Alex Carter
"In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde ein Cadillac in Nord-Vallington auf noch ungeklärte Weise stark beschädigt. Der Sachschaden wird derzeit auf 7000 Dollar geschätzt. Die Ursache ist noch nicht bekannt, es wird jedoch angenommen, dass es sich um eine mutwillige Tat handelte. Der Cadillac wies eine enorm große Delle auf der rechten Seite auf. Was zu diesem großen Sachschaden geführt hat, ist momentan noch unbekannt, sicher ist jedoch, dass es nicht von einem anderen Auto, wie bisher angenommen, verursacht wurde. Die Ermittlungen laufen bereits. Der Vorfall ist etwa zwischen 1 – 3 Uhr nachts geschehen. Zeugen werden gesucht, denen in dieser Zeitspanne etwas aufgefallen ist und gebeten, sich bei der örtlichen Polizei zu melden."
Langsam ließ ich die Zeitung sinken und ließ erschöpft mein Gesicht in die Hände sinken. Dieser verdammte Idiot. Natürlich hatte so etwas passieren müssen, es war doch nur eine Frage der Zeit gewesen.
Seit dem Vorfall mit dem Adler waren bereits zwei Wochen vergangen, zwei Wochen in denen wir uns weder an unsere Fähigkeiten gewöhnt, noch gelernt hatten, sie irgendwie zu unterdrücken. Unsere körperliche Stärke war unmöglich zu verstecken und seit dem schief gelaufenen Basketballtraining kurz nach unserer Veränderung, waren wir nicht mehr hingegangen. Es war einfach zu gefährlich. Wir hatten auch einige Tage krank gemacht, um es glaubwürdiger zu machen. Tyler war sogar in Krücken zur Schule gegangen, doch das änderte nichts an Coach Curnels Wut auf uns, denn seine Basketballstunden zu schwänzen, war in seinen Augen die größte Sünde, die man begehen konnte. Vor allem wenn gerade die drei Besten aus seinem Team zur gleichen Zeit fehlten. Doch wir hatten keine andere Wahl, schließlich hatten wir noch immer nicht gelernt, mit der Stärke umzugehen, und wer weiß, ob es beim nächsten Training bei einem abgerissenen Korb bleiben würde. Es könnte so leicht passieren, dass wir versehentlich jemanden verletzten.
Doch Tyler hatte es am schwersten von uns, denn er musste seine Wut mit aller Kraft zurückhalten, um keine Schlägereien anzufangen. Das war eine ganz schöne Herausforderung für ihn und es war in den letzten Tagen nicht selten vorgekommen, dass er ausrastete und ich eingreifen musste. Seine Wutanfälle wurden inzwischen jedoch immer häufiger, da er sich beim Basketball nicht mehr austoben konnte und auch nicht mehr ins Fittness ging. Dort gab es nämlich nicht mehr genug Gewichte für ihn zu stemmen und wir hatten ihm davon abgeraten, unnatürlich viele Kilos auf die Langhanteln zu machen, da das ungemein viel Aufsehen erregen würde. Denn Tyler wies definitiv nicht die Statur auf, das Höchstgewicht im Fittnessstudio zu stemmen und er war auch nicht sehr erpicht darauf, dass sich das Gerücht verbreitete, er nehme Steroide.
Falls er die Fassung verlor und auf einen Unschuldigen einschlug, würde das höchstwahrscheinlich zu dessen Tod führen, dessen waren wir uns sicher. Das Problem dabei war allerdings, dass Tyler immer sofort alles um sich herum vergaß, sobald er die Beherrschung verlor. Das heißt, dass ihm also auch seine unbändige Stärke komplett aus dem Gedächtnis entrann und das konnte gravierende Folgen haben. Andy und ich hatten ihn seither nicht mehr aus den Augen gelassen, was für ihn zunehmend lästig wurde, aber wir hatten nun mal keine andere Wahl. Wir kannten Tyler zu gut, um zu wissen, wie schnell und unerwartet er rot sehen konnte.
Samstag Nacht allerdings hatten wir ihn nicht aufhalten können. Wir drei hatten uns ganz schön die Kante gegeben, unser Frust über unsere derzeitige Situation hatte uns dazu geleitet. Tyler jedoch, hatte von uns allen am meisten getrunken. Wir hatten uns in der Villa der Houston's betrunken. Tylers Vater besaß einen ganzen Keller mit sauteurem und hochwertigem Whiskey. Er war mal wieder auf Geschäftsreise mit Tylers Mom und Tyler hatte gemeint, es sei ihm egal, wenn er herausbekommen würde, dass sämtliche Flaschen leer seien. Wenn er ihn deshalb verprügeln sollte, würden die Wunden sowieso schnell wieder geheilt sein. Andy und ich, die am Limit unserer Frustration angelangt waren, hatten ihm zugestimmt, hatten aber dennoch ein ungutes Gefühl dabei, welches aber schnell verblasste, nach den ersten Schlücken brennenden Alkohols.
Wir hatten es uns im Keller bequem gemacht, die Musik voll aufgedreht und versucht mit Whiskey und kubanischen Zigarren die Umstände für einen Moment zu vergessen, was uns auch tatsächlich gelang. Es war ein herrlicher Abend gewesen, wir hatten so viel gelacht und Witze gerissen. Ich hatte das Gefühl, es sei eine Ewigkeit her gewesen, seit wir das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatten, dabei war es doch nur zwei Wochen her.
Dann, als wir alle drei ganz schön benebelt waren, kamen wir auf die Idee, wie in alten Zeiten, durch die Straßen zu ziehen. Tyler hatte noch eine weitere Flasche Johnny Walker mit auf den Weg genommen.
In Andy und meiner Gegenwart war es für gewöhnlich nicht problematisch, wenn sich Tyler betrank, denn bei uns war er meistens ausgeglichen. Wenn andere jedoch anwesend waren, konnte es schnell dazu kommen, dass er durch den Alkohol noch schneller aggressiv wurde, als es nüchtern bereits der Fall war. Ein Grund, weshalb es auf fast jeder Party Stress gab und wir ihn immer mühsam nach Hause schleppen mussten, da er sich dort fast immer bis zum Anschlag betrank.
Doch es waren nur wir drei an diesem Abend und wir hatten uns keine Sorgen um unseren problematischen Freund gemacht. Die Stimmung war schließlich gut und es war niemand Fremdes dabei, der die Ausgeglichenheit unserer kleinen Gruppe ins Schwanken hätte bringen können. Ein großer Fehler, denn nach einigen weiteren Schlücken Whiskey, nach denen Tyler bereits schon taumelte und man nur noch jeden zweiten Satz von ihm verstehen konnte, rastete er plötzlich wie aus dem Nichts aus. Er schrie durch das gesamte Viertel, wie furchtbar unser neues Leben sei, dass er nicht mehr das tun konnte, was er vorher immer getan hatte und dass er endlich wissen wollte, warum uns das widerfahren war. Er rief sogar nach dem Adler. Er nannte ihn einen Drecksvogel, wo er sich denn verkrieche und dass er gefälligst aus seinem Versteck kommen und seine „Drecksfähigkeiten" wieder zurück nehmen solle. Und dann passierte es. In seiner unbändigen Wut hatte er gegen einen geparkten weißen Cadillac geschlagen. Das Auto war ein Stück in die Straßenmitte hinein geschlittert und eine furchtbar tiefe Delle hatte sich in dessen Seite eingraviert.
Jetzt war dieser Vorfall auch noch öffentlich gemacht worden. Zu unserem Glück schien keiner aus der Nachbarschaft während der Aktion davon Wind bekommen zu haben, denn wir waren sofort abgehauen. Der Krach und Tylers Gebrüll hatte jedoch sicherlich einige aus dem Schlaf gerissen, aber bis jemand aus dem Fenster gesehen hatte, waren wir längst verschwunden. Den unbändigen Tyler mit uns zerrend, waren wir zwei Kreuzungen weiter gerannt und hatten uns dort versteckt. Was würde nur passieren, wenn herauskam, dass das Auto durch Menschenhand zerstört worden war?
Es war Dienstag, heute waren wir in der Schule gewesen, da kein Basketballtraining stattgefunden hatte. Zu oft zu fehlen, würde neben Coach Curnel auch noch die Aufmerksamkeit des Direktors auf uns lenken und wie jeder wusste, hatte Tyler nicht gerade das beste Verhältnis zu ihm. Aber nicht nur Coach Curnel war wütend auf uns. Auch Mr Grant behandelte uns in letzter Zeit sehr hinterhältig, seitdem wir unsere Mathetests jeweils mit einer glatten 2 zurück bekommen hatten. Kein Zweifel, dass er uns diese plötzliche Aufwärtsentwicklung in seinem Fach nicht abkaufte. So rief er uns also immer öfter im Matheunterricht auf und ließ uns Aufgaben an der Tafel lösen. Natürlich hatten wir keine Ahnung, denn dort gab es keine Möglichkeit, abzuschreiben und leider hatte der Adler nicht daran gedacht, uns auch die Fähigkeit zu vermachen, die Gedanken unserer Mitschüler zu lesen.
Uns zuzusehen, wie wir mit ahnungsloser Miene vor seinen Aufgaben standen, stellte Mr Grant unglaublich zufrieden und seine schmalen Augen blitzten jedes Mal unter seiner dicken Hornbrille auf, wenn wir uns ratlos zu ihm umdrehten. Zum Glück würden die Abschlussprüfungen am Ende des Schuljahres allesamt schriftlich gehalten werden, denn da hätte er keine Möglichkeit uns mündlich auffliegen zu lassen.
Ich kramte in meiner Hosentasche nach meinem Handy, um Tyler anzurufen, stellte dann aber fest, dass der Akku mal wieder leer war. Seufzend erhob ich mich von dem kleinen Esstisch und beschloss einfach bei ihm vorbeizugehen und zu klingeln, auch wenn das bedeuten würde, dass mich seine Angestellten vorher einem Verhör unterziehen würden, bevor sie mich zu Tyler ließen. Ein kleiner Spaziergang würde mir auch ganz gut tun. Seit Tagen spürte ich einen unangenehmen Druck auf mir, den ich einfach nicht los wurde. Mir fehlten die Basketballstunden einfach. So sehr, dass ich mit meinem geliebten Ball schon in einem Bett schlief, um mich besser zu fühlen.
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Hellguys - Die Erben des Adlers
FantasyNichts wird mehr wie vorher sein. In nur einer Nacht verändert sich das ganze Leben von Alex, Tyler und Andy durch eine Begegnung mit einem längst ausgestorbenen Adler. Doch ist er wirklich ausgestorben? Die drei Freunde entdecken eine völlig neue W...