Hellguys - Die Erben des Adlers

4.1

Alex Carter

Wie gebannt starrte ich in den Himmel und glaubte meinen Augen kaum. Hatte sich das gerade tatsächlich abgespielt? Ich sah zu meinem Freund rüber, der am ganzen Körper zitterte. Er schien gar nicht mehr zu wissen, dass ich direkt neben ihm stand. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Schulter.

Er zuckte zusammen und sah mich mit aufgerissenen Augen an. „Alex!", schrie er. „Was war das?"

Ich versuchte ruhig zu bleiben, auch wenn mir ebenfalls der Schock noch in den Gliedern stand. „Ich habe keine Ahnung."

Andy und ich starrten zum Himmel hinauf. Was war das nur für ein gigantischer Adler? Solche Riesenvögel existierten doch nicht! Und nicht nur das machte mir zu schaffen. Der Adler musste eine unglaubliche Intelligenz besitzen. Jedes andere Tier wäre bei meinem Steinwurf einfach geflohen und dieses war einfach schnurstracks auf uns zu geflogen und hatte sich direkt vor uns aufgestellt. Als wollte er uns damit zeigen, dass mit ihm nicht zu spaßen war.

Schlotternd erinnerte ich mich an den Moment zurück, in dem er mich mit seinen glühend gelben Augen angestarrt hatte. Er hatte mich anvisiert, weil ich mit dem Stein nach ihm geworfen hatte. Kein Tier der Welt würde etwas derartiges tun. Es würden mich höchstens angreifen oder – was viel möglicher schien - fliehen, aber dieser Adler tat nichts dergleichen. Er stand einfach nur vor mir, ein riesiges Ungetüm, das zu mir hinabblickte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Aus irgendeinem Grund hatte ich in diesem Moment das Gefühl gehabt, er blickte direkt in meine Seele.

„Leute!", hörte ich plötzlich jemanden aus nicht allzu weiter Entfernung rufen. „Jungs? Sagt mal, hört ihr mich nicht?!"

Erschrocken riss ich den Blick vom Himmel los und starrte zu der Person rüber, die auf uns zu geeilt kam. Es war Tyler. Völlig erschöpft blieb er vor uns stehen und stemmte die Hände auf die Oberschenkel, um wieder zu Atem zu kommen. „Falls ihr die Sterne zählen wollt, will ich euch ja echt nicht abhalten, aber ich hätte mal eine Frage an euch."

„Tyler, wir haben hier gerade andere Probleme. Gerade eben-", versuchte ich ihn zu unterbrechen, doch er schien mich gar nicht zu hören, sondern plapperte aufgeregt weiter auf uns ein.

„Ihr werdet mich jetzt wahrscheinlich für verrückt erklären, und glaubt mir, ich bin selbst schon kurz davor, aber ihr wisst genau, dass ich normalerweise keine Halluzinationen oder so was habe und dass ich mir so etwas niemals ausdenken würde. Aber vor ein paar Stunden flog ein gigantischer Adler über mir und ich dachte, er würde mich fressen, aber dann-"

„Was?!", riefen Andy und ich gleichzeitig. Ich ging auf ihn zu, packte ihn entsetzt an den Schultern und rüttelte ihn. „Sag bloß, dir ist er auch begegnet!"

Tyler sah mich schockiert und verdattert zugleich an. Er brachte kaum ein Wort heraus, bis er sich an den Kopf fasste und anfing zu lachen. „Ich bin also doch nicht verrückt! Leute, ihr wisst gar nicht, was für einen Horror ich durchlitten habe vorhin."

„Wann bist du ihm begegnet?", fragte Andy ungläubig.

„Er flog heute so gegen halb 7 in meinem Garten herum. Ich war gerade beim Basketball spielen und auf einmal fliegt dieses Monstrum über mir! Ich hatte Todesangst, das könnt ihr mir glauben. Und dann dieser abartige Schrei-"

„Der Adler hat also auch so laut geschrien?", hakte ich nach.

„Ja! Aber wisst ihr was das Merkwürdigste ist? Niemand – und ich sag euch, wirklich niemand – hat ihn gesehen oder gehört! Meine Straße war komplett ruhig, alle haben sich so verhalten wie immer."

Fassungslosigkeit machte sich in mir breit. Erst jetzt, als Tyler davon erzählte, merkte ich es auch. Und auch Andy schien es nun aufzufallen. Die komplette Straße war tatsächlich ruhig. In den einzelnen Häusern brannten Lichter, doch niemand war raus gerannt, nach dem Krach in meinem Haus oder spätestens nach dem Geschrei des Adlers. Und wie konnte es sein, dass der Adler offensichtlich schon seit dem frühen Abend hier herum flog und nichts davon in den Nachrichten kam? Dieses Ding konnte man nicht übersehen!