Kapitel 9

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Zayn

„Ich verspreche es unter einer Bedingung", sagte er grinsend. Ein solcher Gesichtsausdruck konnte nichts Gutes bedeuten. Misstrauisch wartete ich auf die Bedingung, die auch gleich kam: „Wenn ich dich jeden Tag einmal umarmen darf, verspreche ich, mein Versprechen zu halten." Ich erstarrte. War das für mich möglich? Niall senkte den Blick, als hätte er gewusst, das es nicht ging. Ich holte tief Luft: „Okay." Überrascht hob Niall den Blick. Dann begann er zu strahlen. Er sprang auf und tanzte im Zimmer herum. Irgendwie war er schon süss. Als er sich beruhigt hatte, setzte er sich neben mich, doch sein Dauergrinsen verschwand nicht. Da fiel sein Blick auf die Uhr und er sprang gleich wieder auf: „Mittagessen, was willst du?" Ich zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung." Niall lachte. Mir war noch gar nicht aufgefallen, wie wunderschön sein Lachen klang. „Wie wärs mit Lasagne?", schlug er vor. „Wieso nicht?", stimmte ich zu und er sprang auf, „bis gleich." „Warte!", hielt ich ihn zurück, „wirst du es den anderen sagen?" Er zögerte, sagte dann aber schlussendlich: „Wenn sie es nicht herausfinden, nein." Ich nickte. Niall winkte mir zu und verschwand.

Ich dachte über unsere Abmachung nach. War es möglich, an zu vielen Panikattacken zu sterben?

Niall

Ich rannte schon fast in die Cafeteria, denn ich hatte total Hunger, was bei meinem Blutverlust nicht verwunderlich war. Mein Essverhalten überraschte zum Glück niemanden, denn das war auch sonst nicht normal. Wahrscheinlich hätten sie es gar nicht bemerkt, wenn Liam nickt per Zufall an meinem Arm angekommen wäre. Ich sog scharf die Luft ein, denn die kleinste Berührung schmerzte schon. Liam sah mich misstrauisch an, griff nach meinem Ellbogen und zog den Ärmel meines Pullovers hoch. Alle am Tisch verstummten. Ich entzog Liam meinen Arm, griff ohne ein Wort nach Zayns Essen und verliess die Cafeteria. „Niall!", hörte ich Liam noch rufen, doch ich hörte nicht auf ihn. Meine Augen brannten, doch ich würde jetzt nicht weinen. Ich klopfte an die Zimmertür, denn mit dem Tablett und dem schmerzenden Arm konnte ich die Tür nicht öffnen. Zayn liess mich hinein und sah mich dabei prüfend an. Ich stellte das Tablett ab und setzte mich auf mein Bett. Zayn löste den Blick immer noch nicht von mir, was mich unruhig hin und her rutschen liess. „Ist 'was?", fragte ich. Er sah mich ernst an: „Ich werde dich so lange anstarren, bis du wieder lachst." Ich zog eine Augenbraue hoch: „Dann wird aber das Essen kalt." Er zuckte mit den Schultern und wollte sich auf seinen Stuhl setzten, traf ihn allerdings nicht ganz, weshalb er auf dem Boden landete. Falls er vorgehabt hatte, mich so zum Lachen zu bringen, hatte er sein Ziel eindeutig erreicht. Ich konnte nicht mehr vor Lachen und er musste ebenfalls grinsen.

Es klopfte. Liam? Natürlich, wer sonst? Er kam auf mich zu und zog mich in seine Arme. „Warum, Niall, sag mir warum?", murmelte er in meine Haare, „du bist doch so wundervoll. Und wie? Ich habe doch deinen Rasierer zu mir genommen." Zayn räusperte sich verlegen: „Zweiteres ist meine Schuld. Ich habe nicht nachgedacht und ihn einfach im Bad hingelegt." Während er das sagte, hielt er den Blick auf die Lasagne gerichtet, die er inzwischen hatte begonnen zu essen. „Gib dir nicht die Schuld", sagte ich, „du bist schliesslich der Grund, warum ich nie wieder eine Rasierklinge anfassen werde." Liam sah verwirrt aus, doch ein Klopfen an der Tür hielt ihn davon ab zu fragen. Harry streckte den Kopf herein. „Li, du hast eine Therapiestunde, falls du das vergessen hast", er kam herein und Liam sprang auf, „habe ich, Niall, du tust das gefälligst nie wieder. Zayn, im Bad hat es eine abschliessbare Schublade. Ich gebe dir den Schlüssel, dann kannst du dein Rasierzeug da reintun. Also, bis dann." Damit verschwand er aus unserem Zimmer. Harry kam herein, setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm. Er sagte nichts. Hielt mich nur an sich gedrückt. Nach einem Blick auf die Uhr löste er sich von mir und lächelte entschuldigend: „Ich habe auch noch zu tun, ein neuer Patient wartet darauf abgeholt zu werden." Ich nickte, Harry lächelte Zayn kurz zu und ging dann wieder.

Zayn ass weiter und ich beobachtete ihn dabei. Habt ihr schon 'mal jemanden beim Essen beobachtet? Wenn nein, es sieht etwas seltsam aus. Obwohl es das auch bei Zayn tat, sah er immernoch aus, wie das hübscheste Wesen auf Erden. Ich glaube, seine Eltern waren Wahrsager. Der Name Zayn und vor allem seine Bedeutung passte so sehr zu ihm, wohingegen Niall überhaupt nicht zu mir passte. Meister? Nicht wirklich. Champion? Worin denn bitte? Das einzige, was ich einigermassen konnte war Gitarre spielen und mittelmässig singen. Ich war auch schon aus dem Unterricht geflogen, weil ich traditionelle irische Lieder gesungen hatte, was allerdings schon lange her war und mich noch lange nicht zum Champion machte. Wohingegen Schönheit absolut zu Zayn passte. Äusserlich wie innerlich.

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