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"Youssef ist kein Imam" entgegnete ich
"Jaaaa aber sein Onkel soll wohl ein Imam sein und hat ihn entsprechend mit in die Moschee genommen" antwortete meine Cousine
"Das klingt alles sehr merkwürdig gerade"
"Wieso das denn?"
"Ähhm.. Einfach weil ich davon ausging das Youssef nicht nach Marokko fährt??! Und das ich nicht einmal wusste das er beten kann geschweige denn in der Moschee rezitiert??"
"Wieso flippst du jetzt aus? Ist doch schön das du es überhaupt mitbekommen hast und ich denke es wird seine Gründe haben weshalb er dir nicht erzählt hat das er sich hier aufhält, Sofia. Bleib ruhig es wird sich alles aufklären"

Wie sollte ich denn, den Ball flach halten wenn ich mich gestern nichtsahnend in Youssef's Nähe befand? Sohaila steckte nicht in meiner Situation und nannte sich erst recht nicht die beste Freundin von Youssef..
Was sollte ich jetzt machen? Ihn darauf ansprechen oder darauf warten das er es mir von sich aus erzählte? Ich wusste wo sich das Haus seiner Großeltern befand, doch ich hatte keine Garantie bzw Bestätigung das er sich dort aufhielt. Vielleicht sollte ich denen einen kurzen Besuch abstatten um zu schauen ob er da ist.. Und selbst wenn ich dort vorfinden sollte.. Was dann? Was sollte ich dann machen? Sollte ich unnötig eine Szene machen? Nachher stellt sich noch heraus das es sich bei dem Ganzen um eine Verwechslung handelte..
"Mach dir keinen Kopf Sofia.." Riss mich meine Cousine aus meinen Gedanken.
Ich nickte nur stumm, öffnete schnell die Haustür als wir ankamen und lief sofort auf mein Zimmer hoch. Ich kramte das Handy aus meiner Tasche um zu schauen ob ich eine Nachricht von Youssef hatte, doch leider empfing mich ein leerer Nachrichteneingang. Ich legte mich auf den Rücken und starrte an die wand.
Warum erzählte er mir das nicht? Wieso verschweigt man so etwas überhaupt? Wieso dramatisierte ich das ganze?
Genervt drehte ich mich zur Seite und schloss meine Augen.
Ich versuchte mich etwas zu beruhigen und das banale Chaos das in mir entstand auszublenden.
Ich wollte ihn sehen.
Wie sollte ich mich normal verhalten wenn ich doch wusste, dass er hier ist?? Genervt stieß ich die Luft aus und rappelte mich hoch um den Mädels beim kochen zu helfen.
Ich gab mir große Mühe mich zu konzentrieren und den Kopf etwas frei zu bekommen - vergeblich.
"Geh den Tisch decken, da kannst du nichts falsch machen" sagte meine Mutter. Ich nickte stumm machte mich jedoch schnell aus dem Staub und wurde sofort aufgehalten.
"Yallah zieh dir was über wir gehen einkaufen" sagte mein Großvater und ein grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit. Er lachte leise in sich hinein und lief aus dem Haus.
Schnell zog ich mir eine Jelaba über und lief hinterher. Wir stiegen ins Auto und fuhren zum Carrefour.
"Ich gehe den Saft holen Opa" sagte ich und bog in die entsprechende Abteilung ab.
Ich ging das Regal durch, auf der Suche nach meiner Lieblingssaftmarke.
"Wo ist der Mist?" Fragte ich mich selbst.
Ich runzelte die Stirn und versuchte mich auf die einzelnen marken zu konzentrieren in der Hoffnung so irgendwie, irgendwas zu finden.
Frustriert schüttelte ich den Kopf.
"Tazz" sprach ich leise aus. Ich nahm eine dunkle Gestalt neben mir wahr und drehte mich reflexartig in die Richtung doch ich realisierte nicht wirklich das Gesicht und schaute wieder zurück zum Regal.
"Werde ich jetzt ignoriert?" Ertönte eine Stimme. Fragend schaute ich wieder zu der Gestalt hin und bemerkte das es Anouas war.
"Das war nicht absichtlich" sagte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Der hatte mir natürlich gerade noch gefehlt.
"Wie schön dich wiederzusehen" sagte er.
"Sorry, ich weiß nicht wie es mit dir ist aber ich faste. Dementsprechend darfst du nicht erwarten das die Freude auch meinerseits besteht" entgegnete ich kühl und wendete mich dem verdammten Saftsortiment zu.
"Al-Hamdulilah! Auch ich faste. Trotzdem heißt das nicht das ich mich nicht freuen darf dich zu sehen!?"
"Itaqillah Akhi*" ich griff zu einer Saftpackung und wendete mich Anouas zu.
"Das traditionelle Gewand steht dir" sagte er und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
"Ich muss jetzt leider gehen, wünsche dir noch einen schönen Aufenthalt und ein gesegnetes Fest! Möge Allah t. Dein fasten annehmen und dich ein wenig rechtleiten" bei dem Wort -wenig- spreizte ich den Daumen und den Zeigefinger keine zwei Zentimeter voneinander um die Menge an Rechtleitung darzustellen.
Ich lächelte ihm zum Abschied zu und lief dann schnurstracks an ihm vorbei.
Ich ging direkt zur Kasse und fand dort auch sofort meinen Großvater vor.
"Hättest du länger für deine Suche gebraucht hättest du zu Fuß nach Hause laufen können" sagte er schnaubend. Ich grinste und legte die Saftpackung aufs Fließband. Nachdem wir bezahlt hatten gingen wir zum Auto und verstauten die Einkäufe im Kofferraum. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und wartete darauf das mein Großvater ebenfalls Einstieg und endlich losfuhr, doch das geschah nicht. Genervt schaute ich aus dem Fenster um zu schauen wo er blieb und sah ihn fröhlich mit einem anderen älteren Herren quatschen.. Und ich dachte wir Frauen wären schlimm 😤

Zu Hause angekommen wurde ich mit mahnenden und genervten blicken begrüßt, aber das war mir egal. Es waren die letzten Tage dementsprechend konnte ich mir das erlauben beim anrichten nicht zu helfen.
Als wir fertig gegessen und anschließend den Tisch abgeräumt hatten lief ich wieder hoch aufs Zimmer und legte mich ins Bett um ein Buch zu lesen, gerade als ich anfangen wollte klopfte es an der Tür und mein kleiner Cousin kam rein.
"Malek Hicham?"
"Da ist so ein Junge vor der Haustür der dich sprechen möchte" sagte er
"Wer?"
"Weiß ich nicht.." Er schaute unschuldig drein und ich musste schmunzeln. Ich stand auf und lief runter zur Haustür. Bei uns ist das so, das man zwei Haustüren hat, das Haus hat eine und vor der Terrasse die hochgezogene Mauer hat auch eine und da sich keiner vor der Haustüre befand musste ich mich komplett nach draußen begeben, doch keiner in Sicht.
Wollte Hicham mir einen Streich spielen? Dafür war er gedankentechnisch viel zu jung. Ich machte auf den Absatz kehrt
"Entschuldigung ich habe mich verlaufen, natürlich aus reiner Absicht weil ich gehört habe das sich ein hübsches Mädchen auf diesen Straßen befindet" hielt mich eine Stimme auf. Youssef's stimme hielt mich auf . Ich drehte mich um und konnte meine Tränen kaum zurück halten. Dort stand er vor mir, in seiner abaya, grinsend und verdammt schön.
Als er mich weinen sah lief er erschrocken auf mich zu.
"Was ist los Sofia? Hör auf zu weinen!!" Er hob seine Arme um mich in den Arm zu nehmen doch hielt mitten in der Bewegung inne.
"Ich würde dich liebend gerne drücken Sofia aber wir werden höchstwahrscheinlich beobachtet also tu mir den Gefallen kleine stinkerin und hör- auf - zu - weinen!"
"Du bist ein kleiner idiot! Bist hier, rezitierst, antwortest nicht auf meine Nachricht und tauchst einfach hier auf! Hast du eine Ahnung wie sehr du mir gefehlt hast?"

Itaqillah= fürchte Gott*

Ich liebte dich, ich habe dich wirklich geliebt..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt