", kam es von Angie gespielt beleidigt zurück. Sie griff nach einem Kissen und schlug damit auf ihren Schwager ein. "Aufhören! Gnade!", bettelte Germán und bekam das Kissen kurz darauf zu packen und legte es beiseite. "Das gibt Rache.", drohte er lächelnd und fing an, seinen Sitznachbarn durchzukitzeln. "Germán!", schrie Angie auf und versuchte sich, aus seinem Griff zu winden. Vergebens.
"Bitte.. hör.. hör auf! Germán.", keuchte sie und begann nach seinen Händen zu greifen. "Du.. du hast gewonnen.", kamen lachend die einzelnen Worte. "Ich ergebe.. mich."
Mit zufriedenem Gesichtsausdruck ließ Germán von ihr ab. Angie setzte sich wieder aufrecht hin, strich sich einzelne, verirrte Haarsträhnen zurück und zupfte ihre Kleidung zurecht. "Das war nicht sehr nett.", kommentierte sie die unerwartete Attacke ihres Schwagers. "Für mich aber umso lustiger.", grinste Germán und bekam einen warnenden Blick zugeworfen.
"Willst du mir dein neues Lied vorsingen?", kam Germán nun wieder auf ihr anfängliches Thema zurück. "Wenn du willst. Es ist aber noch nicht perfekt, ein paar Sachen müssen noch etwas überarbeitet werden.", meinte Angie unsicher. Sie hatte Angst, dass er die Bedeutung ihres Textes erraten könnte. Es handelte schließlich von ihm.
"Das macht doch nichts.", winkte Germán ab. Die blonde Frau seufzte leise auf. Wenn er unbedingt wollte. "Na dann, komm." Sie standen beide auf. Angie griff nach seiner Hand und zog ihn zum Klavier.
Beide ließen sich auf dem Hocker nieder und Angie legte die Blätter ab. Sie sah Germán an, welcher sie aufmunternd anlächelte und leicht nickte. Sie fuhr mit den Fingern einmal über die Tasten, dann begann sie, die Melodie zu spielen und fing kurz darauf an, zu singen.
No, who knows what it's like?
Behind these eyes, behind this mask
I wish we could rewind and turn back time