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Als ich in sein Zimmer eintrat, strich ich mir noch die letzte Träne von der Wange.
Ich trat zu ihm ans Bett und erblickte sein Gesicht. Es war überdeckt von Blutergüssen, Schürf- und Platzwunden.
Seine Augen hielt er geschlossen und seine Brust hob sich regelmäßig auf und ab.
Das er noch lebte bestätigte mir das piepen des Herzrhythmus Geräts.
Ich zog einen Stuhl heran und setzte mich zu ihm ans Bett, nahm seine Hand in meine und strich zittrig mit dem Daumen drüber.
Oh, Youssef was war bloß geschehen? Wer hatte dir das angetan?
Wieder bildete sich ein Klos in meinem Hals.
Als hätte er meine Gedanken gehört drückte er meine Hand leicht und ich blickte auf. Seine Augen waren geöffnet und er schaute mich ruhig an.
Ich hielt seinen Blick aufrecht und versuchte meine Tränen zurückzuhalten.
"Hör auf zu weinen, das sieht hässlich aus" brachte er schwer hervor. Ich lächelte und die Träne fiel von selbst. Er löste seine Hand und strich mir behutsam die Träne von der Wange. Sofort nahm ich seine Hand wieder in meine. "Sobald du hier raus bist, zieh ich bei dir ein und lasse dich nicht mehr aus den Augen, ich weiche dir nicht von der Seite! Und vielleicht mache ich zur Sicherheit einen Waffenschein" sagte ich völlig entschlossen und er lächelte schwach.
"Heirate mich" antwortete er
"Wenn das der einzige Weg ist, dann werde ich dich heiraten Insh'allah"mit gläsernen Augen küsste ich seine Hand.

Sein Zustand verbesserte sich von Woche zur Woche mehr. El-Hamdouliah!
Ich besuchte ihn täglich.
Seine Mutter und ich lösten uns gegenseitig ab, auch wenn es etwas zu bevormundend wirkte, die Angst war zu groß ihn alleine zu lassen.
Ich hatte mich nicht getraut ihn zu fragen was in jener Nacht vorgefallen war, ich wollte ihn in so einem kritischen Zustand nicht noch mehr belasten.. Aber er hatte es auch nicht von sich aus erzählt gehabt.
Natürlich brannten mir die Fragen auf der Zunge! Doch ich schwieg.

Da ich die letzten Wochen von einer Jogginghose in die nächste geschlüpft war und mein Äußeres Erscheinungsbild völlig vernachlässigt hatte, nahm ich mir vor mich heute etwas feiner anzuziehen. Doch als ich mein Spiegelbild erblickte entschied ich relativ schnell, dem Friseur einen Besuch abzustatten um nicht nur meine Haare etwas zu schneiden sondern auch um meine Augenbrauen etwas in den Griff zu bekommen.
Das sah so fürchterlich aus! Und niemand hatte mich darauf hingewiesen! Ich zog mir eine helle Khakifarbende Hose an kombiniert mit einer Champagnerfarbenden Bluse die ich vorne etwas in den Hosenbund reinsteckte, dazu kombinierte ich hellbraune Oxford Schuhe und steckte mir noch kleine Perlen Ohrringe an.
Die Schminke und die Haare würde mein Friseur übernehmen.
Ich lief runter in die Küche um mich von meinen Eltern zu verabschieden.
"Sofia hbiba" hielt mich mein Vater auf.
Ich schaute ihn erwartungsvoll an.
"Setz dich bitte" bat er mich und mir blieb nichts anderes übrig als seiner bitte nachzugehen.
"Was ist?" Fragte ich nachdem er nicht weitersprach. Er räusperte sich etwas.
"Ich weiß das du versuchst für Youssef da zu sein, doch du warst die letzten drei Wochen fast täglich bei ihm. Was ist mit deinem Job? Ramadan steht vor der Tür. Das Fasten wird dir schwer fallen wenn du ständig unterwegs bist. Wir fliegen bald benti, ich will dir nicht im Weg stehen aber du solltest anfangen dich vorzubereiten."
"Du hast die Zeit ganz vergessen hbiba" fügte meine Mutter hinzu. Ich nickte zustimmend.
"Ich weiß, aber es geht Youssef wieder besser. Er wird noch vor Ramadan inshallah entlassen und dann hab ich nicht mehr diese Fahrerei. Alles ist gut. Ich schaffe das schon"
Mein Vater legte mir die Hand auf die Schulter
"Ich weiß das du das schaffst, ich möchte nur das du auf dich aufpasst. Wir wollen nicht davon ausgehen, aber das was Youssef passiert ist kann dir auch passieren!!"
"Wieso sollte es mir auch passieren?" Ich zog die Augenbrauen in die Höhe
"Es reicht schon wenn die Leute die ihm das angetan haben, dich in seiner Nähe sehen und dich ebenfalls zur Zielscheibe machen. Wir wissen nicht was wirklich geschehen ist und was die Ursache dafür war. Wir sagen dir lediglich das du auf dich aufpassen sollst. Denn einsperren können wir dich nicht Sofia. Pass einfach auf dich auf benti" sagte meine Mutter.
"Das mag ja sein, kann auch sein. Aber du sagst selber das man nicht weiß warum und weshalb alles passiert ist. Sein Auto wurde schließlich auch nicht gefunden! Vielleicht hatte er einen Unfall! Du weißt es nicht Mama und ich auch nicht, heißt ja nicht das man ihn zusammengeschlagen hat oder das jemand hinter ihm her ist"
"Nimm es nicht auf die leichte Schulter Sofia!" Ermahnte mich mein Vater
"Tu ich doch nicht!" Verteidigte ich mich.
"Pass einfach auf. Wenn du sagst das Youssef bald entlassen wird dann kannst du ihn zu Hause besuchen."
"Jetzt übertreibst du Papa!"
"Sofia wir machen uns nur sorgen" entgegnete meine Mutter.
"Mama wir machen uns alle sorgen okay? Ich passe auf mich auf! Es wird schon nichts passieren meine Güte. Ich muss jetzt aber auch gehen, wollte noch zum Friseur." Versuchte ich sie abzuwimmeln, ich verabschiedete mich noch einmal und lief raus zum Auto.
Das Verhalten meiner Eltern war merkwürdig.
Sie wussten etwas und doch wurde es mir gegenüber verschwiegen. Natürlich versuchten sie mich zu schützen, doch ich hatte ein Recht darauf aufgeklärt zu werden!
Warum wurde so ein Geheimnis aus der scheiße gemacht? Ich bin keine zehn mehr.
Noch ehe ich mich weiter aufregen konnte, war ich beim Friseur angekommen.
Ich parkte und lief rein.
Der kleine Beautytrip tat mir wirklich sehr gut. Ich konnte mich etwas entspannen und es kehrte etwas Farbe in mein Gesicht zurück.
Ich erblickte mein Spiegelbild nachdem der Friseur fertig geworden war und nickte zufrieden. Ich zahlte und fuhr zum Krankenhaus.
Ohne zu klopfen, öffnete ich die Türe zu seinem Zimmer und lief rein.
Doch gerade als ich ihn begrüßen wollte, sah ich das er nicht alleine war.
Seine Ex-Freundin saß auf seinem Bett und hielt "besorgt" seine Hand.
"Du kannst jetzt gehen, er braucht Ruhe" begrüßte ich sie kühl. Sie zog die Augenbrauen genervt zusammen und schaute erwartungsvoll zu Youssef. Er nickte und löste seine Hand von ihrer.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und stellte mich seitlich hin, damit sie freie Sicht auf die Tür hatte und dementsprechend verschwinden konnte.
Ungeduldig tippte ich mit dem Fuß.
Ich hörte sie laut ausatmen und sie stürmte an mir vorbei.
"Tschüss Youssef, wir sehen uns noch" verabschiedete sie sich und warf ein gespieltes lachen hinterher.
Ich schmiss die Tür hinter ihr zu und drehte mich zu Youssef.
"Tschüss Youssef, wir sehen uns noch" äffte ich sie nach. Doch er schaute bloß verlegen zur Seite.
"Was sollte das?" Fragte ich genervt
"Was soll was?"
"Der Unsinn gerade, Ihr seid schon seit über einem Jahr auseinander und kaum passiert dir etwas, meint sie hier auftauchen zu müssen? Und dieses komische Händchen halten? Dreht ihr jetzt euren eigenen indischen Film hier?" Ich warf frustriert die Hände in die Luft.
"Sofia bleib locker, sie hat meine Hand gehalten und nicht ich, ihre" verteidigte er sich.
"Und irgendwann hängen ihre Lippen an deinen und dann wirst du mir sagen das sie dich geküsst hat und nicht du sie?" Hand aufs Herz, ja ich war leicht eifersüchtig.
Er öffnete seine Arme und deutete mir zu sich zu kommen. Doch ich blieb stur stehen und verschränkte wieder die Arme vor der Brust.
Er ließ seine Hände sinken und warf die Bettdecke zur Seite, richtete sich auf und kam mit langsamen Schritten auf mich zu.
Zum Glück war sein Knie nur angebrochen und nicht durchgebrochen. Dadurch konnte der Heilungsprozess etwas beschleunigt werden und er hatte keine Schwierigkeiten beim gehen.
Um ihn zu ärgern ging ich bei jedem Schritt den er auf mich zu kam, einen Schritt zurück.
Irgendwann wurde ich von der Wand gebremst und hatte somit keine Möglichkeit mehr auszuweichen. Lachend schloss er mich in eine Umarmung.
Ich gab irgendwann nach, legte meine Arme um seinen Hals und schaute zu ihm hoch. Er erwiderte lächelnd meinen Blick.
"Kommt es mir nur so vor oder bist du etwas geschrumpft?" Fragte er mit einem provozierenden grinsen.
"Kommt es mir nur so vor, oder bist du leicht hässlich geworden?" Erwiderte ich frech und er biss mir in die Wange.

Ich liebte dich, ich habe dich wirklich geliebt..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt