Kapitel 14

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Fröhliche Musik dringt aus den Lautsprechern und versetzt die Gäste in Tanzlaune. Die Fläche ist voll von tanzenden Leuten. Fröhliches Gelächter und strahlende Gesichter blicken mir entgegen.
Grinsend werfe ich einen Blick zu Katniss, die ihre Arme um meinen Hals geschlungen hat. Meine Hände ruhen auf ihrer Taille.

Wir sehen aus wie ein Paar.
Wie ein echtes Paar.
Ob für die Kameras oder nicht- momentan spielt es für mich keine Rolle. Ich genieße bloß diesen einen Moment. Fernab von der Öffenlichkeit.
Der Alkohol rauscht schon ein wenig in unseren Köpfen. Betrunken bin ich allerdings noch nicht.

»Peeta?«, fragt Katniss.
Wir drehen uns im Kreis.
»Hm?«
»Können wir kurz eine Pause machen?«
Sie wirkt auf einmal ernst. Ihre eisgrauen Augen blicken stur an mir vorbei.
Verwirrt werfe ich einen Blick über meine Schulter und weiß nun, weshalb Katniss so reagiert. Sein Anblick ruft in mir keine Freude auf. Eher Hass, auch wenn man es so stark nicht bezeichnen kann. Eine tiefe, innere Abneigung. Und ich weiß nicht einmal, warum.
»Gale.«, sage ich monoton.
Er steht nur wenige Meter hinter uns. Seine stummen grauen Augen sind auf Katniss gerichtet. Wie die eines Jägers, der zum ersten Mal seine Beute erblickt.
»Schön euch zu sehen.«, begrüßt er uns halbherzig.
»Was machst du hier?« Katniss lässt ihre Arme von meinem Nacken sinken und verschränkt sie vor der Brust.
»Ich bin eingeladen worden.«, gibt er zurück. »Lust auf einen Tanz?«
Ich mustere ihn kühl. Es gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Wut kommt in mir auf.
Katniss wirft mir einen Blick zu.  »Lässt du uns kurz alleine, Peeta?«
»Natürlich.«, knurre ich und funkele Gale an.
Er erwidert meinen Blick.

Ich lasse die beiden stehen und verschwinde aus der viel zu stickigen Menschenmenge.
Gale.
Was möchte er hier?

Völlig aufgewühlt lasse ich mich auf einer Bank nieder und fahre mir durch die Haare. Es war vor einem kurzen Augenblick noch so schön gewesen ... und jetzt das.
Eine Weile lang sitze ich einfach nur da, bis ich eine winzige Hand auf meinem Oberschenkel bemerke. Verwirrt sehe ich auf.
Finnick.
»Hey, Kleiner.«, lächle ich und hebe ihn auf meinen Schoß.
Annie steht ein wenig abseits, da sie sich mit einem fremden Mann unterhält. Zuerst wandern ihre Augen besorgt zu mir, ehe sich ein Lächeln auf ihren Lippen ausbreitet.
Seufzend lasse ich meinen Blick über die Menschenmenge schweifen. Katniss und Gale kann ich nirgendswo ausmachen.

»Hey, Peeta. Warum bist du ganz alleine hier?«
Annie lässt sich neben mir nieder und nimmt mir Finnick ab.
»Nicht so wichtig.« Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen.
Sie nickt. Anscheinend beschließt sie, nicht weiter nachzufragen.
Jetzt, ohne Katniss an meiner Seite, bemerke ich die vielen Kameras die hin- und wieder zu mir schwanken.
Ich möchte hier weg.
Irgendwohin wo ich ungestört sein kann.

»Möchtest du mit mir und Finnick tanzen?«, fragt mich Annie plötzlich und lächelt mich an.
Kurz bin ich verwirrt, ehe ich lächelnd zustimme. Gemeinsam stellen wir uns auf die Tanzfläche. Ich komme mir ein wenig komisch vor und meine ab und an Blicke in unsere Richtung huschen zu sehen.
Aber Ablenkung scheint mir gerade richtig zu sein.
Die Musik beginnt zu spielen und ich greife nach Finnick's Hand, der auf Annie's Armen sitzt und bewege mich zu den Takten mit. Sein Babylachen dringt in mein Ohr und ich genieße diesen Moment ihn lachen zu sehen.
Ich drehe mich unter seinem Arm hindurch. Annie's Lachen verschmilzt mit dem ihres Sohnes.
Wir tanzen, drehen uns im Kreis und lachen als Finnick versucht meine Bewegungen nach zu ahmen.
Schnell steigt meine Laune wieder an und ich vergesse für einen kurzen Zeitraum Katniss und Gale, die noch immer nicht aufgetaucht sind.

* * *

Katniss' PoV

Völlig aufgewühlt bahne ich mir einen Weg durch die Menschenmenge.
Wo ist Peeta?
Ich möchte hier weg. Weg von diesen Leuten die mich mit ihren Blicken durchlöchern und den Kameras, die mich überall hin verfolgen.
Ein großer älterer Mann versperrt mir den Weg.
Verzweifelt drehe ich mich um und halte inne, als ich einen Blick zur Tanzfläche werfe. Ich sehe Peeta, Annie und Finnick. Die drei scheinen fröhlich zu sein, halten sich an den Händen und tanzen zur Melodie. Mein Herz krampft sich eigenartigerweise zusammen.
Leute stehen um sie herum und klatschen den Rhythmus an.
Kurz wendet Peeta seinen Kopf zur Seite und sieht mich an, als hätte er meine Anwesenheit gespürt.
Sein Lächeln verschwindet und ein dunkler Schatten legt sich auf sein Gesicht.
Ich stehe da und verfolge das Ganze ohne mich überhaupt zu bewegen.
Er flüstert Annie etwas zu.

Ich muss hier weg. Einfach nur weg.

Ich blinzele die Tränen zurück und setze meinen Weg durch die Menschenmenge fort.
»Katniss!«
Ich laufe weiter, ja, renne sogar schon fast.

Weg von den Kameras.

Weg von dieser Menschenmenge.

Weg von Gale.

Fort von Peeta.

»Katniss!« Peeta's Stimme geht beinahe in der Menge unter.
Einfach weiterlaufen.
Die Tränen wollen endlich überlaufen, aber ich verbiete es ihnen.
Nicht hier in aller Öffentlichkeit.
Meine Füße schmerzen in den meterhohen Absätzen und auch meine Maskara droht bald zu verlaufen.
Ich möchte aus diesem Kleid raus, dessen Stoff auf meiner Haut kratzt.
Ohne mich umzudrehen, verstecke ich mich hinter einem kleinen Gartenhäusschen. Hier bin ich alleine.
Tränen laufen mir über die Wangen und ich lehne mich gegen die dunkle Holzwand.

Peeta's Kuss.

Gale's Kuss.

Alles wird mir zu viel. Dabei wollte ich Gale nicht küssen. Ich war in der Hoffnung gewesen ihn nie wieder sehen zu müssen.

»Was willst du von mir?«, frage ich, nachdem Peeta gegangen ist.
Gale legt schweigend seine Hände an meine Taille. Ich möchte sie wegschlagen, lasse es aber lieber sein.
Ich würde damit nur ungewollte Aufmerksamkeit auf mich ziehen.

Er ist größer geworden, stärker und breiter als ich ihn in Erinnerung habe.
»Ich wollte dich sehen, Kätzchen.«, seufzt er und dreht uns beide im Kreis.
Mir ist überhaupt nicht nach tanzen zumute.
»Ich dachte du hattest verstanden dass ich dich nicht mehr sehen will.«, erwidere ich kühl und sehe in seine grauen Augen.
Er sieht mich an. »Hast du mich denn nicht vermisst?«
Seine Frage bringt mich aus dem Konzept.
Habe ich ihn denn vermisst?
Es gab Zeiten , an denen ich die gemeinsamen Tage im Wald vermisst hatte, ja. Aber nie hatte ich wirklich das Verlangen gespürt ihn wiedersehen zu müssen.
»Nein.«, antworte ich, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin ob dies der Wahrheit entspricht.
»Katniss.« Seine Stimme klingt
flehend. »Gib zu, du liebst Peeta nicht.«
»Was soll das heißen, Gale?«, erwidere ich kühl und löse mich aus seinem Griff. »Dir kann es vollkommen egal sein was ich für Peeta fühle. Und ja, ich liebe ihn. Ob du es glaubst oder nicht ist nicht mein Problem.«
»Ach, und die Geschichte mit eurem angeblichen Sohn? Ich weiß dass es gelogen ist. Ihr sucht nur einen Weg um wieder die Aufmerksam des Landes auf euch zu ziehen. Wie damals.«

Entgeistert starre ich ihn an.
Ist das der Gale der an jenen Tagen mein bester Freund gewesen war?
Nein.
Er ist nur noch verbittert.
Ich erkenne ihn nicht mehr.
»Geh.«, flüstere ich und sehe ihn traurig an.

»Ich liebe dich, Katniss. Noch immer. Und es tut mir Leid was mit deiner Schwester geschehen ist.«

Seine Worte geben mir den Rest. Und als wäre es nicht schon genug, drückt er seine Lippen auf meine.

Kein Kribbeln.

Kein Herzklopfen.

Nichts.

Sofort löse mich von ihm.
»Verschwinde, Gale. Und lass mich und Peeta in Ruhe.«
Mit diesen Worten drehe ich mich um und lasse ihn stehen.

Tränen laufen mir über die Wangen.
Ich will nach Hause.
Nach Distrikt 12.
Zu sehr wünsche ich mir jetzt Prim an meiner Seite.
Ihre Arme die mich trösten.
Ihre Worte, wie Balsam für meine Seele.
Aber sie ist nicht hier.
Nie mehr.
Und ich muss mich meiner Angst alleine stellen.

»Katniss.«

Wie hat er mich gefunden?

Peeta taucht neben mir auf. Sein Blick ist voller Sorge auf mich gerichtet.
»Warum weinst du?«
Seine Hand legt sich auf meine Wange.
»Ich kann nicht mehr, Peeta.«

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Ja, mal ein Teil aus Katniss' Sicht. Wusste erst nicht ob ich es mit reinbauen soll... aber naja.
Eure Meinungen?

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