Ich liebte dich, ich habe dich wirklich geliebt..

17

Die Stimmung wurde lockerer, wir aßen gemeinsam und einer der Herren las irgendwann eine Koran-Sure vor. Ich schaute ab und an zu Amina rüber.
Sie sah wirklich sehr glücklich aus und begutachtete den Ring immer wieder. Sie strich über den Stein des Ringes und lächelte.
Es schien liebe zu sein und ich wünschte den beiden nur das beste.

Am nächsten Tag machte ich mich fertig und fuhr zu Youssef. Ich klingelte an der Tür und seine Mutter öffnete diese. Sie umarmte mich zur Begrüßung und bat mich reinzukommen.
"Wie geht's dir benti? Mabrouk! Es hat ja alles geklappt mit Fouad und dem Mädchen! Das freut mich unglaublich sehr!"
Ich lächelte zufrieden und erzählte ihr grob von dem Abend.
"Sag mal Khalti, wo ist Youssef schon wieder?"
Fragte ich, nachdem er sich noch nicht blicken lassen hat. Sie rollte mit den Augen und hob die Hände frustriert in die Luft.
"Seit einer Stunde! Seit einer Stunde! Steht der Junge unter der Dusche, der verbraucht Zuviel Wasser! Bald kommt noch die Nachzahlung dann darf der die Zahlen! Habe ihn so oft gewarnt! Aber er ignoriert mich immer wieder!"
Ich musste kichern, dasselbe Theater hatte ich auch mit meiner Mutter. Ich zuckte mit den Schultern und lachte, dann stand ich auf und lief hoch in sein Zimmer. Dort angekommen fand ich ihn nur mit einem Handtuch bekleidet vor. Nachdem er mich sah, blickte er verwirrt drein doch dann grinste er. "Zieh dich mal schneller um, ich will raus" sagte ich auffordernd.
"Dann geh raus damit ich mich umziehen kann!" Warf er mich lachend aus dem Zimmer.
Irgendwann kam er runter und wir verabschiedeten uns von seiner Mutter. Er steuerte geradewegs auf sein Auto zu bis ich ihn zurückhielt. Ich schüttelte den Kopf.
"Nein Youssef, wir fahren mit meinem Auto!" Ich zog ihn in die Richtung meines Wagens doch er bewegte sich nicht von der Stelle. Stattdessen hob er mich kommentarlos hoch und lief zu seinem Auto. Er öffnete die Beifahrertür, setzte mich rein und schloss den Gurt an. Wie ein kleines Kind behandelte er mich.
Er lief um den Wagen herum und stieg ein. "Ich bin der Mann, ich fahre!" Sagte er mit einem strengen Unterton.
Ich schüttelte frustriert den Kopf und schloss meine Musik fluchend an.
Wir fuhren an den See, stiegen dort aus und liefen dann durch das kleine Waldstück. Währenddessen berichtete ich ihm ohne Pause und ohne durchzuatmen, von den letzten Tagen und Ereignissen. Er gab kein Wort von sich und nickte ab und an.
Ob er mir zuhörte? Keine Ahnung.
Irgendwann schwieg ich ebenfalls und wir liefen stumm nebeneinander her.
"You, was ist los?" Brach ich die Stille zwischen uns
"Sofia, kennst du das nicht? Du bist einfach müde? Müde vom Leben? Ich habe keine Lust arbeiten zu gehen, ich habe keine Lust auf Fußball, ich habe keine Lust auf das Studium.. Ich habe irgendwie auf gar nichts Lust momentan.. Ich weiß nicht. Auch mit den Jungs rausgehen, habe ich einfach null Bock drauf" während er sprach sah er auf seine Füße.
"Youssef, wir haben seit drei, vier Monaten unser Abitur. Seitdem haben wir keinen geregelten Ablauf, sprich nicht täglich diese Stunden die wir in der Schule absitzen müssen, in Anführungsstrichen. Wir stehen auf wann wir möchten, gehen raus wenn wir wollen, arbeiten wenn wir müssen und machen dazwischen einfach nichts. Der Mensch braucht einen geregelten Ablauf sonst fängt man an, sich Gedanken über unnötigen Kram zu machen oder depressiv zu werden. Du hast jetzt eine Zusage bekommen You, du wirst in wenigen Monaten anfangen zu studieren. Du hast dein regelmäßiges Fußballtraining und deine Spiele und du gehst ab und an arbeiten. Wie viele aus unserem Jahrgang haben einen sicheren Platz in der Uni? Oder eine Ausbildungsstelle? Wenige und das weißt du" schaute ich ihn ermutigend an.
"Ja Sofia, das mag sein.. Ich weiß nicht ob das nur eine Phase ist, keine Ahnung" er fing an Steine wegzukicken.
"Malek*? Was bedrückt dich?"
"Nichts, ich habe einfach eine Null bock Phase"
"Aber die geht doch vorüber, du heulsuse" sagte ich lächelnd und hackte mich bei ihm ein. Ich kniff ihn leicht in den Oberarm.
"Ohhh der Herr hat ja total muskulöse Oberarme! Wen willst du damit beeindrucken! Du siehst sowieso nicht gut aus!" Neckte ich ihn.
Er lächelte leicht. Langsam wurde seine Stimmung etwas besser und wir setzten uns auf eine Bank mit Blick auf den See.
"Fouad liebt Amina wirklich" sagte er nach einer weile. Ich nickte zustimmend.
"Ich hoffe, nein ich gehe davon aus das die beiden glücklich werden. Du hättest die beiden sehen müssen gestern, beide völlig gerötet, haben sich total geschämt und die ganze Zeit über geschwiegen"
"Ich hab gehört das du Fouad leicht in den Wahnsinn getrieben hast"
Ich hob unschuldig die Hände in die Luft
"Ich hab gar nichts gemacht! Also ich hab ihn nicht in den Wahnsinn getrieben nur ein bisschen geärgert vielleicht" sagte ich unschuldig, Youssef lachte und kniff mich in die Wange
"Kleine Hexe"
"Was hast du die Tage gemacht? Ich hab letztens bei dir vorbeigeschaut, also bin bei dir vorbei gefahren aber dein Wagen stand nicht vor dem Haus"
"Ich war mit den Jungs unterwegs, nach dem Spielen und Freitag hab ich gearbeitet"
"Wo wart ihr denn?"
"Nur in einer Bar, haben dort etwas gechillt"
Ich nickte stumm und blickte wieder zum See.
Plötzlich vibrierte etwas.. Ich blickte Youssef fragend an und er kramte sein Handy aus der Tasche. Seine Miene wurde ernst.
"Warte mal ich muss kurz telefonieren" sagte er, stand auf und lief ein Stück eher den Anruf entgegen nahm.
Er fuchtelte etwas mit der Hand und schien sehr aggressiv zu werden. Ich konnte seine Worte jedoch nicht verstehen da er sehr leise sprach. Als er auflegte wischte er sich mit einer Hand über das Gesicht und massierte sich die Schläfe, dann kam er zurück.
"Wer war das? Und worum Ging es?" Fragte ich besorgt.
"Komm wir gehen. Ich habe noch etwas zu erledigen" sagte er ohne mich anzusehen.
"He, bist du doof? Beantworte mal meine Frage Youssef!" Er lief einfach los.
"Komm jetzt Sofia, ich habe nicht soviel Zeit!"

Wenn ich nicht soweit von zu Hause entfernt wäre, würde ich einfach zu Fuß nach Hause laufen, also musste ich ihm gezwungenermaßen hinterher. Sobald ich die Tür zugezogen hatte, fuhr er mit Vollgas los.
"Youssef fahr bitte langsamer, du machst mir Angst! Was ist überhaupt los verdammt! Kannst du mir mal antworten??"
"Alles ist gut! Ich habe nur etwas Probleme mit meinem Chef in letzter Zeit" versuchte er mich zu beruhigen. Doch ich merkte wie er sich zwang ruhig zu klingen.
"Du bist doch nicht wütend wegen einem kleinen Nebenjob! Erzähl mir keinen Müll!!"
"Doch! Das bin ich Sofia, es geht um die Abrechnungen der letzten Wochen. Einer der Mitarbeiter versucht mir Probleme zu machen! Ist ja auch egal, ich bin ungeduldig und muss sowas immer direkt klären du kennst mich. Ich fahre dich jetzt direkt nach Hause"
"Was ist mit meinem Auto??" Fragte ich
"Hole dich morgen ab"
"Eeey, Youssef das ist alles gerade sehr skurril, was ist wirklich los?"
Er schlug wütend gegen das Lenkrad
"Sofia!! Ich habe dir gesagt das es um die Abrechnungen geht!! Das bedeutet Geld verdammt!!"
Nach diesen Worten schwieg ich für den Rest der Fahrt über. Das musste und wollte ich mir wirklich nicht geben..

"Mach dir keine Sorgen Sofia" sagte er als ich Ausstieg doch ich antwortete nicht und lief ins Haus rein.

*malek= was ist los