Kapitel 42: alte Gleise

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"Guck mal, Kalem!" "Katy, komm da runter!", ermahnte mich der Schwarzhaarige, während ich vergnügt auf den alten Gleisen rum wippte und das leicht morsche Holz ein bedrohliches Knarzen von sich gab. Wir befanden uns noch auf Route 18 und hatten diese alte Miene, auch bekannt als die Omega-Höhle, gefunden. Aufgrund der wirklich coolen Kulisse und der Tatsache, dass wir alle doch inzwischen sehr hungrig geworden waren, hatten wir vor der Höhle eine Picknick Decke ausgelegt und unsere hungrigen Bäuche voll geschlagen. Kalem hatte, bis eben gerade, die Decke wieder eingepackt. Doch mich konnte meine Abenteuerlust nicht länger halten.
Ich seufzte und hüpfte wieder zu ihm und unseren Pokémon herunter. "Ach, du Spielverderber!", meckerte ich gespielt beleidigt. Daraufhin fingen ich und der Grauäugige an, unsere Pokémon wieder einzusammeln. Als ich gerade Ive in ihren Ball zurück rufen wollte, bemerkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie saß auf einem der Gleise, wo ich zuvor noch fröhlich rumgealbert hatte und sah traurig in Richtung des Höhleneingangs. Ich packte ihren Ball wieder weg und kletterte zu ihr. "Ist alles in Ordnung, Ive?", fragte ich sie besorgt. "Uhaf Uhafnir...", sagte sie mit einem traurigen Lächeln. Mich beschlich eine leichte Vorahnung, was meine Freundin so beschäftigen könnte. "Kalem?", rief ich meinem Begleiter zu. "Ja?" "Wo, hast du gesagt, leben normalerweise eF-eM?" Verwundet sah mich Kalem an. "Wann habe ich dir sowas denn schon mal erzählt?", fragte er zurück, doch sah bereits in seinem Pokédex nach. "Na, als wir Ive gefunden haben!" Jetzt schien auch er sich wieder daran zu erinnern. "Ach ja, stimmt." Nach ein paar Sekunden hatte er dann auch die gewünschte Information gefunden. "Mal sehen... eF-eM leben ausschließlich in Höhlen der Siegesstraße und... und in der Omega-Höhle. Also hier!" Tatsächlich hatte mich mein Gefühl nicht getäuscht. "Ive, hast du hier vorher gewohnt?", fragte ich daraufhin mein Pokémon neugierig. "Hafnir.", meinte sie nickend. "Sie hat also Heimweh.", schlussfolgerte mein Begleiter. Nachdenklich sah ich nun ebenfalls in Richtung des Höhleneingangs, bevor ich voller Elan meinen Rucksack schnappte und verkündete: "Dann gehen wir jetzt in die Omega-Höhle!" Nicht nur Ive und Kalem, sondern auch Chan auf Kalems Schulter und Nachtara neben mir, sahen mich verwundert an. "Du weist aber schon, dass die Omega-Höhle viel dunkler und düsterer ist, als zum Beispiel die Spiegel- oder Leucht-Höhle." Ich nickte. "Ja, aber es geht hier um Ive! Um eine meiner besten Pokémon Freundinnen!" Diese hatte alles mitbekommen und war außer sich vor Freude. Der Schwarzhaarige seufzte, zeigte aber ein Lächeln. "Na dann, auf geht's!"

Die Höhle war tatsächlich dunkler und bedrohlicher als die letzten Höhlen, durch die wir gewandert waren. Doch Ive schien sich hier bestens aus zu kennen. Zudem waren meine Freunde bei mir, weshalb ich keine Angst davor hatte, durch diese Höhle zu gehen. Doch nach einiger Zeit, hörte ich etwas. Der Ruf eines Pokémon. "Kalem, hörst du das?", fragte ich meinen Begleiter. Wir und unsere Pokémon hielten kurz inne. "Ja. Ja, etwas weiter hinten ruft ein Pokémon." Auch Ive hörte es und wirkte sehr erschrocken. Urplötzlich legte sie einen Zahn zu und wollte so schnell wie möglich zu diesem Pokémon. "Ive, warte!", rief ich und rannte ihr hinterher. "Katy!", rief nun der Schwarzhaarige. Er, Nachtara und Chan folgten so wiederum mir. Je weiter wir in die Omega-Höhle vordrangen, desto lauter hörte man die Stimme des rufenden Pokémon. Mittlerweile war ich mir sogar sicher, dass es ebenfalls ein UHaFnir sein musste. Nach einer scharfen Rechtskurve hatte ich das Pokémon endlich gefunden. In der Tat war es ein UHaFnir. Zudem saß auch Ive schon bei ihm. Bei genauerer Betrachtung des fremden UHaFnir viel mir auf, dass einer seiner Flügel zwischen mehreren Felsen feststeckte. Es hatte also um Hilfe gerufen. "Also echt, du könntest wenigstens mal auf uns warten!", schimpfte Kalem schwer atmend, als auch er mit Nachtara und Chan bei uns ankam. "Aber sonst hätte ich Ive aus den Augen verloren!", gab ich kleinlaut zurück und verschränkte die Arme. "Außerdem braucht dieses Pokémon unsere Hilfe.", ergänzte ich noch und deutete ihm auf den eingeklemmten Flügel des UHaFnir. Nachdem sich Kalem wieder erholt hatte, griff er in seine Tasche und holte Gluraks Ball heraus. Ich griff in meiner Tasche nach dem Ball von Lucario. "Komm raus, Glurak." "Du auch, Lucario." Daraufhin erklärten wir den Beiden die Lage. Sie waren sofort bereit, zu helfen. Zusammen räumten wir erst die kleineren Brocken beiseite, doch bei den Größeren mussten wir härtere Geschütze auffahren. "Lucario, Knochenhatz!", sagte ich. "Cario!" Sofort materialisierte er einen Knochen und versuchte mit aller Kraft einen der Felsbrocken vom Flügel zu hebeln. "Glurak, hilf Lucario.", richtete sich Kalem an sein Feuerpokémon. Mit seinen starken Klauen zog Glurak den Fels zu sich ran, um Lucario, der auf der anderen Seite des Gesteins mit seinem Knochen schob, zu unterstützen. Wenige Minuten später war so der Flügel des UHaFnir frei und unsere Pokémon total erschöpft. "Das habt ihr klasse gemacht.", lobte ich Lucario und Glurak und gab ihnen etwas zu trinken. Währenddessen versorgte Kalem den Flügel des UHaFnir, da dieser scheinbar verletzt war. "So, fertig. Du solltest ihn aber trotzdem noch eine Weile schonen.", sagte Kalem zu dem Drachenpokémon. "Hafnir!", rief es dankend. Nun wannte sich auch Ive an das fremde Pokémon. Sehr fremd schien es für sie nämlich nicht zu sein, denn augenblicklich unterhielten sich die Zwei aufgeregt miteinander und schmusten auch zusammen. "Naww, wie süß!", flüsterte ich zu Kalem. Dieser grinste. "Ja, die Beiden sind schon irgendwie niedlich zusammen. So wie es aussieht, kennen sie sich." "Haf hafnir!", rief plötzlich Ives 'Freund' und deutete uns, das wir ihm folgen sollen. Neugierig taten wir das auch und ließen uns von dem Pokémon durch die Gänge der Omega-Höhle führen. Irgendwann kamen wir in einer riesigen, unterirdischen Höhle an, in der ein ganzer Schwarm von UHaFnir und auch eF-eM lebte. Überall waren Nester. "Wow! Das muss eine ganze Kolonie sein!", sagte Kalem vollkommen begeistert. "Ist das dein Zuhause, Ive?", fragte ich mein Pokémon. Strahlend nickte sie und schwang sich sofort in die Luft. Sofort kamen einige auf sie zu. Vermutlich Freunde und Verwandte. Fröhlich begrüßten sie sie und flogen mit ihr durch den Raum. Es sah wunderschön aus, wie die Pokémon ihre Flugkünste vollführten, doch etwas stimmte mich traurig. Ive sah hier so glücklich aus. Es war eine menge Zeit und ein großes Abenteuer vergangen, seit ich sie damals zusammen mit Evoli, die heute ein Nachtara ist, gefunden hatte. Jetzt hatte sie ihre Familie und ihre Freunde wieder. Ihr Zuhause. Über die gesamte Reise hinweg hatte ich sie fest in mein Herz geschlossen. Doch ihr Platz war hier. Ich musste schmunzeln, als ich die Parallelen zwischen ihr und mir realisierte. Auch Kalem und die anderen sind zu richtigen Freunden für mich geworden, doch ich musste früher oder später auch wieder zurück nach Hause. Mit meinen Eltern. In Hoenn war der Ort, wo ich hingehörte. "Katy, ist alles in Ordnung?", fragte der Schwarzhaarige auf einmal neben mir. Jetzt viel mir auch auf, dass ich still angefangen hatte, zu weinen. Daraufhin schloss mich Kalem in eine feste Umarmung. "Was ist los?", fragte er mit einer sehr beruhigenden Stimme. Noch immer flossen einige Tränen aus meinen Augen und ich krallte mich an Kalems blauer Jacke fest. "Ich habe nur darüber nachgedacht, ob ich Ive nicht vielleicht frei lassen sollte.", schluchzte ich in sein Hemd. Zuerst schwieg er, fand aber nach einiger Zeit doch die richtigen Worte. "Naja, es kommt darauf an, was du für das Richtige hältst. Vielleicht ist das Richtige nicht immer schön, aber das musst du selbst herausfinden.", schniefend nickte ich. Ich spürte wie ein wenig Wind aufkam, indem zwei große Schwingen immer näher kamen. Nachdem ich mich aus Kalems Umarmung befreit hatte, sah ich, dass Ive vor uns gelandet war. Mit einem besorgten Blick sah sie mich an. Geknickt lächelte ich und umarmte sie. "Hey, Ive. Weißt du... wenn du willst, kannst du ruhig bei deiner Familie bleiben." H-hafnir...?", fragte sie unsicher mit einem Hauch Trauer. "Ist schon okay.", sagte ich und sah ihr ins Gesicht. "Ich werde dich ganz bestimmt einmal wieder besuchen kommen. Außerdem ist das hier dein Zuhause. Und ich weiß doch, wie sehr du wieder hierher zurück wolltest, oder?" Traurig nickte meine Freundin. "Also, möchtest du hierbleiben?", fragte ich sie. Es dauerte einen kurzen Moment, doch langsam nickte Ive. Noch einmal umarmten wir uns fest. Ich lächelte, doch gleichzeitig flossen auch die Tränen meine Wangen hinunter. "Ich wünsche dir und deiner Familie viel Glück und Frieden! Ich schwöre dir, irgendwann komme ich wieder und besuche dich!" "Uhafnir hafnir!"

~*~

"Geht's wieder?", fragte Kalem etwas besorgt, als die Omega-Höhle schon ein ganzes Stück hinter uns lag. "Ja, alles gut.", sagt ich und versuchte zu lächeln. Ich vermisste Ive jetzt schon, auch wenn klar war, dass ich sie eines Tages wiedersehen würde.
"Doch eine Sache stört mich trotzdem.", ergänzte ich und versuchte meine Tasche zu richten. "Irgendwie habe ich das Gefühl, als ob meine Tasche schwerer geworden wäre." Kalem sah mich schief an. "Als ob. Das bildest du dir bestimmt ein.", sagte er. Doch ich war mir sicher, dass etwas nicht stimmte. "Das glaube ich nicht.", sagte ich und stoppte. Ich nahm die Tasche von meiner Schulter und öffnete sie. "Also ich glaube wirklich nicht das-", Kalem brach abrupt ab, als er ebenfalls in meine Tasche schaute. Zwischen meinen Sachen lag ein Ei. Ein Ei von einem UHaFnir. "Glaubst du, das ist von Ive?", fragte ich den Schwarzhaarigen. Er zuckte mit den Schultern. "Vielleicht."

Die Suche - Kämpf um dein Leben IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt