Kapitel 32

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Unbekannt

Seufzend fahre ich mit meinen Fingern die Klinge des Messers entlang und steige die Stufen hinab in den dunklen, modrigen Keller. Meine Schritte hallen an den Wänden wieder und als ich die geschlossene Tür aufschließe, überkommt mich das  altbekannte Gefühl von Hass.
In der Ecke des Raumes erkenne ich sie. Zusammengekauert und zitternd am ganzen Leibe.
Wie schwach sie doch eigentlich ist.
Wie erbärmlich sie doch eigentlich ist.
Und trotzdem wird sie von ihrem Land geliebt, geehrt und vergöttert.
Die Leute haben keinen blassen Schimmer was für eine falsche Wahl sie getroffen haben.
Sie haben sich keinen Frieden erkämpft, sondern den Anfang eines Kriegs. Einer Evolution.
Das ganze Land ist auf diese einfachen Spielchen hereingefallen. Aber es wird Zeit, dass sie die bekannten richtigen Spiele kennenlernen.

Grinsend lasse ich die Tür hinter mir zu knallen und lache auf, als sie erschrocken zusammen zuckt, es jedoch nicht wagt zu mir auf zuschauen.

»Hast du deine Meinung endlich geändert?«, frage ich und bleibe ruhig vor ihr stehen.

Sie antwortet nicht. Langsam keimt Ärger in mir auf.

»Antworte!«, brülle ich und umklammere mit meinen Händen den Griff meines Messers.

Zögernd sieht sie zu mir auf, ihr Blick ist starr und leer. »Du kennst meine Antwort.«

Eine Weile lang sehe ich sie bloß schweigend an und bemühe mich, ihr nicht auf der Stelle das Messer in den Bauch zu rammen.
Aber ich darf nicht. Noch nicht.
Sonst wäre mein ganzer feiner Plan zunichte.
Und das wäre ziemlich fatal.

»Und du weißt, was ich von dir verlange.«, entgegne ich angespannt und schließe für einen kurzen Moment die Augen.

Ruhig bleiben.

Sie lacht, auch wenn ihre Stimme brüchig und auf ihre eigene Art und Weise verzerrt ist. »Glaube mir, dein Vorhaben wird niemals funktionieren. Du scheinst gegen ein ganzes Land rebellieren zu wollen.«

»Und doch hat es eine Person geschafft.«, grinse ich.

Natürlich weiß sie wen ich meine.

Ihre Augen weiten sich. »Was hast du vor?«

Mein Lachen hallt durch den schalldichten Raum. »Das verrate ich nicht.«

Nein, warum sollte ich es ihr auch verraten?
Meine Pläne gehen sie nichts an, vermutlich wird sie vorher schon tot sein, bevor sie meine Taten mit Grauen verfolgen kann.

»Du bist ein Monster!«, fährt sie mich an und ihre Augen funkeln voller Hass.

»Vielleicht.«, gebe ich zu und spiele mit dem Messer in meinen Händen.

Einen kurzen Moment verweilen ihre Augen auf der silbernen, glänzenden Klinge, ehe sie sich von mir abwendet und mutlos gegen die dreckige Wand starrt. »Warum tötest du mich nicht endlich?«

Ihre Worte verwundern mich. Sie sollte sich vor ihrem Tod fürchten und nicht fragen wann es endlich soweit war.

»Ich brauche dich noch.« Meine Stimme klingt kühl und beherrscht, meine Wut scheint vollständig verraucht zu sein.

»Fahr zur Hölle.«, knurrt sie.

Mein Lächeln verschwindet. Es ist keine kluge Idee von ihr mich zu provozieren.
Aber mehr habe ich nicht von ihr erwartet, sie ist genauso verblödet wie das restliche Land.

»Danke, vielleicht begegnet man sich.«, lächele ich, drehe mich um und laufe quer durch den Raum zur Tür.

Das Licht hinter mir geht aus und als ich die Tür öffne, höre ich sie hinter mir leise Schluchzen.
Kopfschüttelnd lasse ich die Tür ins Schloss fallen und schließe ab.
Jämmerlich.

Gedankenverloren laufe ich die steinerne Treppe wieder hinauf in das obere Stockwerk. Meine Gedanken kreisen sich um mein Vorhaben, meine Pläne, die ich noch alle umsetzen muss.
Es gibt noch so vieles zu tun.
Der Stress und die Müdigkeit nagt an meinem Körper. Ich fühle mich innerlich abgestumpft, dort herrscht diese seltsame eiserne Leere.
Und die Wut.
Die altbekannte, rachsüchtige Wut.
Sie sollen alle leiden. Jeder soll am eigenen Leibe spüren, was für einen Fehler sie begonnen haben.

Vor allem werde ich die leiden lassen, die für alles verantwortlich sind.
Die den Stein ins Rollen gebracht haben und selbst heute noch einen großen Einfluss ausüben.

Sie sollen sehen, was sie davon haben.

Mit einem Grinsen auf den Lippen, laufe ich in das nächstliegende Wohnzimmer und schalte den Fernseher ein. Keine weiteren Nachrichten.
Erbärmlich, dass sie noch keine Hinweise haben, obwohl die Wahrheit ihnen doch praktisch gesehen genau vor den Augen liegt.
Aber ich sollte mich freuen, denn keiner weiß meine wahre Identität.
Und das sollte auch gefälligst so bleiben.

»Sir, haben Sie irgendwelche Wünsche?« Tony, mein jahrelanger Butler, erscheint im Türrahmen.

Man sieht ihm sein Alter deutlich an, doch er scheint gesundheitlich dennoch top in Form zu sein und er ist einer der wenigen Menschen, vielleicht auch der einzige, dem ich kein Leid zufügen möchte.

»Nein, danke, aber ich muss noch etwas erledigen.«, erwidere ich und greife nach meinem Umhang.

Er mustert mich eingehend. »In Ordnung.«

Gerade, als er sich zum Gehen wenden möchte, halte ich ihn zurück.

»Ach ja, ich habe es schon fast vergessen, ich erwarte heute Besuch.«

»Soll ich schon einmal ein Dinner vorbereiten?«, fragt er mich höflich.

Ich nicke, laufe zur Haustüre und schließe sie auf. Kalte Winterluft strömt mir entgegen und ein leiser Wind fegt mir ins Gesicht.

»Ja, und falls sie anrufen, sage ihnen dass ich alles vorbereitet habe.«

Er zieht eine Augenbraue nach oben. »Soll ich ihnen Ihren echten Namen hinterlegen?«

Ein Grinsen bildet sich auf meinen Lippen. »Ja, sage ihnen, dass Snow sie bereits erwartet.«

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