Kapitel 17

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Schreiend wache ich auf.
Panisch taste ich um mich, versuche nach Katniss' Hand zur greifen.
Doch alles was ich fühle ist das kalte Bettlaken unter mir.
Tränen der Verzweiflung schießen mir in die Augen und ich richte mich auf.

»Katniss!«

Mein Schrei hallt durch das ganze Zimmer. Hastig knipse ich das Licht an.
Ich bin alleine.
Automatisch wandern meine Augen an mir herab, in der Erwartung dunkelrotes Blut auf meinem Oberteil zu entdecken.

Aber da ist nichts.

Plötzlich wird die Tür aufgerissen und meine Augen treffen auf entsetzte, weit aufgerissene eisgraue Augen.
Sie erblickt die Tränen auf meinen Wangen und kommt besorgt auf mich zu.
»Was ist los?«, fragt Katniss und schließt mich in ihre Arme.
Normalerweise würde ich mich schämen vor ihr zu weinen. Tränen sind ein Zeichen von Schwäche.
Aber erst jetzt realisiere ich, nach und nach, dass ich geträumt habe.
Katniss lebt. Sie ist hier. Bei mir.

»Gott, tu mir das nie wieder an.«, flüstere ich und ziehe sie sehnsüchtig an mich.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich ihren leblosen Körper. Die leeren toten Augen.

Es war bloß ein Albtraum, Peeta.

»Ich war nur kurz etwas trinken. Ich wollte dich nicht wecken.«Ihre Stimme hört sich zerbrechlich an. Schwach und ängstlich.
Ich sehe sie schweigend an. Erst jetzt bemerke ich die tiefen Ringe, die ihre Augen zieren und das müde klägliche Lächeln.
»Komm her.«, sage ich leise und lege meinen Arm um sie, so, dass sie sich an meine Brust kuscheln kann.
Ich genieße ihre Nähe. Die Wärme, die sie ausstrahlt.

Sie lebt.

»Ich sehe sie in meinen Träumen.«, durchbricht Katniss die Stille, die sich im Raum angesammelt hat.

»Wen?«

»Die Toten.«

Ich schlucke schwer. Auch sie kämpft gegen die Albträume an. Aber wir sind nicht stark genug das Geschehene vergessen lassen zu können. Es ist die Vergangenheit, die uns selbst heute noch verfolgt. Die düsteren Momente, die alte Narben frisch aufbluten lassen.
»Ich sehe sie vor mir.«, fährt sie weinerlich fort. »Prim. Finnick. Rue. Mags.«
Sie zählt alle nacheinander auf. Name für Name. Erinnerung für Erinnerung.
Letztendlich formen ihre Lippen Snow's Namen und ich weiß, dass er eine weitere Rolle in ihren Träumen spielt.
Genauso wie seine Stimme in meinem Kopf.
Ich hasse ihn.
Und ich hasse das Kapitol.

»Morgen sind wir wieder in Distrikt 12.«, beruhige ich sie und denke an unsere Heimat. »Dann ist alles vorbei.«
Ich merke wie sie langsam nickt.
Jetzt, wo ich mir sicher bin Katniss an meiner Seite zu haben, überkommt mich wieder die Müdigkeit.
Aber dennoch bleibt mein Verstand wach und auch Katniss scheint es ähnlich zu gehen.
Gedankenverloren starre ich gegen die Decke und ich merke gar nicht, wie immer mehr Zeit vergeht und auch die Sonne langsam hervor kommt.
Hellwach liegen wir Arm in Arm da. Jeder ist in seine eigenen Gedanken versunken, während der nächste Tag immer schneller heranbricht.

Ein Klopfen an der Tür lässt uns beide aufhorchen.
»Katniss, Peeta! Richtet eure Sachen, es geht bald los!«, höre ich Effie rufen, ehe sich Schritte wieder entfernen.
Erschöpft setzt sich Katniss auf und reibt sich ihre Augen. Sie sieht fertig aus.
Aber ich bin mir sicher dass ich noch schlimmer aussehe.
Kraftlos von der gestrigen Nacht und dem Albtraum, der mich noch immer belastet, steige ich unter die Dusche und versuche wieder klar zu denken. Das Wasser hilft mir zwar mich ein wenig zu beruhigen, aber ein Teil meiner Anspannung bleibt.

Ich halte meine Augen geschlossen, fühle das heiße Wasser, das auf mich niederprasselt und versuche mir diesen Tag schön zu reden.
Es geht nach Hause.
Aber, was ist mit den Küssen zwischen Katniss und mir?
Ich habe Angst, dass wir in Distrikt 12 unsere gemeinsamen schönen Momente vergessen werden. Das alles so sein wird, wie es vorher war.

Keine Küsse.
Keine Berührungen.
Nur eine eisige schmerzende Leere.

Als ich mit duschen fertig bin, ziehe ich mich an und laufe mit Katniss zum Frühstück.
Annie und Finnick begrüßen uns fröhlich und ich nutze die letzte Gelegenheit Finnick auf meinem Schoß halten zu können.
Ich werden den Kleinen vermissen. Genauso wie Annie und Effie, die hier im Kapitol ganz zufrieden zu sein scheint.
Aber dafür ist die Freude viel größer wieder nach Hause gehen zu dürfen.

Ich esse nicht viel, da ich keinen großen Hunger verspüre und spiele derweilen mit Finnick.
Gegen 12 Uhr packen wir unsere Koffer und mir wird klar dass die Tage hier im Kapitol endlich vorbei sind.

Keine Kameras mehr.
Keine neugierigen Leute.

»Ihr müsst uns unbedingt in Distrikt 4 besuchen kommen!«, seufzt Annie und sieht uns traurig an.
Wir stehen vor dem großen Hovercraft das auf dem leeren Platz steht und verabschieden uns.
Der Abschied tut zwar weh, aber der Gedanke daran dass es nicht für immer ist, spendet ein wenig Trost.
Ich gebe Finnick einen kleinen Kuss auf die Nasensspitze, ehe Mutter und Sohn in ihrem eigenen Hovercraft verschwinden und sich die gewaltige Tür hinter ihnen schließt.

»Ruft an, ja?«, schluchzt Effie und tupft sich mit einem Taschentuch die Tränen weg.
Ihre Schminke ist ein wenig verschmiert und auch ihre Perücke sitzt schief.
»Natürlich, Effie.«, lächelt Katniss und umarmt sie herzlich.
»Das Frauen immer so ein Drama machen müssen.«, raunt mir Haymitch augenverdrehend zu.
Ich lache leise auf.
»Katniss, Peeta.«, seufzt Präsidentin Paylor, als wir uns auch von Effie ausgiebig verabschiedet haben. »Es war schön gewesen euch wieder zu sehen und ich bin euch dankbar dass ihr gekommen seid.«

Ihre dunkelbraunen Augen sehen uns freundlich an.
»Es war uns eine Ehre zu kommen.«, sage ich und lächle sie an.
Sie nickt und umarmt jeden von uns.
»Auf Wiedersehen!«
Wir steigen in das Hovercraft ein und nehmen auf den altbekannten Sitzen platz.
Dieses Gefühl ist unbeschreiblich, als sich die Tür schließt und das Kapitol vor meinen Augen langsam verschwindet.
Automatisch greife ich nach Katniss' Hand und drücke sie liebevoll.
»Auf nach Distrikt 12.« , lächelt sie glücklich.
Die Anspannung fällt wie ein Vorhang von mir herab.

Ja, auf geht's in unsere Heimat.

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