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Ich fuhr in die Stadt, das Geschenk für Youssef war abholbereit.
Also ging ich in den Laden, holte das Päckchen ab, zahlte und ging. Ich erledigte wirklich Mädchenkram, das war nicht gelogen, ich brauchte dringend neue Unterwäsche, ich benötigte das ein oder andere Produkt aus der Drogerie und ich wollte einen neuen Termin fürs waxing machen.
Nach und nach arbeitete ich die Punkte auf meiner Liste ab. Als ich fertig war lief ich noch zu Rewe um mir etwas zu trinken holen. Ich stand vor dem Regal und konnte mich nicht entscheiden was ich nehmen sollte. Volvic mit Maracuja Kokos Geschmack oder einfach nur ein Arizona? Ich spielte mit meinem Autoschlüssel, lief auf und ab völlig vertieft in die Auswahl bis ich versehentlich mit jemandem zusammenstieß.
"Oh, Verzeihung!" Brachte ich hervor und schaute leicht genervt hoch, zudem mir gegenüber. Konnte der nicht aufpassen? Der sieht doch das ich hier hin und her laufe!
Ja, ich weiß. Ich habe mich entschuldigt. Aber das tat ich immer. Automatisch und so.
Ein großer, gutgebauter Mann stand vor mir. Markantes Gesicht, eine nahezu perfekte Nase, leichten Bart am Kinn und unglaublich helle Augen.
"Kein Ding mein Fehler" sagte er und brachte ein schiefes Lächeln hervor. Klar war es sein Fehler. Ich nickte nur und wendete mich wieder den Getränken zu. Meine Entscheidung fiel auf Arizona. Ich entnahm die Flasche aus dem Regal und lief zur Kasse.
"Ähh, Entschuldigung? Die Dame mit den langen braunen Haaren?" Erklang eine Stimme hinter mir. War es verwunderlich das ich reagierte hatte? Nein. Schließlich war ich ja gemeint.
Ich drehte mich um und erblickte den Herren von vorhin. "Ja bitte?"
"Ähh, kann es sein das dir vorhin beim Zusammenstoß was aus der Hand gefallen ist?"
Ich überlegte kurz und schaute in meine Tüten doch mir fiel nicht auf das etwas fehlte
"Ich weiß nicht, warum?"
Er hielt meinen Autoschlüssel in die Luft. "Okay das ist mein Schlüssel."
Ich lief auf ihn zu und entnahm ihm meinen Schlüssel. "Danke" murmelte ich, drehte mich um und lief zur Kasse. Ich zahlte mein Getränk und lief dann über den Parkplatz zum Auto. Anschließend verstaute ich meine Gesamten Tüten im Kofferraum und stieg ein. Ich  wollte gerade losfahren  als jemand an meiner Fensterscheibe klopfte. Ich fuhr die Scheibe runter und erblickte schon wieder den Typen von vorhin. "Ja bitte?" Fragte ich. "Ähh wie soll ich sagen, das ist mir jetzt peinlich.." Er kaute sich nervös auf die füllige Unterlippe und ich schaute ihn erwartungsvoll an.
"Beim einparken habe ich dein Auto geschrammt. Es ist zwar kein extremer Schaden aber man sieht trotzdem den Kratzer. Ich würde dir gerne meine Daten geben und dir anbieten das reparieren zu lassen bzw zu lackieren"
Auch das noch! War das nicht nur Mittel zum Zweck? Was wollte der eigentlich? "Gut, ich fotografiere deinen Ausweis ab und du lässt mir deine Nummer da" ich kramte einen kleinen Notizblock aus dem Handschuhfach und dazu einen Kulli während er seinen Ausweis raussuchte. "Führerschein reicht auch, falls du den Ausweis nicht parat haben solltest" "Aufenthaltsgenehmigung auch?" Fragte er grinsend und seine perfekten geraden Zähne kamen zum Vorschein. Versuchte er witzig zu sein? Was stimmte hier nicht?
"Führerschein oder Ausweis reicht" ich hielt ihm den Block und den Stift hin. Er entnahm mir diese und reichte mir seinen Führerschein. Ich fotografierte ab und er schrieb auf. Wir tauschten die Gegenstände wieder. Ich nickte zum Abschied und fuhr dann endlich los.
Zu Hause angekommen stieg ich sofort aus und lief um das Auto herum. Ich fand eine kleine Schramme in der Nähe des Kofferraums. Nichts dramatisches. Aber er konnte ruhig dafür aufkommen. Ich packte die Tüten aus dem Kofferraum und lief ins Haus. Ich schloss auf und rief ein "Salam" rein. Meine Eltern erwiderten und mein kleiner Bruder kam sofort angestürmt und fiel mir um meine Beine. "Langsam Hobbi, ich lege eben alles ab. Ich habe dir was mitgebracht! Schau mal" ich kramte aus einer der Tüten ein Packung raus und hielt sie ihm erwartungsvoll hin. Seine Augen wurden groß und er entnahm mir diese aus der Hand. "Ein autuu! Danke Schofia!" Ich nahm ihn grinsend auf den Arm und lief mit ihm ins Wohnzimmer. Meine Eltern saßen auf der Couch und schauten eine Marokkanische Comedyserie. Ich unterhielt mich ein wenig mit Ihnen, spielte etwas mit meinem Bruder und lief anschließend zurück zum Flur um meine Tüten ins Zimmer hochzutragen. Irgendwann kam meine Mutter hoch und fragte was ich alles gekauft hatte. Ich zeigte ihr wo ich alles mein Geld ausgegeben hatte und zeigte ihr auch das Geschenk von Youssef's Mutter. "Nein wie schön mash'allah! Die Frau muss dich echt gern haben" ich lächelte "Sie liebt mich Ma"
"Hat Youssef dir was geschenkt?"
"Ich denke die Ohrringe waren teuer genug, also ist das ein Geschenk von allen."
"Und hast du was für ihn?"
"Ja, habe was für ihn vorbereitet. Ich hoffe es gefällt ihm." Ich zeigte ihr das Fotoalbum und den Inhalt des heute abgeholten Päckchens. Sie lächelte und war der Meinung das es ihm gefallen würde. Wir unterhielten uns ein wenig und dann ging meine Mutter um meinen Bruder ins Bett zu bringen. Ich ging ins Bad und ließ die Badewanne volllaufen. Als ich mich auszog fiel mein Handy aus der Tasche und ich hob es auf. Ich sah schon auf dem Display das ich diversen Nachrichten und zwei verpasste anrufe von Youssef hatte. Ich schrieb ihm das ich zu Hause sei und nun Baden würde, danach würde ich ihn zurückrufen. Ich legte mein Handy weg und stieg in die Badewanne.

Ich wurde durch das Gebrülle meines Bruders wach. Ich setzte mich auf und starrte gedankenverloren an die wand. Wieso sind Kinder manchmal so derbe nervig? Endlich konnte ich mal ausschlafen und dann wurde ich durch lästigen Lärm geweckt. Ich warf die Decke zur Seite und lief ins Bad. Ich machte mich frisch und lief dann in die Küche. Mein kleiner Bruder saß am Tisch und wollte anscheinend mehr Ketchup auf sein Toastbrot.
Mein Bruder hatte eine auf mich eklig wirkende Vorliebe für Ketchup. Ich sah meine Mutter genervt an die sich achselzuckend dem Herd zuwendete.
"Ist der nicht um diese Zeit im Kindergarten?"
"Wir haben verschlafen" sagte sie. Sie packte die Ketchup aus dem Kühlschrank und hielt sie mir hin. Ich nahm diese entgegen und donnerte meinem Bruder Ketchup aufs Toast Brot. "Irgendwann muss der doch anfangen das nicht zu mögen! Der verdrückt unheimlich viel davon! Geh mal mit dem zum Arzt"
"Warum soll isch zum Arzt Schofia? Mir geht's gut!" Bei dem Wort "gut" zog er seinen Lippen so raus zu einer Schnute was ich total süß fand.. wenn da diese Ketchup nicht wäre. Während ich mich noch etwas mit meinem kleinen Bruder beschäftigte klingelte es an der Tür. Ich lief zum Flur und öffnete diese. Zuerst erblickte ich nur einen großen Rosenstrauß dann schob Youssef seinen Kopf zwischen den Strauß und der Tür.
Ich warf meine Augenbrauen in die Höhe. "Sind die für mich?" Fragte ich verwundert. "Geh mal zur Seite, die sind nicht für dich. Die sind für deine Mutter" er lachte und ich schaute ihn immer noch mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich trat zur Seite und ließ ihn ins Haus. "Spaß die sind für dich" sagte er mit einem schiefen Lächeln. Er hielt mir die Rosen hin und ich nahm diese in die Hand. Ich liebte Rosen, sie strahlten eine eigene Schönheit aus die ich immer wieder aufs neue bewunderte.
Ich schaute ihn lächelnd an "Danke Stinker" er bekam leicht gerötete Wangen und kramte dann ein Päckchen aus seiner Hosentasche. "Nein! Das ist Zuviel You!" Das war wirklich Zuviel! Ich konnte das nicht annehmen!
Er hielt mir das Päckchen trotzdem hin. "Komm schon Sofia, wir machen nur einmal das Abitur. Ich schenke dir danach nie wieder was!"
Ich drückte ihm den Rosenstrauß in die eine Hand und nahm das Päckchen von seiner anderen Hand. Ich öffnete es und entdeckte eine silberne Halskette mit einem verziertem Herz. Ich nahm die Kette in die Hand und betrachtete das Herz genauer, mittendrin war ein Loch, aber so geformt das man einen kleinen Schlüssel durchschieben konnte.
"Wie schön! Du hast wahrscheinlich ein Vermögen dafür hinterlegt! Meine Güte Youssef"
Er lächelte und fuhr sich nervös durch die Haare "Solange sie dir gefällt spielt der Rest keine Rolle. Soll ich sie dir um den Hals legen?" Ich nickte, nahm ihm den Strauß entgegen und übergab ihm die Kette. Ich drehte mich mit dem Rücken zu ihm, so das er meine Haare zur Seite schieben konnte und mir die Kette um den Hals band.

Ich liebte dich, ich habe dich wirklich geliebt..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt