Kapitel 7

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Ihre Frage bringt mich völlig aus der Fassung.
Entgeistert starre ich in ihre abwartenden eisgrauen Augen und habe das Gefühl kein Wort mehr sprechen zu können.

Wie kann sie mich so etwas fragen?

»Peeta?«
Sie klingt nun unsicher.
Angst schwankt in ihrer Stimme mit.
»Katniss ... «, ich schlucke, damit der Kloß in meinem Hals verschwindet.  »Ich ... ich weiß nicht ... warum? Warum fragst du?«
»Warum ich frage?« , entgegnet sie bitter lachend.  »Ich habe die ganze Zeit Angst dich noch einmal verlieren zu müssen. Jetzt, wo wir wieder Kontakt miteinander haben, fühle ich mich endlich besser. Und mit jedem Tag spüre ich wieviel du mir bedeutest. Und dass ich mehr für dich empfinde als nur ... Freundschaft.«

Ich schweige, spüre ein Stechen in meiner Brust.
Sie empfindet etwas für mich?

»Es tut mir Leid, Katniss. Aber momentan sehe ich keinen Platz für ... mehr.«
Tränen laufen über ihre Wangen. »Ich dachte du empfindest dasselbe.«
Beschämt senke ich meinen Kopf und starre auf den Boden.

»Du bist mir wichtig. Aber ich kann ich dir nicht das geben was du möchtest.", sage ich schließlich, nachdem einige Sekunden verstrichen sind und hebe den Kopf.

Doch nun starre ich auf die leere Stelle. Dort, wo sie gerade eben noch stand.
Die Tür fällt krachend ins Schloss.
Sie ist weg.
Fort.
Und ich weiß nicht, ob ich sie nun vollständig verloren habe.

* * *

Die kommenden Tage verlaufen Ereignislos.
Katniss meldet sich nicht mehr und Haymitch kam heute Abend bei mir vorbei und fragte natürlich was los sei.
Ich habe ihm die Sache erklärt und ich glaube er hat mich verstanden.

»Sie bekommt sich wieder ein.«, hat er gesagt.

Nur bin ich mir nicht sicher.
Sie war enttäuscht gewesen und ich kann verstehen wie sie sich fühlt, nachdem sie mir mehr oder weniger ihre Liebe gestanden hat.
Aber ich kann an der Lage nichts ändern.
Ich liebe Katniss nicht. Auch wenn ich ihre Nähe genieße.
Ihrer Stimme zuhöre.
Sie gerne beobachte.

Herr Gott, ich weiß doch selber nicht was ich fühle!

Warum muss Liebe immer so kompliziert sein?
Ich brauche Zeit zum nachdenken, damit ich mir selber im Klaren sein kann und weiß, was ich für Katniss fühle.
Ist es nur Freundschaft oder doch mehr als das?

Liebe ist für mich ein großes Wort. Man würde alles, wirklich alles, für diesen Menschen tun.
Liebe, die immer noch stark bleibt, egal was passiert oder was für ein Streich das Schicksal einem spielt.
Man liebt nur diesen einen Menschen, der das Leben am Schönsten macht und einem stets ein Lächeln über das Gesicht zaubert.
Nur weiß ich nicht, ob ich Katniss darunter einordnen kann.

Hör auf dein Herz, würde mein Vater sagen, wenn er noch leben würde.
Wie gerne ich meinem Leben einfach entfliehen würde.
Damit die ganzen Anfälle aufhören.
Und ich wieder zu mir selbst finden kann.
Denn jeder Tag aufs neue ist eine Qual.
Und ich weiß nie wann ich einen nächsten Anfall erleide.

Unruhig wälze ich mich in meinem Bett hin und her. Ich bin hellwach, obwohl wir schon frühe Morgenstunden haben.
Katniss' Worte verschwinden nicht mehr aus meinem Kopf.
Ihre Stimme hallt in meinen Gedanken wieder und macht es mir unmöglich einzuschlafen.
Die innere Müdigkeit nagt an meinem Körper, aber mein Kopf will nicht zur Ruhe kommen.

Es bringt nichts.

Seufzend schlage ich meine Bettdecke beiseite und verschwinde in die Dusche. Der Schweiß wird von meinem Körper weggespült und das kalte Wasser lässt mich wieder halbwegs klar denken.
Mit einem Handtuch um die Taille gewickelt, laufe ich Barfuß die knarrende Treppe hinab in die Küche und trinke ein Glas Wasser.
Die Lichter schalte ich an.
Schließlich werde ich so oder so nicht mehr schlafen können, da bringt es nichts wenn ich mich noch einmal hinlege.

Ich beschließe an die frische Luft zu gehen.
Vorher jedoch ziehe ich mir geschwind eine graue Jogginhose an und einen schwarzen Pullover.
Die Luft ist angenehm frisch, wenn auch ein wenig frostig. Kein Wind weht. Keine Wolken sind am pechschwarzen, mit Sternen durchzogenen Himmel zu sehen.
Und die Stille ist einfach angenehm.
In meinen Gedanken versunken laufe ich über den Kiesweg. Die Hände in den Taschen verkraben.

Plötzlich höre ich einen Schrei. Ein wenig gedämpft, aber dennoch laut genug zu hören.
Ich bleibe stehen und drehe mich zu Katniss' Haus um.

Wieder ein Schrei.

Lauter als der zuvor.

Keine Zweifel,- die Schreie kommen aus ihrem Haus.
Sofort renne ich die Treppen hinauf und hämmere wie wild gegen ihre Haustüre.
»Katniss?«
Keine Reaktion. Die Lichter bleiben aus und die Angst in mir bleibt.
»Katniss!«

Was ist, wenn ihr etwas passiert ist?
Sie in Gefahr ist?

Mir fällt etwas ein.
Die Hintertüre.
Schlagartig renne ich um ihr Haus herum, durchquere den Garten und stoße die Tür auf.
Offen. Gott sei Dank.
Die Dunkelheit umgibt mich und ich muss aufpassen, damit ich nicht stolpere oder gegen etwas laufe.
Mein Atem geht angestrengt, während ich durch das stockdüstere Haus stürme und die Stufen hinauf springe.

Bitte, lass ihr nichts passiert sein!

Wieder Schreie.

»Katniss!«
Mit voller Wucht reiße ich ihre Schlafzimmertür auf. Das Licht geht an.
Im Bett sitzt eine entsetzte Katniss, die Augen weit aufgerissen auf mich gerichtet.
Schweiß klebt auf ihrer Stirn.
»Ich ... es war nur ein Albtraum.«, presst sie angespannt hervor.
Die Angst steht ihr noch immer ins Gesicht geschrieben.
Erleichterung durchflutet mich.

Ihr ist nichts passiert.

Erst jetzt wird mir klar wie dämlich das Ganze eigentlich wirken muss. Ich platze einfach so in ihr Schlafzimmer herein, male mir die schlimmsten Szenario aus, während sie bloß einen Albtraum hatte.

»Tut mir Leid.«, sage ich kleinlaut.   »Ich denke, ich gehe wieder.«
Gerade als ich mich umdrehen möchte, ertönt hinter mir ihre Stimme.

»Peeta?«

Sofort drehe ich mich um und schaue sie fragend an.
Ihre Augen ruhen auf mir. »Bleibst du bei mir?«

Ich kenne diese Worte. Es ist wie damals.

Wie früher, sehe ich sie überrascht an, bevor ich zu einer Antwort ansetze, die sich eher wie eine Frage anhört.
»Okay?«
Langsam komme ich auf sie zu. Sie rutscht ein Stückchen weg, damit ich Platz habe.
Ich lege mich neben sie, breite meine Arme aus und warte, bis sie ihren Kopf auf meine Brust legt und ihren Arm um meinen Bauch schlingt.
Die Sekunden verstreichen. Ich spüre ihren Atem auf meiner Haut und das leichte Zittern ihrerseits.
Meine Stimme ist mehr ein Flüstern.

»Immer«

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