Andy McLary
Noch bevor mein Wecker klingelte, wachte ich auf. Es war ein Wunder, dass ich überhaupt geschlafen hatte. Auch wenn es sich womöglich nur um eine halbe Stunde gehandelt hatte, wenn es hochkam. Eine ganze Weile hatte ich mich noch im Bett hin und her gewälzt, bis ich es schließlich doch noch ins Land der Träume geschafft hatte. Hätte ich doch lieber die Nacht komplett durchgemacht. Der kurze Schlaf plättete mich nur umso mehr.
Ächzend setzte ich mich im Bett auf und bettete mein verschlafenes Gesicht in meine Hände. Dann sah ich mich in meinem Zimmer um. Meine Sehkraft erschrak mich erneut. Es war finster im Raum und dennoch konnte ich alles darin erkennen. Selbst das Chaos auf meinem Schreibtisch – das ich mir schon so oft vergeblich vorgenommen hatte, aufzuräumen. Ich rappelte mich auf und zog die Rollläden hinauf, dann öffnete ich das Fenster, um frische Luft hineinzulassen. Draußen ging bereits die Sonne auf, die Vögel zwitscherten und die weißen Hauswände gegenüber färbten sich in einem leichten Rosa. Es war ein schöner Morgen, den ich normalerweise mehr genossen hätte, wenn ich nicht zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen wäre... und mein Stundenplan nicht schon wieder eine Doppelstunde Mathe anzeigen würde.
Es war also kein Traum gewesen, dachte ich und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Wie es den anderen wohl die Nacht ergangen war? Wir hatten alle ein bisschen Zeit für uns gebraucht, um das Geschehene verarbeiten zu können, allerdings bezweifelte ich, dass wir das geschafft hatten. Zumindest ich nicht.
Ein lautes Rumoren riss mich aus meinen Gedanken und erschrocken stellte ich fest, dass es mein Magen war. War er schon immer so laut gewesen? Ach ja, hören konnte ich jetzt ja auch besser, das hatte ich beinahe vergessen.
Mit einem Seufzen verließ ich mein Zimmer und steuerte geradewegs auf das Bad zu, in dem ich zuerst einmal versuchte, mir die Müdigkeit aus dem Gesicht zu waschen. Als ich in den Spiegel blickte, sah mir ein erschöpfter Andy entgegen. Ich trocknete mein Gesicht und war froh darüber, dass meine Haare saßen. Das war eine Sache an mir, die ich liebte. Anderen standen die Haare immer in alle erdenklichen Richtungen ab, wenn sie morgens aus dem Bett torkelten. Bei mir saßen sie fast immer perfekt. Sie waren kurz geschnitten, an der Seite etwas mehr, als oben. Aber die längeren schwarzen Haare über der Stirn hoben sich immer ein wenig ab und das taten sie jeden Morgen auf die selbe Weise, sodass ich mir nie die Mühe machen musste, noch ein Kilo Gel hinein zu schmieren.
Plötzlich hämmerte es gewaltig gegen die Badezimmertür und erschrocken machte ich einen Satz zurück. „Andy"!, kam eine keifende Stimme vom anderen Ende. Genervt verdrehte ich die Augen. „Komm endlich da raus, ich muss auch mal ins Bad!"
Ich riss die Tür auf und glotzte auf den kleinen Giftzwerg herunter, der vor mir stand und mit den Händen in die Hüfte gestemmt zu mir hoch blickte. „Wurde aber auch Zeit!", meckerte meine kleine Schwester und lief schnurstracks an mir vorbei.
„Du tust so als hätte ich eine Ewigkeit darin verbracht, dabei bin ich doch gerade erst-" Und schon hatte sie die Tür zugeknallt. Ich atmete hörbar aus und starrte verärgert die schmale Holztür, deren Rahmen ich schon fast mit meinem Kopf berührte, an. Obwohl Gina mit ihren 9 Jahren gerade mal die Hälfte meiner Größe erreichte, hielt sie das nicht davon ab, mir täglich auf die Nerven zu gehen. Nicht, dass sie immer so bösartig war, es gab durchaus auch Momente, in denen sie wieder süß sein konnte (auch wenn diese mit den Jahren immer weniger wurden, ich hoffte ja immer noch, dass es nur eine Phase war). Morgens war ihre Laune jedoch am schlimmsten, daher achtete ich stets darauf, ihr in dieser Zeit aus dem Weg zu gehen, auch wenn mir das offensichtlich nicht immer gelang.
Ich stieg die hölzerne Treppe hinab und betrat die helle Küche. Sie war mit weißen Fließen ausgelegt und die Tresen, sowie der Kühlschrank harmonierten darin in einem angenehmen hellblau. Die Küche war der ganze Stolz meiner Mutter, was auch der reichlich bedeckte Tisch am anderen Ende des Raumes bestätigte. Auf der blau-weiß karierten Tischdecke thronten Pfannen mit frisch gebratenem Speck, Rührei, eine Schüssel mit frischem Obst und einem Korb Brötchen. Wäre ich eine Comicfigur würden nun wohl riesige Herzen an der Stelle meiner Augen aufblinken. Augenblicklich knurrte wieder mein Magen und meine Mom, die gerade in der Küche hantierte, drehte sich entsetzt zu mir um, selbst mein Dad sah von seiner Zeitung auf und hob eine Augenbraue.
„Wow!", rief ich begeistert aus und ließ mich auf einem der weißen Stühle nieder. Während ich mein Frühstück auf meinem Teller stapelte, hielt ich mittendrin inne. Just in dem Moment, als ich all diese Leckereien wahrnahm, merkte ich, dass auch mein Geruchssinn seit letzter Nacht intensiver geworden war. Prüfend hielt ich mein Gesicht über meinen Teller und schnupperte an dem Speck. Ja, allerdings. Das Frühstück meiner Mutter roch jedes Mal aufs Neue unglaublich, aber heute war es anders. Der Geruch war abgöttisch.
„Stimmt etwas nicht?" Mein Dad sah mich prüfend an.
Erschrocken sah ich auf. „Äh, nein", sagte ich. „Ich muss das Essen nur erst einmal mit allen Sinnen aufnehmen, damit ich es so richtig genießen kann!" Das war nicht einmal gelogen. Hinter mir hörte ich Mom lachen. Dad gab keinen Kommentar und versank wieder in den Nachrichten.
Ich begann mein Rührei in den Mund zu schieben. „Und?", fragte ich ihn. „Steht was Interessantes drin?" Nicht, dass ich es erwartete, aber wenn etwas über einen gigantischen Adler darin stehen sollte, dürfte das ja nun mehr als interessant sein.
„Hm... nicht wirklich", murmelte er. Er trank einen Schluck seines Kaffees, wobei etwas von der bräunlichen Flüssigkeit seinen roten Schnurrbart einnässte. Gina und ich hatten fast überhaupt keine Ähnlichkeiten mit ihm, das fing schon bei seinen roten Haaren an und endete bei seiner hellen Haut. Die Gene meiner brasilianischen Mutter hatten sich bei uns gut durchgesetzt.
Mom setzte sich zu uns an den Tisch und nahm ebenfalls einen Schluck aus ihrer Tasse. „Hast du schlecht geschlafen?", fragte sie und musterte mich.
Ich war noch mit Kauen beschäftigt, weshalb sie einige Sekunden auf meine Antwort warten musste. „Ja, irgendwie schon." Wenn sie nur wüsste. Offensichtlich hatte keiner mitbekommen, wie spät ich heute Nacht nach Hause geschlichen war.
„Wie lange warst du denn noch bei Alex?"
„Ähm..." Ich ließ mir Zeit mit meiner Antwort und nahm einige Schlücke Orangensaft. „Kurz nach 11, schätze ich." Meine Eltern gingen immer gegen halb 11 schlafen, ich hoffte, dass dies auch letzte Nacht der Fall gewesen war.
Mom nickte nur und Erleichterung überfiel mich.
„Von wegen!", rief Gina, die soeben an den Tisch trat. „Ich hab dich doch gehört, kurz nachdem ich auf dem Klo war. Es war vier Uhr, als ich auf die Uhr gesehen habe." Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihr und ließ sie mit einem finsteren Blick wissen, wie gerne ich sie gerade erwürgen würde.
Mom starrte mich mit geweiteten Augen an und Dad ließ seine Zeitung sinken.
Ich holte Luft, um etwas zu sagen.
„Wie bitte?!", rief Mom.
„Ähm... also..."
„Du hast dich bis um 4 Uhr morgens herumgetrieben, obwohl du am nächsten Tag noch Schule hast?" Dad's Blick war finster.
„Also, es war so", begann ich stammelnd. „Wir haben Videospiele gespielt und dann noch einen Film gesehen, dann bin ich weg gepennt bei ihm und erst viel später wieder aufgewacht. Als ich merkte, wie spät es war, bin ich natürlich direkt wieder nach Hause gegangen."
Keine Ahnung, ob sie mir diese Lüge wirklich abkauften. Auf jeden Fall hielten sie mir noch eine Standpauke, von wegen ich solle die Schule doch gefälligst ernster nehmen und so weiter und so fort. Ich entschuldigte mich nochmal und als ich schließlich mit Gina zusammen das Haus verließ packte ich sie unsanft am Arm. „An unserem Teamwork sollten wir noch arbeiten!", knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Als Antwort bekam ich nur eine ausgestreckte Zunge ihrerseits. Na warte, dachte ich mir. Warte nur bis du mal in die Pubertät kommst und anfängst dich nachts mit deinen Freunden zu treffen.
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Hellguys - Die Erben des Adlers
FantasyNichts wird mehr wie vorher sein. In nur einer Nacht verändert sich das ganze Leben von Alex, Tyler und Andy durch eine Begegnung mit einem längst ausgestorbenen Adler. Doch ist er wirklich ausgestorben? Die drei Freunde entdecken eine völlig neue W...