Andy McLary
Es hatte zu Dämmern begonnen, als ich den Asphalt entlang ging. Trotz der untergehenden Sonne, war es noch immer warm genug, um im T-Shirt rauszugehen.
Ich hatte beschlossen, bei Alex vorbeizuschauen. Er wusste noch nichts von meinem Besuch, aber das war normal bei uns. Wir stolzierten immer in das Haus des anderen, ohne vorher Bescheid zu sagen. Außer bei Tyler, da war das immer ein bisschen unangenehm, wenn man sich dann erst einmal mit den Butlern herumschlagen musste, bis man zu ihm konnte. Da gab ich ihm dann vorher lieber Bescheid.
Als ich vorhin in meinem Zimmer gelegen hatte – die Anlage voll aufgedröhnt – war es mir plötzlich langweilig geworden. Wie ich wusste, hatte Tyler heute sein Date mit Lucy, dabei wollte ich ihn nur ungern stören. Also hatte ich beschlossen, bei Alex rein zuschneien, um ein bisschen mit ihm abzuhängen. Er wohnte nur ein paar Straßen weiter von mir, anders als Tyler, bei dem musste man erst einmal mit dem Bus in sein bescheidenes Bonzenviertel tuckern. Und der fuhr ziemlich selten, da die Leute von dort alle mit ihren Luxusschlitten fuhren, anstatt den Bus zu nehmen.
Am anderen Ende der Straße konnte ich inzwischen schon Alex' Haus sehen. Es war sehr klein und auch schon ein wenig heruntergekommen. Er lebte mit seiner Mutter allein seit dem Tod seines Vaters. Als Alex zehn Jahre alt war, kam sein Dad bei einem Autounfall ums Leben. Es war keine einfache Zeit gewesen und seitdem mussten sie sich ohne ihn durchs Leben schlagen. Seine Mutter hatte zwei Jobs und so kamen sie irgendwie über die Runden. Daher war sie auch fast nie Zuhause. So wie jetzt, als ich merkte, dass der alte VW Polo nicht in der Einfahrt stand.
Das Fenster im ersten Stock, hinter dem sich Alex' Zimmer befand stand weit offen und laute Musik drang zu mir nach unten. Ich bezweifelte also, dass er die Klingel hören würde. Theoretisch könnte ich warten, bis das Lied wechselte und einen ruhigen Moment erhaschen, aber dafür fehlte mir die nötige Geduld.
Durch den kleinen Vorgarten schlängelte sich ein schmaler Kieselweg. Ich bückte mich und entnahm mir ein paar Steinchen. Dann sah ich auf zu dem offenen Fenster und zielte darauf. Die Steine flogen prasselnd hinein und ich konnte einen fluchenden Ausruf vernehmen. Die Musik verklang daraufhin und Alex streckte seinen Kopf aus dem Fenster.
„Yo!", rief ich und winkte zu ihm hoch.
„Du Idiot! Bewerf' mich doch nicht mit Steinen!" Er lief nach hinten in sein Zimmer und entfernte sich aus meinem Blick.
„Dann mach eben deine Musik leiser das nächste Mal!", rief ich.
Nach einer Weile erschien er wieder und warf mir die Kieselsteine entgegen, wobei ein paar davon gegen mein Gesicht flogen. „Kann ich doch nicht riechen, dass du herkommst", blaffte er. „Warte ich mach dir auf."
„Aua", murmelte ich noch und rieb mir die Wange, aber Alex trampelte schon die Treppe hinab. Das konnte man sogar von draußen hören. Ich hatte oft die Angst, dass sie eines Tages zusammenbrechen würde unter seinem Gewicht. Immerhin erreichte er mit seiner Größe fast zwei Meter und seine kräftige Figur machte ihn äußerst schwer. Das weiß ich, da er einmal im Basketballtraining auf mir gelandet war, nachdem er gefault wurde. Tagelang hatte ich noch Schmerzen davon gehabt. Da ich ebenfalls ein halber Riese war, vergrößerte sich dadurch nur noch mehr meine Angst, wenn wir beide die Treppe hoch schritten. Noch schlimmer wurde es wenn Tyler dabei war. Dieses Haus war für kleine, leichte Menschen gebaut und nicht für riesige schwere Sportskanonen.
Da riss er auch schon die Türe auf. Ich merkte erst jetzt, dass er halbnackt war. Er trug lediglich eine Boxershort und sein blondes Haar war noch nass. Offensichtlich kam er gerade aus der Dusche.
„Wolltest mir deinen tollen Muskelbody präsentieren, oder was?", bemerkte ich schalkhaft und latschte an ihm vorbei, um direkt die Küche anzusteuern. Enttäuscht musste ich feststellen, dass im Kühlschrank nichts Besonderes drin war, außer ein paar Joghurts, Scheibenkäse und Salami. Glücklicherweise lag auf der Theke eine Schachtel Müsliriegel, worauf ich mir einen stibitzte. Alex gab darauf keinen Kommentar. Er war es gewohnt, dass ich mich bei ihm immer wie selbstverständlich bediente.
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Hellguys - Die Erben des Adlers
FantasíaNichts wird mehr wie vorher sein. In nur einer Nacht verändert sich das ganze Leben von Alex, Tyler und Andy durch eine Begegnung mit einem längst ausgestorbenen Adler. Doch ist er wirklich ausgestorben? Die drei Freunde entdecken eine völlig neue W...