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Jojen und ich liefen gemeinsam durch die Straßen und kleinen Gassen von Rosengarten. Es war perfektes Wetter und das steigerte meine Laune noch mehr. Wir hatten uns anfangs fast nichts zu erzählen, wir sahen uns einfach gegenseitig in die Augen und hielten Händchen, das konnte mehr ausdrücken als tausend Worte und wir beide waren uns über die Gefühle des jeweils anderen im Klaren. Was könnte es denn besseres geben? Ich wusste in Moment wirklich nichts. Selbst mein Lehrer, der mir die wichtigsten Sachen, wie Lesen von Gedichten, Schreiben von Texten und einige Rechnungen beibrachte, hatte mir heute morgen nach guter Mitarbeit für den Nachmittag frei gegeben, was bedeutete, Jojen und ich konnten uns so viel Zeit lassen, wie wir wollten. „Was ist eigentlich mit Margaery los? Sie wirkt seit einigen Tagen geistig abwesend!" Ich sah Jojen verwirrt an, da ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wovon er da gerade faselte. „Jojen, Margaery verhält sich doch so wie immer, ich merke da gar keinen Unterschied", sagte ich und bog in eine Seitenstraße ein, die zum schönen Garten mit seinen prächtigen Blumen und Sträuchern führte. Als ich hier neu war, hatte ich hier viele Stunden verbracht, da mich dort niemand ansprach, ich mich aber dennoch nicht allein fühlte, da die Natur um mich war. Mit ihr, besonders aber mit Tieren, fühlte ich mich sehr verbunden. Die Kieselsteine knirschten unter meinen Sandalen, die ich anhatte. Es war ziemlich holprig und man musste vorsichtig sein, damit man nicht umkippte. „Orlena? Tyrell hat irgendwelche Pläne mit ihr, das habe ich in der letzten Zeit mitbekommen. Sie haben viel besprochen, da sie wohl vorhat, Margaery zu verheiraten. Es soll wohl schon ziemlich bald stattfinden. Der Mann hat wohl irgendetwas mit dem König zu tun, mehr habe ich noch nicht herausfinden können." Ich war total erstaunt über seine Worte, dass er so gut über dieses Thema Bescheid wusste, denn ich hatte noch nicht mal ansatzweise davon etwas gehört. Woher wusste Jojen das und wie hatte er das herausgefunden? Er war die letzte Zeit immer bei mir gewesen, somit hatte er gar keine Zeit gehabt, die Gespräche zu belauschen, die meistens auch spätabends stattfanden, wenn wir beide uns schon schlafen gelegt hatten. Das war einfach zu merkwürdig. „Jojen, ich glaube echt, du hast eine besondere Begabung, das alles mitzubekommen. Ich bin ahnungslos und du könntest beinahe ein Buch darüber verfassen. Dass du besonders bist, ist ja klar, aber so sehr ..." Jojen lächelte mich voller Liebe an und zog mich hinter sich her, bis an einen Platz, an dem wir ungestört waren. Weit und breit war keine Menschenseele um uns, lediglich ein paar Vögel, die fröhlich zwitscherten. „Es gibt etwas, dass du wissen musst, Lealy. Es ist schon einige Zeit so, doch bevor ich mir nicht sicher war, wollte ich dich nicht unnötig beunruhigen. Sonst hätte es sein können, dass ..." Er stoppte mitten im Satz und tat so, als hätte er gar nichts gesagt. Was war denn nur auf einmal mit ihm los? Er wirkte so angespannt, was ich von ihm in meiner Anwesenheit gar nicht gewohnt war. Verheimlichte er mir etwas? „Du vertraust mir doch oder?" Er sah mich ernst an. „Natürlich, ich liebe dich und vertraue mir dein Leben an, aber bitte Jojen, sag mir einfach, was los ist!", sagte ich und wippte nervös mit meinem Bein auf und ab. Ich hasste es, die Unwissende zu sein. Ich war neugierig und wollte über alles informiert sein, das war einfach mein Charakter. „Du weißt sicherlich, dass manche mich für verrückt halten, da ich eine besondere Beziehung zu Tieren habe. Es gehen Gerüchte um, dass ich nicht ganz normal bin- und so ist es auch. Sieh mir bitte einfach zu, Lealy!" Jojen schloss die Augen und ich konnte sehen, dass er sich konzentrierte. Sehr konzentrierte. Er fing an zu zittern, als würde ein Schüttelfrost ihn packen. Es wurde immer schlimmer, er wurde  immer bleicher. „Jojen!", rief ich panisch und packte ihn an den Schultern. Ich schüttelte ihn und flehte, dass er doch bitte wieder die Augen öffnen möge, doch nichts geschah. Genau in der Sekunde, in der meine Angst mich zu übermannen drohte und ich um Hilfe schreien wollte, war er auf einmal still und friedlich, als würde er nur kurz eine Runde schlafen. Was sollte ich denn nun davon halten? War bei ihm alles in Ordnung? Ich hatte solche Angst um ihn. Über mir fing ein Vogel an, laut zu zwitschern, doch ich beachtete ihn kaum, da ich immer noch voller Angst Jojen ansah. Der Vogel zwitscherte wieder, dieses Mal lauter, als wollte er unbedingt, dass ich auf ihn aufmerksam wurde. Na schön! Ich legte meinen Kopf in den Nacken und sah die weiße Taube an, die über meinem Kopf auf einem Ast saß und mich aus ihren Augen inspizierte. Was war das denn nur für ein komischer Vogel? Er war total beängstigend, das war doch nicht mehr normal. Schnell legte ich Jojen wieder meine Hand auf die Wange und tätschelte sie leicht, um zu sehen, ob er reagierte, doch nichts. Keinerlei Reaktion. Die Taube flog nun geschwind von ihrem Ast hinunter und setzte sich bei mir auf die Schulter. Dabei sah sie mich immer noch an, total seltsam, einfach nicht wie ein Tier. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, dass der Vogel mich erkennen würde, doch das war ausgeschlossen. Nun machte die Taube noch ein paar weitere Schritte auf mich zu und schmiegte sich an meine Wange. Das war ja total komisch, ich wusste gar nicht, ob diese Taube irgendwelche Krankheiten hatte. Sanft schob ich sie ein Stück von mir weg. Die Taube flog nun los und auf Jojens Schulter. Sie setzte sich auf seinen Kopf, hüpfte dann auf den Boden und fing an, irgendetwas in den Boden zu scharren. Es war ... ein Herz. Ich konnte es kaum glauben, doch als sich die Taube wieder auf Jojens Kopf setzte, war mir klar, was sie mir mitteilen wollte. Das war doch unmöglich! Es war Zauberei! Jojen war doch tatsächlich in der Taube, seine Seele hatte seinen Körper verlassen und war nun in der Taube. Das erklärte alles, warum andere dachten, dass er anders war und warum er so ein besonderes Verhältnis zu Tieren hatte. Jojen hatte die Magie, in andere Tiere zu wechseln. Während ich noch erstaunt war, flog der weiße Vogel panisch weg und Jojen regte sich neben mir. Er tastete nach meiner Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Ich war so erleichtert, dass es ihm ging. Mein schnell schlagendes Herz versicherte mir, dass ich ihn bedingungslos liebte, auch mit seiner Begabung. „Du hast mir einen solchen Schreck eingejagt. Ich dachte schon, dass du ohnmächtig wärst oder noch schlimmer." Jojen strich mir eine blonde Strähne aus der Stirn. „Ich würde dich niemals verlassen!"

Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt