Kapitel 22

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In den nächsten Tagen gibt es keine weiteren Neuigkeiten. Paylor ist noch immer verschwunden und auch die Person die für die Morde verantwortlich ist, wurde noch nicht gefasst.
Die Distrikte sind in einer eigenartigen Stille verfallen. Die Bewohner verbringen den Großteil des Tages in ihren Häusern.

Ich kann ihre Angst verstehen. Schließlich sind die Umstände schlimmer geworden.
Der Frieden scheint sich langsam aufgelöst zu haben und die altbekannte Unruhe nimmt seinen Platz ein.

Katniss und ich verbringen unsere Zeit gemeinsam. Ich weiß, dass sich etwas zwischen uns verändert hat. Jedes Mal wenn ich sie berühre, sieht sie mich mit einem Blick an, der mir schon eigenartig vertraut geworden ist. Ich kann die Gefühle nicht leugnen und ich weiß, dass ich mehr für sie empfinde als ich eigentlich sollte.

Aber was ist schon falsch daran?

Ist es nicht das, was uns schon damals immer verbunden hat?
Ich habe angefangen mich nicht mehr gegen meine Gefühle zu wehren. Mittlerweile genieße ich die Schmetterlinge in meinem Bauch, wenn ich Katniss sehe.
Auch wenn sich das alles für Außenstehende kitschig anhört, so ist es doch wahr.

Während ich meinen Gedanken nachhänge, sitze ich auf der kleinen Terasse und blicke auf die Wiese hinaus, die hinter Katniss' Haus liegt.
Ich ertappe mich dabei wie ich mir vorstelle, wie meine Kinder eines Tages über diese Wiese rennen werden. Glücklich und unbeschwert. Kinderlachen, dass über die Wiese schallt.
Fröhliche, funkelnde Augen.
Ich lächle bei diesem Gedanken.
Wie die Zukunft wohl aussehen wird?

Ich seufze und schüttele den Kopf. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt darüber nachzudenken. Ich sollte mir Gedanken über die Gegenwart machen. Über das Hier und Jetzt. Nicht, was noch kommen mag.

»Ach, hier bist du.«

Überrascht sehe ich auf und blicke in Katniss' lächelndes Gesicht. Ihre Haare fallen in Wellen über ihre Schulter und auch das Lächeln um ihre Lippen wirkt ehrlich und glücklich.
»Wo sollte ich anders sein?«, stelle ich die Gegenfrage und schmunzele leicht.
Ihr Lächeln wird noch breiter, ehe sie sich neben mich setzt und ihren Kopf an meine Schulter lehnt. Ich höre ihren Atem ganz nah an meinem Ohr und als wäre es selbstverständlich, lege ich einen Arm um sie und ziehe sie näher an mich.
»Ein wenig vermisse ich die alten Zeiten.«, fängt sie plötzlich an zu sprechen.
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, auch wenn sie es nicht sehen kann.  »Die Zeiten, in denen es noch die Hungerspiele gab?«
Sie schüttelt kaum merklich den Kopf und stößt einen Seufzer aus. »Nein, ausgenommen von den Hungerspielen, waren die Zeiten immer noch ein wenig ... schöner gewesen. Als all der Kummer noch nicht vollständig den Platz in unseren Herzen eingenommen hatte. Und auch die Tage, an denen ... die Menschen noch da waren, bevor wir sie verloren haben.«

Ich ziehe die Stirn in Falten. Ihre Worte sind traurig und doch wahr.
Jeder von uns hat jemanden verloren der uns nah am Herzen lag.
All die Unschuldigen, die ihr Leben im Krieg lassen mussten.
Gerade jetzt, wo die Umstände schlimmer geworden sind, werden wir an unsere Verluste erinnert.
Und gleichzeitig verspüre ich auch die altbekannte Angst.

Angst, dass ich noch mehr Menschen verlieren könnte, die mir wichtig sind.

»Weißt du, Katniss, ich glaube es kommt darauf an wie wir die Dinge sehen. Ob wir uns auf das Gute konzentrieren. Oder auf das Schlechte. Wir müssen nur wissen was wir mit unserer wertvollen Zeit anfangen und wie wir die Dinge zum Schönen verändern können. Trotz der Vergangenheit.«
Sie hebt ihren Kopf und starrt mich an. Ihr Blick ist unergründlich, doch ehe ich mich verstehe zaubert sich ein Lächeln um ihre Lippen.  »Du hast Recht.«
Ich erwidere ihr Lächeln. »Auch wenn die Zeiten momentan schwer sind, so überstehen wir sie zusammen.«
Ihre eisgrauen Augen ruhen auf mir und ein leichter Schauer wandert meinen Rücken hinunter, als sie mit ihren Lippen sanft, aber dennoch kurz, meine berührt.
»Zusammen?«
»Katniss.«, schmunzele ich und hebe ihr Kinn an. »Ich weiß dass ich nicht mehr der bin, der ich einmal war. Aber ich habe das Gefühl, dass mein altes Ich langsam-«
» Du bist immer noch der gleiche Mensch in den ich mich verliebt habe.«, unterbricht sie mich. »Du bist immer noch der gleiche liebevolle, gutmütige und wortgewandte Peeta, von früher. Trotz des Giftes. Und ich weiß, dass ich keine Angst vor dir haben brauche.«
Ich muss schmunzeln. Abermals verschließt sie ihre Lippen mit meinen, nur diesmal länger und gefühlvoller.

Nach einer Weile lösen wir uns voneinander. Langsam spüre ich die Kälte, die trotz meiner Jacke zu mir hervordringt, ignoriere sie aber.
»Übrigens« Sie sieht mich frech grinsend an. »Wie stehts eigentlich mit unserer Bäckerei?«
Verwirrt sehe ich sie an. »Was?«
Nur schwer unterdrückt sie ein Lachen.
»An einem gewissen Abend hast du mir erzählt dass du die Bäckerei mit mir zusammen führen möchtest. Seite an Seite.«

Mit einem Schlag erinnere ich mich wieder. Der Abend, an dem wir zu viel getrunken hatten. Ich höre meine eigenen Worte in meinem Kopf wiederhallen.
Nun muss auch ich lächeln. »Ach, das.«

»Und?«

»Ich dachte es ist damit selbstverständlich dass wir sie zusammen führen werden.«, grinse ich und beobachte ihr Mienenspiel, das zuerst von Unglauben zu Freude wechselt.
»Du möchtest wirklich das wir zusammen die Bäckerei führen?«, fragt sie erstaunt.
»Wenn Mrs Everdeen damit einverstanden ist.«, necke ich sie.
Ihre Augen strahlen unheimliche Freude aus. »Ich fühle mich geehrt, Mr Mellark.«

Als es uns beiden nun doch zu kalt wird, stehen wir auf und verschwinden ins Innere des Hauses. Ich fühle mich eigenartig glücklich. Trotz den momentanen Umständen.
Zum ersten Mal spüre ich wieder ehrliche Hoffnung.
Vielleicht wird sich doch noch, irgendwann, alles zum Guten wenden.

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