Kapitel 36

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Peeta's POV





»Katniss?«
»Lass mich, Peeta. Bitte.«

Hilflos stehe ich im Türrahmen und sehe zu, wie sich Katniss ein weiteres Mal über der Kloschüssel übergibt.
Wir haben frühen Morgen, draußen ist es noch stockdunkel und der Tag hat noch nicht wirklich begonnen.
Seit zwei Tagen übergibt sie sich häufiger, jeden Morgen haben wir die gleiche Routine und ich weiß nicht wie ich ihr helfen kann.

»Soll ich einen Arzt anrufen?«, frage ich, trete zögernd ins Bad und lasse mich neben sie auf den Boden sinken.
Sie schüttelt schwach den Kopf und lehnt sich, mit geschlossenen Augen, gegen die Wand.
»Keine Ärzte.«, flüstert sie und atmet erschöpft aus.
Eine trostlose Stille breitet sich zwischen uns aus. Ich lausche ihrem unregelmäßigem, erschöpfen Atem, ohne einen Laut von mir zu geben.

Sie ist die Erste, die unser Schweigen durchbricht.  »Ich habe Angst, Peeta.«
Überrascht sehe ich sie an.  »Wovor?«
Traurig schlägt sie ihre Augen auf und sieht mich an.

»Vor der Wahrheit.«

Ihre Worte hallen in meinem Kopf wieder, vermischen sich mit all meinen wirren Gedanken und drehen sich unaufhörlich im Kreis.
Anstatt zu antworten, schweige ich, und greife nach ihrer kleinen zerbrechlichen Hand.
Tränen bilden sich in ihren Augen.
Tränen der Verzweiflung.

»Ich möchte nicht, ich meine ... ich kann nicht ... ich ... «, stammelt sie und wischt sich die Tränen von den Wangen.
Besorgt umgreife ich ihre Taille und ziehe sie an mich heran. Ich halte sie fest, dicht an meinen Oberkörper gepresst, und streiche über ihren Rücken.
»Pssht. Wir stehen das zusammen durch, okay?«
»Ich möchte nicht schwanger sein. Ich kann nicht. Ich bin nicht bereit dafür. Nicht jetzt.«
Ihre Worte versetzen mir einen Kloß im Hals, aber ich lasse mir nichts anmerken.
»Ich weiß.«, flüstere ich leise und vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar.
Sie so zu sehen tut mir weh.
Und auch der Gedanke, dass sie es so schrecklich finden würde, wenn ...

»Ich kann das nicht. Ich halte es nicht mehr länger aus.«, unterbricht sie meine Gedanken und sieht mich mit roten, verweinten Augen an.
»Dann lass uns endlich Gewissheit haben.«, sage ich leise.
Sie schweigt, sieht mich bloß aus stummen grauen Augen an und drückt ihre Lippen, ganz langsam, auf meine. Ich schmecke ihre salzigen Tränen auf meiner Zunge und ziehe sie noch fester an mich heran.
»Danke, Peeta.«, haucht sie in unseren Kuss hinein und vergräbt ihre Finger in mein Haar.
»Für was?«
»Das du dass alles hier erträgst, auch wenn ich weiß dass es nicht einfach für dich ist.« Reue schwingt in ihrer Stimme mit und sie schlägt die Augen nieder, als würde es ihr schwer fallen mir ins Gesicht zu sehen.
»Es ist für uns beide nicht einfach, Katniss. Du hast keine Schuld.«
»Aber ich tue dir weh. Ich sehe es jedes Mal in deinem Blick. Du würdest dich freuen, nicht wahr?«

Ich zögere, schlucke den Kloß in meinem Hals herunter und hebe langsam ihr Kinn an, damit sie mir ins Gesicht blicken kann.
Bevor ich zu einer Antwort ansetze, versinke ich in dem tiefen grau ihrer Augen, welches mir mittlerweile so vertraut geworden ist.
Alles an ihr ist mir vertraut.
Und auch ihre Gefühle, die sie so oft versucht vor mir zu verbergen, kann ich an ihren Augen ablesen.
Ihr Schmerz ist ebenso auch meiner und ich möchte alles daran setzen, ganz egal mit welchen Konsequenzen, dass sie glücklich ist.

»Du hast Recht. Es würde mich freuen, Katniss. Aber weißt du was mir wichtiger ist als alles andere?
Dass du glücklich bist. Und wenn du keine Kinder haben möchtest, dann akzeptiere ich das.«
Schweigend starrt sie mich an, die Lippen leicht geöffnet, die Stirn in Falten gelegt.
»Okay.«, flüstert sie schließlich und lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter. »Dann werden wir morgen zum Arzt gehen.«
Ich atme erleichtert aus, schließe meine Augen und wiege sie sanft hin- und her.
Eine Weile lang bleiben wir auf dem Boden sitzen, bis unten eine Tür ins Schloss fällt und die Stille, die sich zwischen uns angesammelt hat, zerreißt.

»Gale.«, flüstert sie leise.
Ich seufze, schlinge meine Arme um ihren Körper und hebe sie vorsichtig hoch.
Ihr Atem geht langsam und gleichmäßig, dem Anschein nach ist sie eingeschlafen.
Schmunzelnd lege ich sie auf unser Bett ab, decke sie zu und fahre mir durch meine wirren Haare.
Mein Blick fällt auf den Wandspiegel und als ich näher herantrete, atme ich leise aus.
Ein leichter Bartschatten ziert mein Kinn, dunkle Ringe befinden sich unter meinen Augen und auch meine Haare sind um einiges länger geworden.
Ich sehe älter aus. Und erschöpfter.

»Peeta?«
Erschrocken drehe ich mich um und blicke in Gale's Gesicht, welcher unschlüssig im Türrahmen steht.
Rasch werfe ich einen Blick auf Katniss, die immer noch seelenruhig weiterschläft, und nicke Gale zu.
Während ich aus dem Schlafzimmer gehe, folgt er mir, ohne jedoch einen Laut von sich zu geben.
»Was ist?«, frage ich schließlich, nachdem wir unten im Wohnzimmer angekommen sind.

Er seufzt, kramt in seiner Tasche nach irgendetwas und hält es mir hin.
Verwirrt starre ich auf den kleinen, zusammengefalteten Zettel.
»Was ist das?«, frage ich, doch ich spüre wie mein Herzschlag sich beschleunigt.
»Der lag vor eurer Haustüre. Ich hab ihn nicht gelesen.«
Zitternd greife ich nach dem zerknitterten Blatt Papier.
Gale beobachtet mich, während ich den Zettel langsam auseinanderfalte.

Mit weit aufgerissenen Augen starre ich auf die mir bekannte Schrift. Auch wenn es nur wenige Zeilen sind, reicht es, um in mir das schreckliche Gefühl der Angst auszulösen.

Ich biete euch einen kurzfristigen Waffenstillstand an.
Es gibt wichtiges zu Bereden, weshalb ich euch den Vorschlag unterbreite, mich zu treffen.
Ignoriert ihr jedoch meinen Brief oder beschließt das Kapitol zu verständigen, werde ich weitere Anschläge planen oder aber, ich werde einen von euch töten.






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