2.1

46 6 0
                                    

Tyler Houston

Vor dem riesigen Stahltor blieb ich stehen. Es war der Eingang zu dem Grundstück meiner Familie. Das Tor war ungefähr drei Mal so groß wie ich und ich war nicht gerade der Kleinste. Es war genau so ein Tor, wie man es sich bei reichen Pinkeln eben nun mal vorstellte. Schwarz und edel. Mit geschwungenen Mustern ausgesehen, durch deren Lücken man das weiße, symmetrische Spießerhaus am anderen Ende des weiten grünen Gartens sehen konnte. Nicht selten hatte ich Passanten erlebt, die erstaunt davor stehen geblieben waren und mit großen Augen das Grundstück betrachteten.

Ich vernahm ein leises Rauschen und Jonathans Stimme erklang piepsend durch den Lautsprecher an der steinernen Mauer, nachdem ich die Klingel gedrückt hatte. Er war einer der vielen Angestellten meines Vaters. Durch die Kamera, die hoch oben auf der Mauer thronte, konnte er mich sehen und begrüßte mich mit den Worten: „Ah, Mr Houston Junior. Einen Moment, bitte, ich lasse sie sogleich herein."

„Welch eine Ehre!", murmelte ich und zog eine Grimasse. Das Tor öffnete sich fast lautlos und erwies mir Eintritt in mein Zuhause. Der gepflasterte Weg, der sich vor mir erstreckte und mich geradewegs zur Villa führte war gesäumt von hohen und akkurat geschnittenen Hecken.

Alles sah so perfekt aus. Doch ich fand es einfach nur hässlich. Ich hasste alles, was sich auf dem Grundstück der dreiköpfigen Bonzenfamilie Houston's befand.

Eine ganze Weile hatte ich noch im Fitnessstudio verbracht, nachdem die Schule geendet hatte, um mich ein wenig abzuregen und ja nicht zu früh Zuhause anzukommen. Ich tat immer alles dafür, um irgendwo anders zu sein, nur nicht dort. Denn jeden verdammten Tag, den ich dort verbringen musste, verdarb mir meine Laune immer wieder aufs Neue. Alex und Andy dagegen waren total begeistert von unserem Haus und versuchten mich oft dazu zu überreden, bei mir abzuhängen. Doch ein Haufen Geld zu besitzen war lange nicht so cool, wie alle dachten. Für mich war es schon immer eine Qual gewesen, denn eigentlich wollte ich nur normal sein. Einfach so sein wie alle anderen eben. Ein gewöhnliches Leben führen, so wie es Alex und Andy taten. Doch man kann es sich nun mal nicht aussuchen, wo man hineingeboren wird.

Es hatte schon Etliche gegeben, die mich versuchten, auszunutzen. Sie hatten gehofft, ich würde ihnen alles bezahlen, was sie sich wünschten, oder sie bekämen durch meinen Namen alle Waren aus unserem Geschäft umsonst. Meistens waren es Mädchen, die mich versuchten auszunehmen. Doch diese Rechnung machten sie mit dem Falschen, denn ich nutzte sie ebenso aus, wie sie es bei mir taten. Und da ich meine Zeit mit ihnen nie mehr als ein paar Wochen verschwendete, konnten sie sich die Hoffnung abschminken, dass ich ihnen eines Tages vielleicht doch noch einen Porsche kaufen könnte. Mit der Zeit hatte ich einfach gelernt, dass es als Sohn eines reichen und erfolgreichen Mannes fast unmöglich war, Freunde zu finden, ohne dass diese sofort Hintergedanken dabei hegten. Außer Alex und Andy gab es niemanden, dem ich vertrauen konnte.

Die Schule war wie immer beschissen gewesen und ich hatte es den beiden zu verdanken, dass sie mich heute zwei Mal vor dem Schulverweis gerettet hatten. Ich konnte mich einfach nicht kontrollieren, wenn ich in eine Schlägerei verwickelt war.

Das Schlimmste an diesem Tag aber war das Gespräch mit unserem Direktor gewesen. Ich hatte Alex und Andy nichts davon erzählt, weil ich glaubte, sie würden mir dann nur noch mehr auf die Nerven gehen und mir versuchen einzureden, die Scheiße mit dem Schlägern einfach sein zu lassen. Alex hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte, er hatte mich seit der Mittagspause, nach meiner Auseinandersetzung mit David, ständig so komisch angesehen. Schon bei unserem kleinen „Anstarrduell" hatte er es bemerkt. Doch er hatte nichts gesagt, mich auch nicht gefragt, was los war. Er kannte mich eben. Wenn ich etwas nicht von selbst ausspuckte, war es schier unmöglich, es aus mir herauszubekommen.

Hellguys - Die Erben des AdlersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt