Alex Carter
Gänsehaut überkam mich, während ich der maskierten Gestalt gegenüber stand, die mich anstarrte, als würde sie wissen, wer ich war. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieser Typ mir unglaublich ähnlich war, dass er ebenfalls anders war.
Dann rannte er plötzlich los, in die entgegengesetzte Richtung.
„Hey!", schrie ich ihm hinterher, doch er lief einfach weiter. Ohne weiter nachzudenken, folgte ich ihm. Irgendetwas in mir sagte, dass diese Person nicht nur wusste, wer ich war, sondern auch, was ich war. Diese Landung hätte kein normaler Mensch so anmutig vollführen können. Das schaffte nur jemand, der so war, wie ich. Jemand, der Kräfte besaß, die kein gewöhnlicher Mensch besaß.
Der Maskierte war ganz schön schnell und ich hatte Mühe, ihm hinterher zu kommen. Ein weiteres Zeichen, dass er nicht normal war.
„Warte doch!", rief ich ihm hinterher, angstvoll, dass er mir entkommen könnte. Er drehte seinen Kopf, während er weiter durch die Straßen sprintete, sodass mir seine Maske wieder entgegen grinste.
Ich würde ihn nicht einfach so davon kommen lassen. Ich musste ihn zur Rede stellen. Also beschleunigte ich meinen Schritt und merkte, dass es mir überraschender Weise gelang, ihn einzuholen. Er bog in eine Kreuzung ab, schneller als ich reagieren konnte, sodass ich zunächst weiter gerade aus rannte. Fluchend bremste ich ab, um in die Abbiegung zu sprinten. Den Abstand, den ich eben noch erfolgreich verringert hatte, war nun größer geworden. Die Straße bog sich nach links in eine weite Kurve und als der Maskierte sie bereits erreicht hatte, sah ich meine Chance. Offensichtlich kannte er sich hier nicht aus, ich aber schon. Mit einem grimmigen Lächeln zog ich nach links, hechtete direkt über einen Gartenzaun und raste durch das Grundstück, das sich dahinter auftat. Schon wieder beging ich Hausfriedensbruch, aber ich hoffte, dass ich diesmal, dank der Dunkelheit, nicht entdeckt wurde. Ich hüpfte über Blumenbeete, Bobbycars und einem Planschbecken hinweg, bis ich die hohe Hecke eines anderen Gartens erreichte und mühelos darüber preschte.
Dann war ich wieder auf der Straße. Der Maskierte rannte gerade an mir vorbei und obwohl ich sein Gesicht nicht sehen konnte, merkte ich, dass er über mich erschrak. Sofort nahm ich wieder die Verfolgung auf und war ihm diesmal extrem nahe.
Als ich ihn endlich einholte, griff ich nach seinem Arm, doch er stieß mich von sich und ich flog heftig in einen Beerenstrauch.
Stöhnend rappelte ich mich wieder hoch. Ich war mir sicher, dass er dank meinem Sturz nun über alle Berge sei, doch da hatte ich mich geirrt. Als ich aufsah, stand er direkt vor mir.
Ich stellte fest, dass wir direkt am Waldrand angelangt waren und ich in einem der angrenzenden Sträucher gelandet war.
„Wer bist du?", fragte ich unter keuchendem Atem.
Er hatte eine recht kleine Statur, was mir ein wenig meiner Befangenheit nahm. Abgesehen von dieser grotesken Maske, wirkte er nicht sonderlich bedrohlich. Doch das änderte sich schlagartig, als er, ohne eine Antwort zu geben, hinter seinen Rücken griff und einen bedrohlich großen Dolch hervorzog.
Perplex stolperte ich einige Schritte rückwärts, weiter in den Wald hinein, was wohl ein Fehler war, denn dort konnte erst recht niemand sehen, dass ich gerade mit einem Messer bedroht wurde. Abwehrend hob ich die Hände. „Ich wollte doch nur mit dir reden, ich habe dich nicht angreifen wollen!"
Doch er antwortete noch immer nicht, sondern ging langsam, den Dolch in der Hand, auf mich zu.
Ich taumelte einige Schritte weiter in den Wald hinein und versuchte weiterhin auf ihn einzureden. „Jetzt hör mir doch mal zu! Du bist kein gewöhnlicher Mensch, hab ich recht? Und du weißt, was ich bin. Wenn das der Fall sein sollte, wäre es ganz nett, wenn du mich darüber aufklären könntest, denn ich habe keine Ahnung, was ich bin... oder was ich geworden bin, um genau zu sein."
Weiter kam ich nicht, denn der Mann machte plötzlich einen Satz auf mich zu und schlug mit dem Dolch nach mir. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es, mich zu ducken und mit einem dumpfen Knall, landete die Klinge in einer Baumrinde. Der Maskierte zog sie wieder heraus und schwenkte den Griff gekonnt um seine Hand, um mich kurz darauf erneut anzugreifen. Hektisch wich ich seinen Hieben aus. Er schlug mehrere Male nach mir, doch ich schaffte es jedes Mal, im letzten Moment auszuweichen. Aber er gab nicht auf und attackierte mich immer weiter. Er war klein und unglaublich flink. Irgendwann würde er mich treffen. Dieser Typ wollte meinen Tod und irgendwie musste ich es schaffen, ihn zu entwaffnen, um ihn zur Rede stellen zu können.
Als ich ihm ein weiteres Mal auswich, gelang es mir, ihm gleichzeitig einen Tritt in die Magengegend zu verpassen und er taumelte rückwärts gegen den Baum, in den er zuvor seinen Dolch gewuchtet hatte. Das war meine Chance. Ich rannte auf ihn zu und warf mich gegen ihn, während ich seinen bewaffneten Arm gegen den Baum schlug. Der Dolch entglitt seiner Hand und flog ins Gebüsch. Jetzt hatte ich ihn im Griff. Ich nutzte die Gelegenheit und riss ihm die Maske vom Kopf.
Wider meines Erwartens entlarvte sie nicht das Gesicht eines Mannes, sondern das eines Mädchens. Mühsam wand sie sich unter meinem festen Griff. Einzelne Strähnen zogen sich über ihr Gesicht, das sie vor Anstrengung verzogen hatte. Erschrocken ließ ich sie ein wenig los. Ein großer Fehler, denn sie packte mich sofort und warf mich bäuchlings auf den Boden und drehte meine Arme auf den Rücken.
„Das reicht, Lexin", ertönte plötzlich eine männliche Stimme hinter den Bäumen. Mühevoll hob ich meinen Kopf und sah eine Gestalt aus den Schatten auf uns zukommen. „Er hat genug bewiesen."
Das Mädchen ließ meine Arme los und erhob sich von mir. Ich rappelte mich wieder hoch und blickte den beiden entgegen.
Das Mädchen musste ungefähr in meinem Alter sein, ihr Komplize ein paar Jahre älter. Ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig. Sie sahen relativ normal aus, abgesehen von ihrer Kleidung. Beide trugen Umhänge, meine Angreiferin einen hellblauen, der andere einen militärgrünen. Darunter trugen sie dunkle Kleidung. Nicht gerade das, was die Jugend heutzutage trug.
„Darf ich uns vorstellen?", sagte der Typ im grünen Umhang. Sein Kopf zierte eine dunkle Lockenpracht. „Ich bin Nelio und das ist meine Schwester, Lexin."
Das Mädchen, namens Lexin, griff in das Gebüsch und holte ihren Dolch daraus hervor. Sie ließ ihn daraufhin wieder in der Scheide an ihrer schwarzen Lederhose verschwinden.
Verwirrt starrte ich sie an. „Wolltest du mich nicht eigentlich töten?"
Sie lächelte mir entgegen. „Nein, ich musste nur herausfinden, ob du auch wirklich der bist, für den wir dich halten."
Das hätte ihr doch spätestens dann auffallen müssen, als ich ihr hinterher gesprintet war, dachte ich mir misstrauisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und für wen haltet ihr mich?"
„Nun ja", meldete sich Nelio und hob seine Hand in meine Richtung. „Du hattest doch vor kurzem eine Begegnung mit einem Adler, nicht wahr? Und wir mussten schließlich prüfen, ob du es auch wirklich bist. Deine Schnelligkeit und die Wucht mit der du Lexin gegen den Baum gestoßen hast, war jedenfalls eindeutig."
Vor Entsetzen klappte mir die Kinnlade herunter. „Ihr... ihr wisst darüber also Bescheid?", fragte ich, nachdem ich meine Stimme wieder gefunden hatte.
„Allerdings. Wir erfuhren davon bereits an dem Tag, an dem du mit dem Adler verschmolzen wurdest. Jedoch stellte es sich als sehr schwierig heraus, herauszufinden, wer denn der Verschmolzene war. Wir wussten lediglich von dem Ort, an dem es passiert war." Er machte eine Pause, in der er mich durch seine blauen Augen hindurch musterte. „Dann sahen wir den Artikel in der Zeitung mit dem zerstörten Cadillac, der jedoch kein Bild oder Ähnliches preisgab. Wir waren uns sicher, dass du das hättest sein müssen. Und dann kam heute der Artikel im Internet, der uns dann dein Aussehen geliefert hat."
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Hellguys - Die Erben des Adlers
FantasíaNichts wird mehr wie vorher sein. In nur einer Nacht verändert sich das ganze Leben von Alex, Tyler und Andy durch eine Begegnung mit einem längst ausgestorbenen Adler. Doch ist er wirklich ausgestorben? Die drei Freunde entdecken eine völlig neue W...