Kapitel 3

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Kapitel 3

Zayn

Als alle meine Sachen eingeräumt waren, wollte ich ein Buch lesen, doch ich hatte ja keines mehr. Bibliotheksbücher konnte ich ja schlecht mitnehmen und ehrlich gesagt hatte ich keine Lust, alle meine Bücher zum hundertsten Mal durchzulesen. Es waren alles geniale Bücher, doch auch das genialste Buch kann man nicht so oft lesen. Der Raumplan fiel mir ins Auge. Es gab zwei grosse Räume. Die Cafeteria und die Bibliothek. Perfekt, das was ich brauchte. Wahrscheinlich waren alle in der Cafeteria, was hiess die Bibliothek würde leer sein. Ich nahm den Raumplan und ging aus dem Zimmer.

Nach fünf Minuten stellte ich fest, dass die Bibliothek nicht so einfach zu finden war, wie ich gedacht hatte. Ich spielte mit dem Gedanken, jemanden zu fragen, ich war schliesslich immernoch ein Mensch, doch wen sollte ich fragen? Hier war niemand und die einzigen die ich hier kannte, Niall, Harry und Liam, waren in der Cafeteria. Ich hörte leises Besteckgeklapper und Gelächter. Die Cafeteria wäre also einfach zu finden, doch dort wären so viele Menschen. Allerdings würde ich die Bibliothek nie finden. Entweder ich ging wieder auf mein Zimmer oder in die Cafeteria. Niemals. Allerdings musste ich festellen, dass ich auch den Weg zu meinem und Nialls Zimmer nicht mehr fand. Diesmal gab es drei Möglichkeiten: Entweder ich blieb hier und irgendein Fremder würde mich finden, ich würde auf gut Glück suchen und riskieren, dass ich mich noch schlimmer verlief, oder ich ging zur Cafeteria. Nichts schien daran vorbeizuführen. Während ich also den Geräuschen folgte, versuchte ich mich auf das, was gleich kommen würde, einzustellen und mir einzureden, dass es gar nicht so schlimm werden würde.

Es war schlimm. Die Cafeteria war zu Esszeiten wohl voller als jeder andere Ort zu irgendeiner Zeit. Panisch suchte ich die Menge ab. Wenn ich mich dem schon aussetzte, sollte es sich verdammt nochmal lohnen. Dann endlich: „Zayn?" Nialls Stimme. Ich glaube, ich war noch nie so froh eine Stimme zu hören. Niall kam mit verwirrter Mine auf mich zu. Ich trat einen Schritt auf ihn zu, doch in diesem Moment stieg der Lärmpegel noch etwas. Die Menschen um mich schienen näher zu rücken und auf einmal wurde alles zu viel. Ich warf Niall einen hilfesuchenden Blick zu, dann floh ich. Versuchte die Menschen hinter mich zu bringen. Kraftlos sackte ich an einer Wand zusammen und vergrub das Gesicht in den Armen. Jemand kam um die Ecke gelaufen. Niall? „Zayn?", fragte er vorsichtig, ja, es war Niall, „was ist los, Zayn, warum warst du in der Cafeteria?" Ich konnte nicht antworten. Er stetzte sich schweigend neben mich. Nach einiger Zeit hatte ich mich soweit beruhigt, dass ich ihm antworten konnte: „Ich wollte in die Bibliothek, aber ich habe sie nicht gefunden, also wollte ich dich fragen. Der Weg zur Cafeteria war einfach zu finden, aber dann ist es mir zu viel geworden." Niall schwieg. Das war gut so, ich glaubte, ich wäre gleich wieder in Panik ausgebrochen, wenn er gesprochen hätte.

Niall

Sollte ich etwas sagen? Ich dachte besser nicht. Nach einiger Zeit beruhigte er sich vollkommen und er hob den Kopf wieder. „Danke", sagte er mit seiner leisen Stimme, „danke, dass du nichts gesagt hast." Er legte seinen Kopf wieder auf seine Arme, allerdings so, dass er mich ansehen konnte. Ich lächelte: „Ich dachte es sei besser so." Er nickte. Ich sprang auf die Füsse. Es hatte schon einen Grund, warum ich manchmal Sprungfeder genannt wurde. „Du hast die Bibliothek gesucht, willst du immernoch da hin?", fragte ich. Er nickte und rappelte sich hoch. Ich lief vor ihm her, die Bibliothek war nicht mehr weit entfernt. Als wir sie betreten hatten, fragte ich: „Soll ich dich alleine lassen?" Zayn nickte, den Blick auf den Boden gerichtet. „Ich gehe zurück in die Cafeteria, wenn ich fertig bin mit Essen, hole ich dich hier wieder, sonst verläufst du dich nochmal", sagte ich, worauf seine Mundwinkel leicht zuckten und er erneut nickte. Als ich raus ging, sagte er so leise, dass man es fast nicht hören konnte: „Danke." Ich lächelte und ging dann wieder in die Cafeteria. „War das wirklich Zayn?", fragte Harry, „der Junge, der seine Mutter zum Abschied nicht umarmen konnte?" Ich sah ihn fragend an und er erklärte: „Als er sich von seiner Mutter verabschiedet hat, hat er es nicht fertig gebracht, sie zu umarmen. Er bekam schon fast eine Panikattacke, als er sie auf die Stirn geküsst hat." Ich nickte: „Er war es, hat sich verlaufen und hat mich darum gesucht." Das kommentierte Louis mit einem: „Er hat dich gesucht? Wie süss." Dabei zwinkerte er mir zu und ich verdrehte die Augen. Liam verdrehte ebenfalls die Augen und fragte: „Wie geht es ihm? Wo ist er?" „Es geht ihm, glaube ich, wieder gut. Ich habe ihn in die Bibliothek gebracht und werde ihn da nach dem Essen wieder abholen. Apropos Essen. Es ist machbar, dass er das Essen aufs Zimmer bekommt, oder?", erwiderte ich. Harry nickte: „Natürlich, er ist schliesslich nicht der einzige mit Sozialängsten, ich werde dafür sorgen, dass ihm das Essen gebracht wird. "Was mag er?" „Hühnchen", sagte ich wie aus der Pistole geschossen. Harry nickte und wir assen weiter.

Social DisorderedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt