Ich rannte zu Jojen, der mich wohl schon zu erwarten schien. Seinem besorgten Blick konnte ich ansehen, dass er wohl schon Bescheid wusste, er hatte die Leute wohl schon gesehen, die sich bereit machten und hatte die Anspannung von uns allen gespürt. Panisch blieb ich vor ihm stehen und warf mich in seine Arme, während sich die Tränen ihren Weg über meine Wange suchten und mein Körper in einer Welle von Trauer bebte. Ich konnte ihn nicht allein hier lassen, das würde ich einfach nicht verkraften. Warum musste Stannis denn nur Königsmund angreifen? Das war einfach nur so gemein, dass mein Leben, mein perfektes Leben, einfach nicht so perfekt weitergehen konnte. Würde er überhaupt irgendwann nachreisen dürfen? Oder war das hier der endgültige Abschied? „Jojen, bitte hilf mir, mich irgendwie zu verstecken. Ich kann die Tyrells einfach nicht begleiten, ich kann dich einfach nicht verlassen. Bitte, lass mich nicht gehen!", schluchzte ich, während ich meinen Kopf an seine Brust gelehnt hatte und er über ihn strich, um mich zu beruhigen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz zerreißen würde, da ich nicht die Liebe meines Lebens verlassen konnte, das würde meine Psyche nicht mitmachen. „Lealy, ganz ruhig. Ich habe dir versprochen, dass wir immer zusammen bleiben werden. Hast du das etwa vergessen? Ich breche niemals ein Versprechen!" Ich sah zu ihm nach oben, jede auch nur so winzige Bewegung war, als würde ich zerbrechen. Durch meinen verschwommenen Blick suchte ich seine braunen Augen und fokussierte mich auf ihn. „Nein, aber Jojen, selbst, wenn die dich die Tyrells mitnehmen, die Baratheons werden es niemals akzeptieren. Vor allem, weil du bei Ned Stark, dem Verräter gelebt hast, werden sie dich verachten, genau so wie mich." „Wer hat denn gesagt, dass sie Jojen Reed hineinlassen müssen?", fragte er mich. Was meinte er denn nur damit? Ich hatte nicht den blassesten Schimmer. Jojen griff nach meiner Hand und zog mich zu der Bank, an der er mir das mit der Taube gezeigt hatte, als ich erfahren hatte, dass er ein Warg war, der in Tiere schlüpfen konnte. Winter, mein Schattenwolf, hatte sich zu meinen Füßen gelegt, sie bemerkte, dass ich mich nicht gut fühlte und ihre Anwesenheit einfach dringend brauchte. „Jojen, wenn du wieder eine Taube wirst, werden sie dich schießen, um dich zu verspeisen, das kannst du nicht riskieren." Jojen holte sich ein Stück Fleisch aus der Jackentasche und hielt es Winter hin, die es gleich begierig fraß. Natürlich! Das war die Lösung! „Jojen, ich liebe dich! Du wirst mitkommen, du kannst es wirklich schaffen. Wir sind gerettet ... Oh mein Gott ...", stammelte ich, da ich mich einfach so sehr freute, dass ich Luftsprünge machen könnte. Es war zwar nicht das Gleiche, wenn Jojen mich in meinem Schattenwolf begleiten würde, doch er würde immer an meiner Seite sein können und es würde auch niemandem auffallen, wenn er sich mal an mich kuscheln würde, da es ja sozusagen mein Haustier war. Es war, als hätte man mit dieser Erkenntnis mein bröckelndes Herz wieder zusammengeflickt, es war alles wieder gut. Ich zitterte wie Espenlaub, da ich es kaum wahrhaben konnte, dass ich ihn nicht verlassen musste. „Ich beeile mich lieber, bevor sie kommen, um mit dir loszuziehen. Ich liebe dich, Laely!" Jojen legte seine weichen Lippen auf meine und küsste mich so voller Gefühle, als wäre es das letzte Mal, was es in diesem Sinn ja auch für eine ganze Weile war. Ich versuchte mir diese Szene gut einzuprägen, damit ich sie immer wieder abrufen konnte, wenn ich sie brauchte. Doch mit Jojen als Schattenwolf konnte man sicherlich auch ganz schön kuscheln. „Es ist Zeit", murmelte Jojen, als ich mich widerwillig von ihm löste. Jojen griff nach meiner Hand und verschränkte seine Finger mit meinen, bevor er die Augen schloss und anfing, sich zu konzentrieren. Ich hatte das Gefühl, dass er mir die Hand zerquetschen würde, Winter zu meinen Füßen fing an, zu strampeln. Zum Glück fühlte sie keinerlei Schmerz, es war nur so, als würde sie lange Zeit schlafen. Jojens Iris färbte sich weiß, sein ganzes Auge wurde rein weiß, bis sich die Augenlider schlossen und er über mich kippte, als er das Bewusstsein verlor. Ich strich ihm ein letztes Mal durch sein Haar und sog seinen vertrauten Duft ein, den ich so lange nicht einatmen könnte. „Lealy Schnee, mir wurde von Margaery Tyrell beauftragt, Sie und ihren Schattenwolf aufzusuchen und Sie zu ihrem Pferd zu geleiten", sagte einer der Gefolgsleute der Tyrells, als er mich erblickte. Bei Jojens Anblick riss er erschrocken die Augen auf. „Was ist mit dem Jungen passiert?" „Er ist ohnmächtig geworden. Bringen Sie ihn bitte in den Krankentrakt, ich werde mich unverzüglich zu den anderen begeben." Er nickte mir zu, trat einige Schritte auf Jojen zu und hob ihn hoch, als wäre er federleicht. Mit einem Kloß im Hals und Schmerz in meinem Herzen sah ich ihm nach, wie er ihn davontrug. Auf einmal winselte etwas, mein Schattenwolf, in dem Jojen nun war. Ich erkannte sofort, dass er es war, denn solch einen Blick hatte Winter nie gehabt. Ich konnte in seinen Augen sehen, dass er mich liebte und dass er mir zur Seite stehen würde. Das gab mir die Kraft, aufzustehen und zu den anderen zu laufen. Jojen tapste direkt neben mir her, er lief so nahe bei mir, dass er mich beinahe umschmiss. Konnte ich nur hoffen, dass Margaery nicht merkte, dass er sich völlig anders verhielt, als es Winter tat. Doch das würde sicherlich kein Problem werden, ich musste einfach sagen, dass sie meine Anspannung spürte, denn jeder wusste, was für ein gutes Verhältnis ich zu meinem Schattenwolf hatte. „Lealy, da bist du ja endlich!" Margaery kam auf mich zugerannt und schloss mich in die Arme. „Es tut mir so leid wegen Jojen, aber du wirst ihn wiedersehen, darauf gebe ich dir mein Wort. Wir werden ihn so schnell wie möglich nach Königsmund kommen lassen, keine Sorge. Ich weiß, wie sehr du ihn liebst." Sie löste sich wieder aus der Umarmung und beugte sich zu Winter/Jojen hinunter, um ihm übers Fell zu streichen, er sah ihr in die Augen und fing an, mit den Schwanz zu wedeln, wie es Winter immer tat. Margaery schien keinen Unterschied zu merken, doch in diesen Sekunden blieb mir vor Angst fast das Herz stehen, da ich nicht wusste, ob sie es bemerken würde. „Komm, lass uns gehen. Es ist eine lange Reise und wir müssen vor Stannis eintreffen. Loras hat noch einmal alles überprüft, alle wichtigen Leute, die wir mitnehmen sind bereit zur Abreise." Und Jojen ist etwa nicht wichtig? Ich warf Jojen einen Blick zu, er sah mich genervt an, anscheinend dachte er das, was ich auch gerade dachte. Zum Glück wusste niemand, dass er ein Warg war, es durfte auch niemand erfahren, dass er uns begleitete, denn das wäre sonst unser Ende.
DU LIEST GERADE
Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)
FantasyLealy Schnee ist ein Bastard, der in Winterfell lebt, bis sie, zusammen mit dem verpönten Jungen Jojen Reed, nach Rosengarten verfrachtet wird. In Rosengarten sind alle in voller Aufruhr wegen einer bevorstehenden Hochzeit, die in die Geschichte ein...