Gefühlschaos Teil 2

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Es waren mittlerweile etliche Wochen vergangen, doch an seinen Gefühlen hatte sich rein gar nichts geändert. Germán war sich mit der Zeit immer sicherer geworden. Er liebte die Hauslehrerin seiner Tochter. Er liebte Angie.

Germán hatte immer wieder versucht, sich Angie anzunähern, was jedes Mal mehr oder weniger gut geklappt hatte. Es gab ein paar sehr schöne Momente zwischen ihnen, doch letztendlich hatte ihn Angie immer abgewiesen, ihre Gefühle abgestritten und verleugnet. Germán verstand es nicht. Er hatte gehofft, nach jenem Kuss, der nun eine Ewigkeit zurückzuliegen schien, mit ihr zusammenkommen zu können. Er hatte gedacht, sie würde das gleiche empfinden. Germán hatte sich wohl geirrt, aber aufgeben wollte er noch nicht.

Aktuell beschäftigten den großen Mann jedoch ganz andere Sorgen. Angélica, Marías Mutter, Violettas Oma war wieder einmal in Buenos Aires. Sie wollte ihre Enkelin unbedingt kennenlernen, was Germán natürlich unter keinen Umständen zulassen konnte. Zumindest noch nicht. Er würde mit seiner Tochter zunächst in Ruhe über alles reden müssen.

Ramallo, Germán und Angie, ohne deren gutes Zureden er gar nicht erst hingegangen wäre, befanden sich nun im Auto, auf dem Weg zu dem Hotel von Angélica. Diese wollte mit ihrem Schwiegersohn sprechen, endlich eine Lösung finden.

Angie und Germán stiegen aus dem Auto und blieben vor dem Haus stehen. Die blonde Frau weigerte sich, ihn zu begleiten und sie hatte Recht. Diese Angelegenheit musste er selbst klären, auch wenn er schrecklich nervös war...

Nicht lange später kam Germán schon wieder zurück und lief auf eine komischerweise sorgenvoll dreinblickende Angie zu. "Was ist passiert? Bitte sehen Sie mich nicht so an. Lassen Sie es mich erklären, ich..." Germán unterbrach sie. Wie sah er sie denn an? Was war jetzt mit ihr los? Sie wusste doch noch gar nicht, was im Innern dieses Hauses passiert war. "Was müssen Sie mir erklären?" Ihn verwunderte es ziemlich, wie Angie ihn beinahe ängstlich ansah. "Es ist so, dass ich ehmm."

"Was ist denn? Angélica ist nicht da, sie ist abgereist." Diese Worte beruhigten seinen Gegenüber offenbar. "Was? Sie ist abgereist?", fragte Angie ein wenig verwirrt nach. Was war das denn gewesen? Jetzt benahm sie sich wieder deutlich normaler und entspannter. "Ja, sie ist abgereist und hat diesen Brief hinterlegt. Sie schreibt, dass sie meine Situation versteht und mir deshalb Zeit gibt." Germán reichte der blonden Frau den Brief, welchen er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte. "Violetta zuliebe. Sie bittet mich, meiner Tochter die Wahrheit zu sagen und ihr zu sagen, dass sie eine Großmutter hat, die sie liebt."

Germán bemerkte, dass Angie den Brief aufmerksam las und ihm nur noch am Rande zuhörte. "... und eine Tante, die ihr Leben für sie geben würde.", ergänzte Angie aus dem Brief. Germán seufzte. "Tja, das ist also, was sie will. Dass ich Violetta die Wahrheit sage, wenn für mich der richtige Zeitpunkt gekommen ist." Angie sah von dem Brief gar nicht mehr auf. Die Sache mit der Großmutter und der Tante schien sie irgendwie... berührt zu haben?

"Und dass ich sie unter dieser Nummer anrufe... Angie, alles in Ordnung?" Germán musste nun doch mal nachfragen. Ihr Gesichtsausdruck war weiterhin so merkwürdig. "Ja, schon gut. Ehm, diese Geschichte nimmt mich nur mit." Germán fühlte sich in seiner Vermutung bestätigt. "Ah... sensibel. Verstehe." Er wusste nun nur nicht, was er für sie machen sollte. "Wollen Sie ein Glas Wasser oder ein Taschentuch?", schlug er unsicher vor. "Nein, geht schon.", winkte Angie ab und sah ihn einen Moment an. Germán erwiderte den Blick und fragte sich, wie in letzter Zeit so oft, wie man nur solch wunderschöne Augen haben konnte. 

Schließlich bat Angie doch um etwas. "Eine Umarmung wäre schön." Germán war total verblüfft. Sie wollte eine Umarmung? Von ihm? "Ja.", entgegnete er schlicht. Er wusste nicht, was er anderes hätte sagen sollen und war von ihren Worten noch immer erstaunt. Angie schritt auf ihn zu und der große Mann nahm sie sanft in seine Arme...

Dieser Moment war für Germán schlichtweg magisch. Ihre Körper dicht aneinander, Angies Wärme beinahe greifbar. Er hörte ihren Atem und spürte ihren gleichmäßigen Herzschlag. Germán hielt die Luft an. Sein Herz musste viel zu schnell schlagen. Hoffentlich würde sie es nicht bemerken... Wobei, wollte er nicht sowieso, dass sie wusste, was er für sie empfand? Ja, aber er hatte dennoch Angst. Sie hatte ihm mehrmals klar und deutlich gesagt, dass zwischen ihnen nichts war. Aber stimmte das?

Germán wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Angie ihren Kopf zaghaft auf seine Schulter legte. Wenigstens würde sie jetzt sein schnell schlagendes Herz nicht mehr hören, es war in diesem Moment vor Glück zersprungen. Auf Germáns Gesicht stahl sich ein großes Lächeln, welches Angie unmöglich sehen konnte.

Er strich ihr vorsichtig über den Rücken, nicht sicher, ob sie es zulassen würde. Angie wehrte sich nicht dagegen. So vergingen die Sekunden, in denen sie sich stumm umarmten, während es in Germán brodelte. Das Verlangen sie noch dichter an sich zu pressen, sie zu küssen, ihr wie vor vielen Wochen über die nackte Haut zu fahren, wurde beinahe übermächtig.  Aber etwas in seinem Inneren sträubte sich dagegen, hielt ihn zurück. Er wollte sich ihr nicht noch einmal so aufdrängen. Vor allem, wenn sie es vielleicht gar nicht wollte.

Germán selbst wollte es jedoch unbedingt, es tat in diesem Moment fast weh, wie sehr er nach der Hauslehrerin seiner Tochter, nach ihrer Nähe, verlangte.

Plötzlich löste sich Angie jedoch von ihm und er sah zutiefst erschrocken, dass sich Tränen in ihren strahlend blauen Augen gebildet hatten. "Angie!", stieß Germán sorgenvoll aus. "Was ist los?" Erste Tränen rollten ihre Wangen hinunter. Wann hatte dieser Gefühlswandel denn angefangen? Sofort streckte der große Mann eine Hand nach ihrem Gesicht aus, um die Tränen sanft wegzuwischen.

Angie griff zu seinem Erstaunen jedoch nach seinem Arm und nahm ihn weg. "Lass es, bitte. Hör auf, so fürsorglich und zuvorkommend zu sein!" Angies Stimme wurde mit jedem Wort brüchiger. Germán verstand die Welt nicht mehr. Warum war sie plötzlich so aufgelöst? "Ich ertrage es aber nicht, dich weinen zu sehen.", versuchte Germán sanft. "Warum willst du nicht, dass ich mich um dich kümmere?"

"Ich kann das nicht mehr Germán. Ich kann dich bei so liebevollen Aktionen nicht immer abweisen, als würde ich nichts für dich empfinden!" Ihre Stimme war tränenerstickt und die Tränen kamen in Strömen, es wurden immer mehr. Germáns Blick verdüsterte sich bei ihrem Anblick immer mehr, während sein Herz bei ihren gesagten Worten einen Freudentanz aufführte. Also empfand sie etwas für ihn?! Aber warum verleugnete sie es dann immer? "Aber, Angie. Das heißt...?"

Die blonde Frau wischte sich über die Augen und schluchzte einmal laut auf. Dann beruhigte sie sich ein klein wenig, bevor sie sprach. Sie sah Germán fest in die Augen. "Ja. Es heißt, dass ich dich liebe." Auf Germáns Gesicht erschien das breiteste Grinsen, das er seit langem gelächelt hatte. "Das ist doch wundervoll. Ich liebe dich auch, Angie!"

"Ich weiß und das ist ja das Problem!", schluchzte sie und Germán legte seine Hände auf ihre Schulter. Er konnte es nicht mit ansehen. Wenn er sie so traurig sah, brach es ihm das Herz. "Was soll denn das Problem sein?"

"Germán, sieh mich nicht so an, so... so..." Er lächelte sanft. "So verliebt?" Angie atmete einmal tief ein, versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. "Du wirst mich gleich hassen, Germán. Du wirst es mir niemals verzeihen!" Dieser schaute sie fragend an. Was konnte so schlimm sein, dass er sie hassen würde? Das ging doch gar nicht, oder?

"Angie, ich...", wollte Germán ihr widersprechen, doch die blonde Frau ließ es nicht zu. "Nein. Sag mir jetzt nicht, dass das nicht möglich ist oder so etwas." Angie sammelte sich einen Moment. "Germán. Ich bin Ángeles, Marías Schwester, deine Schwägerin."



Da es sich jetzt doch ein bisschen langgezogen hat, wird es auch noch einen 3.Teil geben ^^





Germangie - OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt