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Am Freitag morgen, erwachte ich relativ früh. Ich lief zum Bad, duschte schnell und vollzog die Gebetswaschung. Hand aufs Herz, ich hatte wirklich sehr lange nicht mehr gebetet und meine Religion sehr vernachlässigt..

Ich ging danach ins Zimmer und zog mir ein langes Kleid an und das dazugehörige Kopftuch. Ich breitete das Gebetsteppich auf den Boden und vollzog das Gebet. Nachdem ich fertig war, hob ich meine Hände in die Luft und machte bittgebete, für Fouad und Amina, für die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Familie und schließlich für Youssef.
Völlig motiviert lief ich runter in die Küche und bereitete das Frühstück vor. Ich fuhr zum Bäcker, holte verschieden Backwaren und Brötchen, fuhr wieder zurück, legte diese auch auf den Tisch und schaltete im Wohnzimmer den Fernseher an. Nach einer Zeit wachte meine Familie auf und kam runter in die Küche. Meine Mutter staunte nicht schlecht und fragte was der Anlass dazu sei. Wie aufs Stichwort, stieß mein Bruder zu uns an den Tisch und ich zeigte unauffällig mit dem Daumen auf ihn. Sie zwinkerte mir zu und wir versuchten uns so normal wie möglich zu verhalten.
Ich hatte das Gefühl, das Sich die Zeit zum Mittagsgebet, total hinzog. Völlig ungeduldig und überpünktlich wartete ich an der Tür und rief nach meinem Vater und Fouad.
"Warum hetzt du uns so?" Fragte mein Vater genervt als er sich die Schuhe anzog.
"Ich möchte den Vortrag nicht verpassen Papa!"
"Den hast du doch sonst auch immer verpasst! Du bist ja erst gar nicht dorthin gegangen! Als wäre ein Esel gestorben" (marokkanisches Sprichwort)
Ich rollte die Augen und lief zum Auto vor. Irgendwann gesellte sich Monsieur auch zu uns und wir fuhren endlich los zur Moschee. Ich lief in den Gebetsraum für Frauen und begrüßte die, die bereits dort waren. Ich betete meine zwei Rakaa* und setzte mich danach in eine Ecke und wartete darauf das der Vortrag anfing. Irgendwann merkte ich das sich jemand neben mich setzte, als ich zur Seite blickte, sah ich Amina die mich beschämend anlächelte. Sollte ich Sie auf meinen Bruder ansprechen? Nein. Es sollte von ihr kommen.
"Ich hab dich schon lange nicht mehr hier gesehen" flüsterte sie mir leise zu
"Ja, ich habe meine Pflichten sehr vernachlässigt. Muss denen wieder nachkommen!" Antworte ich und erwiderte ihr Lächeln.
Wenn sie wüsste wie aufgeregt ich war! Mir rutschte förmlich das Herz in die Hose! Der Vortrag begann und anschließend beteten wir das Mittagsgebet. Danach lief ich mit Amina runter zum Parkplatz. Ich merkte das ihr Gesicht rot anlief als sie sah das ihr Vater dort mit Fouad und meinem Vater stand. Alle drei blickten in unsere Richtung. Als diese merkten, das wir sehr langsam liefen löste sich die kleine Versammlung und wir verabschiedeten uns schnell voneinander. Sobald ich in das Auto eingestiegen war fing ich an drauf los zu quatschen, erst schwärmte ich vom Vortrag, dann von der Stimme des Imams und dann erzählte ich von den Frauen die auch im Raum waren.
"Sofia, du machst mir Kopfschmerzen. Du bist wie eine Kassette" sagte Fouad genervt.
"Mit dir habe ich auch nicht geredet! Sondern mit Papa!" Entgegnete ich mit einem zickigen Unterton. Fouad schwieg.
"Habt ihr ein ja bekommen? Kannst du Amina heiraten?" Platzte es aus mir heraus. Mein Vater lachte leise, Fouad schwieg weiterhin.
"Hallo! Redet!"
"Ja, wir gehen morgen Hand anhalten.." Er flüsterte fast. Bekam er jetzt kalte Füße? Schisser! Ich klatschte begeistert in die Hände.
"Endlich sind wir dich los! Nicht wahr Papa?" Brachte ich lachend hervor.

Ich fuhr mit meiner Mutter in die Stadt um kleine Geschenke für Amina zu kaufen. Wir klapperten wirklich laden für laden ab, bis wir am Ende vollbepackt zum Auto liefen. Ich war wahrscheinlich noch aufgeregter als mein Bruder. Ich freute mich riesig für ihn, ich kannte Amina zudem Zeitpunkt nicht besonders gut, trotzdem vermittelte sie mir ein gutes Gefühl. Ein Gefühl das ich nur für wenige Menschen empfand.
Wir verstauten die Sachen im Kofferraum und fuhren noch zur letzten Station.
Die Konditorei.
Da alles sehr spontan und kurzfristig war, gab es keine Möglichkeit für eine ordnungsgemäße Organisation oder Planung. Also kauften wir die nächstbeste Torte die dort zur Verfügung stand und fuhren nach Hause. Dort angekommen packten meine Mutter und ich die Geschenke in zwei Körben und gestalteten diese anschließend. Mein Bruder war gemeinsam mit meinem kleinen Bruder und meinem Vater beim Friseur. Scherzend fragte ich meine Mutter wieso mein Vater sich die Haare schneiden lassen würde? Schließlich wollte ja Fouad, Amina heiraten.
Meine Mutter brauchte einen Moment um zu realisieren was ich da gerade gesagt hatte und warf mir danach einen bösen Blick zu. Irgendwann kamen die Jungs nachhause und wir liefen alle Kreuz und quer durchs Haus, weil jeder dabei war sich fertig zu machen und nach irgendwelchen banalen Sachen suchte. Außer mein kleiner Bruder, der spielte unbeschwert mit seinen Spielzeugautos und bekam von dem Trubel um ihn herum wenig mit.

19:00 Uhr.
Zurechtgemacht und mit den Presentkörben bewaffnet schlugen wir den Weg zu Amina ein. Fouad massierte sich die gesamte Fahrt über sein Knie. Ich spielte nicht eine der Hauptrollen, trotzdem war ich ebenfalls nervös. Wie das wohl sein würde wenn der Mann den ich liebte um meine Hand anhalten würde? Wem ich wohl mein Herz in die Hände drücken würde?
Nach 20 Minuten Fahrt kamen wir an. Für Fouad muss es sich wohl wie eine Ewigkeit angefühlt haben. Nachdem wir ausgestiegen waren schaute ich Fouad aufmunternd an und flüsterte ihm ein "das überlebst du schon" zu. Wir klingelten und meine Hände fingen an zu kribbeln. Wie gesagt, ich spielte keine der Hauptrollen und trotzdem war ich dabei vor Nervosität zu explodieren. Ein älterer Mann öffnete die Tür. Er war groß, auf der selben Höhe wie Fouad, jedoch sehr kräftig und trug einen Vollbart. Ich erkannte ihn von heute Mittag wieder, es war der Vater von Amina.
Zuerst musterte er Fouad ausführlich und meinen Vater dann den Rest der Bande. Nachdem Fouad ein "Salam oualaikom" hervorbrachte lächelte er und bat uns einzutreten. Sofort kam mir der süße Geruch von Tee und Keksen entgegen.
Er führte uns in das Wohnzimmer.
Dieses war traditionell eingerichtet, hatte aber einen modernen Touch. Nicht Zuviel Krims Krams, relativ schlicht aber sah nicht schlecht aus. Die Männer setzten sich an den einen Tisch und die Frauen an den anderen. Anscheinend waren auch einige Familienmitglieder dabei, denn für Geschwister erschienen Sie mir etwas zu alt. Irgendwann blickten alle erwartungsvoll in eine Richtung und ich folgte diesen Blicken. Mit einem Tablet in der Hand erschien Amina eingeschüchtert am Türrahmen. Sie hatte einen dunkelblauen Kaftan an und dazu ein Beiges Kopftuch. Sie hatte die Schminke dezent gehalten, auch wenn sie etwas rot angelaufen war strahlten ihre Augen Freude aus.
Sie stellte das Tablet auf den Tisch der Männer ab und setzte sich dann zwischen die Frauen.
Ich ließ meine Blicke nicht von ihr ab, sie müsste diese gespürt haben denn sie schaute in meine Richtung und erwiderte meinen Blick. Ich grinste sie frech an und zeigte mit dem Finger tadelnd auf sie. Sie zuckte unschuldig und völlig gerötet mit den Schultern. Ich lachte auf und setzte mich dann zu ihr um mich mit ihr zu unterhalten.
"Freust du dich?" Flüsterte ich ihr zu und sie nickte als Antwort.
"Hast du geduscht?" Fragte ich und sie schaute mich irritiert an und nickte
"Hm, du riechst ein bisschen. Meine Mutter hat eine sehr empfindliche Nase. Am besten hältst du etwas abstand zu ihr wenn du mit ihr sprichst" sagte ich und ihre Augen weiteten vor Schreck und sie schlug sich die Hand vor den Mund.
Ja, ich war gemein. Aber ich wollte die Stimmung bloß lockern. Ich musste kichern.
"Spaß alles cool, du riechst super und meine Mutter hätte auch nichts dagegen wenn du stinken würdest. Wir sind nicht hochnäsig" beruhigte ich sie und sie zog die Augenbrauen zusammen.
"Ich wäre jetzt einfach aufgestanden und wäre duschen gegangen, Hmara!*" flüsterte sie mir grinsend zu. Nach einer Zeit räusperten sich die Väter und wollten die Entscheidung verkünden. Ich sah rüber zu Fouad, der völlig beschämend neben meinem Vater saß und seine Blicke kaum hob. Aminas Vater nickte meinem Vater grinsend zu und anschließend blickte er seinen zukünftigen Schwiegersohn liebevoll an. Er nickte seiner Tochter zu die dann aufstand und zu ihrem Vater lief. Fouad und Amina küssten jeweils die Hände der Väter und anschließend die der Mütter.
Ich gab Fouad die kleine Schachtel und er öffnete diese. Er holte den schmalen Silber Ring hervor und steckte ihn zittrig an den Ringfinger von Amina.
Nun waren sie verlobt.

*hmara=Esel

Ich liebte dich, ich habe dich wirklich geliebt..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt