Ich blinzle benommen, als ich meine Augen öffne. Ich merke wie sich jemand neben mich setzt und einen Augenblick später spüre ich eine kühle Hand auf meiner Stirn.
„Ihr Fieber geht langsam zurück. Das ist ein gutes Zeichen", höre ich Ava sagen.
Die Bluse die sie trägt ist so weiß und rein, dass sie mich förmlich blendet. Langsam richte ich mich auf und sie rutscht ein Stück zurück.
„Was wollen Sie?" frage ich Zähne knirschend und reibe mir mit beiden Händen über mein Gesicht.
„Sie haben zwei Tage geschlafen. Ich muss den Verband wechseln und nochmal einen Blick auf die Wunde werfen", erklärt sie mir lächelnd.
Ich atme laut aus und schaue sie verkniffen an.
„Hören Sie, ich weiß Sie sind sauer und das ist Ihr gutes Recht. Das wäre ich an Ihrer Stelle bestimmt auch. Aber ich hätte Sie sonst nicht vernünftig behandeln können", entschuldigt sie sich.
Ich schnaube verächtlich. Sie konnte froh sein, dass ich in diesem Moment nicht Herr meines Körpers war, ihr völlig ausgeliefert und wehrlos war. Ich musste sie gewähren lassen, da ich nicht in der Lage war, mich ihr zu widersetzen. Ich hätte am liebsten geschrien, sie von mir gestoßen und um mich geschlagen. Doch ich konnte nicht, warum auch immer. Das letzte mal, als ich mich so schwach und hilflos fühlte, war an dem Tag als meine Mum sich und unser Haus abfackelte, weil sie mal wieder eine Flasche Rotwein intus hatte, im Bett rauchen musste und eingeschlafen war. Die Flammen hatten alles verschluckt und nur eine dichte, schwarze Schicht aus Asche hinterlassen. Machtlos musste ich es hinnehmen. Die mitfühlenden, teilweise abwertenden Blicke und das Getuschel unserer Nachbarschaft über mich ergehen lassen. Denn ich konnte nichts dagegen tun und ich hasse dieses Gefühl bis heute.
"Ich habe ihr Hemd gewaschen und die Löcher genäht. Es hängt auf der Leine und muss noch trocknen."
„Wollten Sie nicht den Verband wechseln?" gebe ich mürrisch zurück.
„Wie fühlen Sie sich?" fragt sie freundlich als sie den Verband abwickelt.
„Ich werds überleben."
„Die Wunde sieht gut aus. Sie haben gutes Heilfleisch. In zwei Tagen können wir die Fäden ziehen", sagt sie zufrieden, schmiert eine Salbe auf die Naht und verbindet die Wunde wieder, „Sie sollten aber noch mindestens eine Woche das Bett hüten. Noch ein paar Tage länger mit diesem dreckigen Pfeil unter Ihrer Haut und Sie hätten eine Blutvergiftung bekommen..."
Gleichgültig zucke ich mit den Schultern und ignoriere ihr Gerede. Ich runzle die Stirn, als ich neben mir eine graue Wolldecke erblicke. Hat sie etwa die beiden Nächte neben mir gelegen, ohne dass ich davon etwas bemerkt habe? So tief kann ich doch gar nicht geschlafen haben. Gut, dass Merle das nicht mitbekommt. „Nach so langer Zeit liegt eine Frau freiwillig neben dir im Bett und du Idiot bekommst es nicht mal mit", höre ich ihn spöttisch lachen, „hast du denn gar nichts von mir gelernt, kleiner Bruder?"
Als ich Avas Finger auf meiner Haut spüre, zucke ich unwillkürlich zusammen.
Erneut fahren ihre Fingerspitzen zaghaft, schon fast scheu als hätte sie Angst mir weh zu tun, meinen Oberarm entlang, hoch zur Schulter, über mein Schulterblatt und in Richtung Rücken.
Mahnend blicke ich sie an. Sie verharrt in ihrer Bewegung als sie meinen Bick bemerkt.
„Entschuldigen Sie bitte, ich konnte nicht anders", sie nimmt ihre Hand wieder von meiner Schulter und legt sie sich in den Schoß. Ihre großen grünen Augen ruhen auf mir und mustern mich ausgiebig. Ihr rotes Haar hat sie sich zu einem akkuraten Dutt in den Nacken gebunden. Nur zwei einzelne, gelockte Strähnen umrahmen ihr Gesicht. Ihre Haut erinnert mich an eine Porzellanpuppe, so hell ist sie.
Sie schaut abwechselnd zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her, was mich sichtlich nervös macht.
„Glotz mich nicht so doof an, Mädchen", maule ich verärgert.
Völlig unbeirrt von meinem Gekeife, beugt sie sich vor und streicht mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Sehe ich vielleicht aus wie ein Kätzchen? Oder wie ein kleines, flauschiges Häschen?", ich schlage ihre Hand weg und sie schaut mich verdutzt an, „verdammt ich bin kein Streichelzoo, okay."
Was haben diese Frauen nur immer mit ihrer Zärtlichkeit und Zuneigung? Ich werde es nie verstehen. Ihr Gesicht verzieht sich zu einem leichten Grinsen.
„Was ist so lustig, hmm?"
„Sie sind wirklich ein grimmiger Zeitgenosse, Mr. Dixon", lächelt sie, „im Übrigen habe ich Ihnen ein Shirt von meinem Onkel mitgebracht. Ich dachte mir, Sie möchten sich sicherlich etwas überziehen."
Pfff, als wenn das jetzt noch was ändern würde. Das Rick meinen vernarbten Rücken gesehen, kann ich noch hinnehmen. Er ist ein besserer Bruder für mich, als Merle es je hätte sein können. Aber bei ihr, passt es mir gar nicht. Rick wird keine Fragen stellen, da bin ich mir sicher, aber Sie?
Sie drückt mir das dunkelblaue Shirt in die Hand und schaut mich erwartungsvoll an. Wut steigt in mir auf. Was will sie jetzt von mir hören? Ein Dankeschön?
Kopfschüttelnd steht sie auf und geht in Richtung Tür. Sie hat die Türklinke schon in der Hand, als sie mich, über die Schulter hinweg, wehleidig ansieht.
„Das was Ihnen wiederfahren ist, tut mir leid, Mr. Dixon", flüstert sie.
„Was zur Hölle willst du von mir, Mädchen?" frage ich genervt.
„Ich erkenne die Merkmale häuslicher Gewalt, wenn ich sie sehe", gibt Ava nüchtern zurück.
Getrieben von meiner nun unkontrollierbaren Wut, springe ich aus dem Bett und mache einen Satz nach vorne. Ich packe sie am Hals und drücke sie mit dem Rücken gegen die Tür. Ein spitzer Schrei entfährt ihr und ich presse meine andere Hand auf ihren Mund.
„Wenn du auch nur einer einzigen Menschenseele davon erzählst, werde ich dich in der Luft zerreißen", drohe ich knurrend und schaue dabei in Avas vor Angst geweiteten Augen, „ist das klar?"
Sie nickt hastig und ich löse meinen Griff.
„Tun Sie mir...nur einen Gefallen", keucht sie und legt ihre Hand auf meine Flanke, „legen Sie sich... bitte wieder hin"
Perplex sehe ich sie an. Ist das ihr Ernst? Was stimmt nur nicht mit dieser Frau?
„Meine Lippen sind versiegelt, das verspreche ich Ihnen", fügt sie mit zittriger Stimme hinzu. Sie tastet hinter sich nach der Türklinke und verlässt fluchtartig das Zimmer.
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sooo Kapitel Sieben ist etwas kürzer als die anderen, da ich die Szene zwischen Daryl und Ava nicht allzu in die Länge ziehen wollte.
Was denkt ihr, wird sich Ava von Daryls Drohung einschüchtern lassen?
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bekämpfe die Toten & fürchte die Lebenden ( The Walking Dead / Daryl Dixon )
FanfictionVier Jahre ist es jetzt her, seitdem das Zombie-Virus ausgebrochen ist. Nichts ist mehr, wie es war. Die Toten muss man bekämpfen und die Lebenden muss man fürchten. Tugenden wie Menschlichkeit oder Vertrauen sind in tiefe Vergessenheit geraten. Und...