Kapitel 39

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»Danke dass du gekommen bist. Das bedeutet mir wirklich viel.«

Es ist dass erste Mal seit langem, dass ich Katniss' Mutter wieder in die Augen blicke. Sie sieht anders aus im Gegensatz zu früher. Ihre Haut wirkt blasser und ihre einst langen Haare hat sie kurz geschnitten. Dunkle Ringe kennzeichnen ihre Augen.

Mit Tränen in den Augen schließt Katniss sie in die Arme. Ich lächele ihnen zu. Es ist schön dass sie sich endlich wieder in die Arme schließen können, nachdem so viel Zeit vergangen ist.
Die Weihnachtszeit ist endlich vorbei. Für uns gab es kaum einen Grund die Festtage zu genießen. Ständig waren wir begleitet von der Unruhe und der Ungewissheit. Wann würde ein nächster Anschlag folgen? Wieviele Menschen sollten dem Terror diesmal zum Opfer fallen?

Und neben all den vielen Gedanken die uns plagen, hat Katniss trotz allem beschlossen ihre Mutter anzurufen. Alle anderen Ärzte waren ihr zuwider. Sie vetraute einzig und allein ihrer Mutter. Vielleicht war es eine gute Entscheidung gewesen ihre Mutter in unser unausgesprochenes Geheimnis einzuweihen. Wenn Katniss tatsächlich ein Kind erwartet, würde das sich wie ein Lauffeuer herumsprechen. Fremden Ärzten konnten wir nicht trauen. Nicht, solange es dieser Unbekannter auf uns abgesehen hatte und ein ungeborenes Kind in Gefahr schweben könnte.

»Es freut mich dich zu sehen, Katniss.« Lorel lächelt sanft, löst sich von ihrer Tochter und blickt mir in die Augen. »Hallo, Peeta.«

Ich schließe sie zur Begrüßung in die Arme und greife anschließend nach Katniss' Hand. Ich spüre wie aufgeregt sie ist. Heute werden wir erfahren ob Katniss tatsächlich ein Kind erwartet. Meine Aufregung macht sich immer mehr bemerkbar.

»Nun, wollen wir direkt anfangen?« Sie greift nach einem großen Koffer und folgt Katniss und mir ins Wohnzimmer.

Wir lassen uns auf dem Sofa nieder, während Katniss' nervös meine Hand drückt.
»Nun, ich stelle dir zunächst ein paar Fragen, wenn das in Ordnung ist.« Lorel sieht mich kurz an. »Ich nehme an es ist für dich in Ordnung wenn Peeta dabei ist. Oder, Katniss?«
»Natürlich.«, erwidert sie rasch.
»Wie lange ist dein Menstruationszyklus bereits her?«
Katniss runzelt die Stirn. »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber etwa zwei Wochen.«

Lorel nickt und notiert sich etwas auf einen kleinen Spiralblock.
»Hast du manchmal Krämpfe oder ist dir schlecht?«
»Ich musste mich ein paar Mal übergeben, aber Krämpfe hatte ich bisher kaum welche.«
»Schwindelgefühle oder Launenhaftigkeit?«

Während die beiden nach und nach die Fragen durch gehen, schweifen meine Gedanken ab. Urplötzlich denke ich an den Brief, die Drohung, welche uns zugesandt wurde.
Kann ich Katniss wirklich im Stich lassen? Ausgerechnet jetzt?

Ich habe keine andere Wahl. Ich muss es tun. Auch wenn dies bedeutet, dass ich Katniss alleine lassen muss. Aber-, sie ist nicht alleine. Sie hat Gale und er hat mir indirekt versprochen, bei ihr zu sein, wenn ich fortgehe. Ich werde ihr weh tun. Das weiß ich. Und vermutlich wird sie mir das nicht verzeihen.
Doch ihre Sicherheit ist wichtiger und wenn ich es schaffe, diesen Unruhestifter zur Strecke zu bringen, könnte in Panem wieder Frieden einkehren.

»Nun, ich denke wir sind fertig.“ Katniss' Mutter Lächelt sanft.
Ich war zu tief in meinen Gedanken versunken, dass ich das Gespräch vollkommen vergessen habe.
»Als Letztes führe ich eine kleine Untersuchung durch. Dafür müsste Peeta jedoch kurz hinausgehen. Ist das in Ordnung für dich?«
Ich nicke, drücke Katniss einen kurzen Kuss auf die Lippen und verschwinde aus dem Wohnzimmer. Als ich in die Küche komme, erblicke ich Gale am Küchenthresen. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass er zurückgekommen ist.

Er sieht mich schweigend an, doch ich merke, dass ihn irgendetwas beschäftigt.
»Weshalb ist Lorel hier?«
Soll ich es ihm erzählen? Oder würde ich ihn damit verletzen?
Seltsam. Seit wann mache ich mir darüber Gedanken?

Ich seufze, lehne mich gegen den Türrahmen und blicke aus dem Fenster, während ich spreche.
»Katniss ist vermutlich schwanger.«
Ein paar Sekunden verstreichen und als ich noch immer keine Antwort erhalte, sehe ich ihn an.
Und ich muss zugeben, dass ich einen kleinen Stich im Herzen verspüre, als ich seinen Gesichtsausdruck sehe.
Er versucht seine Emotionen zu unterdrücken, aber dennoch erkenne ich das verletzte Schimmern in seinen Augen und die tiefe Falte, welche seine Stirn ziert.

»Gale, ich-«
»Nein.«, unterbricht er mich und seufzt. »Ich freue mich für euch.«
»Ich kann verstehen, dass es ... nicht leicht für dich ist. Katniss und du standet euch sehr nah.«
Er lächelt schwach. »Ja, aber dennoch bist du derjenige, der ihr Frieden und Sicherheit gibt. Sie braucht dich. Das tat sie schon immer und nun freue ich mich aufrichtig für euch.«
Nur, dass Katniss eigentlich keine Kinder wollte. Füge ich in Gedanken hinzu.

Plötzlich verändert sich etwas in Gale's Gesicht und er sieht auf eine Art und Weise ... ernst und entschlossen aus.
Mit schnellen Schritten ist er bei mir und ich erschrecke beinahe, als er mich fest und eindringlich an der Schulter packt.
»Du wirst nichts unternehmen, hörst du?«
Verwirrt blinzele ich ihn an.  »Was?«
»Wenn Katniss tatsächlich schwanger ist, dann wirst du keinen Versuch unternehmen, gegen diesen Unruhestifter vorzugehen. Du wirst bei ihr bleiben und auf sie aufpassen. Das ist deine Aufgabe, nicht meine.«
An seiner Stimmlage erkenne ich, dass er keine Widerworte duldet. Aber dies ist eine Entscheidung, die ich selbst getroffen habe. Dieser Unruhestifter will mich. Mich und Katniss. Wenn ich sein Angebot auf ein Treffen nicht annehme, wird er jemanden töten, der mir etwas bedeutet. Und der einzige Mensch, den ich aufrichtig liebe, ist Katniss.

»Ich kann nicht Gale.«, erwidere ich mit fester Stimme.  »Dieser Jemand will mich oder Katniss. Verstehst du das denn nicht?«
Er sieht mich eine Weile lang finster an, ehe er sich frustriert abwendet.
»Dann werden wir eben nicht nach seinen Regeln tanzen.«
Bevor ich ihn fragen kann, was er damit meint, öffnet sich die Wohnzimmertür.

Lorel sieht mich schweigsam an.
Mein Herz beginnt zu rasen. Es ist soweit.
Ich werfe Gale einen kurzen Blick zu, ehe ich Lorel ins Wohnzimmer folge.
Katniss sitzt stocksteif auf dem Sofa. Ihr Blick ist in weiter Ferne gerichtet. Erst als ich mich neben sie setze, erwacht sie aus ihrer Starre.
»Oh, Peeta.«, haucht sie und lehnt sich gegen mich. Tränen funkeln in ihren Augen.
Unsicher sehe ich Lorel an. »Und?«
Sie seufzt, ehe ein kleines, besänftiges Lächeln über ihre Lippen huscht.
»Ich gratuliere dir, Peeta. Es wird ein Junge.«




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