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Tyler Houston

Ich war der Erste, der wieder erwachte. Mit dem Gesicht auf der Erde lag ich da. Mein Arm lag ausgestreckt von mir, als hatte ich in meiner Bewusstlosigkeit nach etwas greifen wollen. Meine Finger waren das Erste, was ich wieder bewegen konnte. Zitternd fuhr ich sie ein und wieder aus. Ein Stöhnen durchfuhr mich und ich versuchte meinen Kopf zu heben.

Was war passiert? Da war dieser Adler... und dann... dann war da dieser heftige Sturm. Und dieses grelle Licht!

Nach einer Weile hatte ich die nötige Kraft aufgewandt, mich wieder aufzurappeln. Krächzend stützte ich meine Arme am Boden auf und stand wackelig auf. Schwindel durchfuhr mich und alles schien verschwommen. Meine Lippen waren trocken und fühlten sich an wie Schmirgelpapier.

Wo waren Andy und Alex? Besorgt sah ich mich um. Ein Stückchen hinter mir lag Andy. Er keuchte und gab ein schwaches Husten von sich. Ich wollte zu ihm rennen, doch daraus wurde ein Taumeln und schwach landete ich vor ihm auf den Knien.

„Andy!", japste ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Er blinzelte zu mir auf. Dann schien er mich zu erkennen und auf einmal war er hellwach. Ich half ihm, sich aufzusetzen. „Was... ist mit uns geschehen?", fragte er schwach. Sein Gesicht war voll mit Dreck. „Wo ist Alex?"

Erschrocken blickte ich auf. Der Adler hatte direkt vor ihm gestanden! Mit einem Mal war meine Kraftlosigkeit verschwunden. Die Angst um Alex ließ Adrenalin in mir aufsteigen und ich sprang auf.

Weiter entfernt von uns lag er. Er rührte sich nicht und Schrecken machte sich in mir breit. Andy hatte sich bereits ebenfalls aufgerappelt und angsterfüllt rannten wir zu Alex.

„Alex!", schrien wir, als wir auf ihn zukamen.

Seine Arme und Beine waren von ihm gestreckt, sein Kopf war zur Seite gesackt. Er rührte sich nicht. Ich beugte mich über ihn und hielt mein Gesicht über seines, um zu prüfen, ob er noch atmete. Erleichterung durchfloss mich, als ich seinen warmen Atem spürte.

„Hey", sagte ich und tätschelte ihm die Wange.

Wie aus dem Nichts riss er die Augen auf, sog tief die Luft ein, als hätte er sie angehalten und saß mit einem Mal aufrecht. Er sah mich an. Dann blickte er sich um. Immer noch mit vor Entsetzen geöffneten Augen. „Warum sehe ich so gut?", fragte er plötzlich.

Stirnrunzelnd sah ich ihn an. „Von was redest du?" Doch er beachtete mich nicht, sondern starrte weiterhin erschrocken in die Ferne.

„Er hat recht", kam es plötzlich tonlos von Andy neben mir. Verwirrung machte sich in mir breit. Abwechselnd blickte ich von Andy zu Alex, die sich nervös umsahen.

Und dann merkte auch ich es. War es nicht eigentlich Nacht? Mit einem Mal konnte ich alles in der Dunkelheit erkennen. Die hohen Tannen, die den Rand der Lichtung bildeten, wie hohe Mauern, ihre robusten Stämme, die Sträucher zwischen ihnen. Aber nicht nur das. Ich konnte jede einzelne Nadel der weit entfernten Tannen erkennen, die Eingrabungen der Rinde exakt ausmachen. Jede Bewegung nahm mein Blick auf. Das Rascheln der Laubbäume, das plötzlich intensiv in meinen Ohren klang, konnte ich auch mit meinen Augen klar und deutlich erkennen. Mit offenem Mund starrte ich meine Umgebung an. Die Lichtung war riesig und alles in meinem Umkreis war so klar. Selbst die Ameisen, die zwischen den Grashalmen in weiter Entfernung wuselten, konnte ich beobachten. Auf dem Ast eines weit entfernten Baumes, der am anderen Ende der Lichtung angrenzte, krabbelte ein kleiner Käfer auf und ab. Obwohl es tiefste Nacht war entging nichts meinem Blickfeld.

Nach einer Weile, in der wir entsetzt die Lichtung inspiziert hatten, fragte Alex schließlich: „Wo ist der Adler?"

Ich erstarrte. Vor lauter Schrecken über das, was ich eben alles wahrgenommen hatte, hatte ich ihn total vergessen. Und wieder blickten wir uns um, oben und unten, doch nirgends war eine Spur von ihm.

Hellguys - Die Erben des AdlersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt