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„Dieser Junge ist zum Wehrdienst eingeteilt worden, da kann man sich nicht davor drücken, außer er wäre durch Verletzungen nicht in der Lage, was hier nicht der Fall ist. Also werden wir jetzt gehen!" Er zog Jojen ein paar Meter mit sich, in dem Moment, als ich, wohl von einem Kumpanen des Mannes, in Richtung Burg geschleift wurde. Hilfe! Ich konnte nichts machen, um mich zu wehren! Ich musste mich wie ein Hund an der Leine von diesem Mann mitschleifen lassen, zu meiner eigenen Sicherheit. Normalerweise hätte ich mich über so etwas total glücklich geschätzt, doch in diesem Fall bedeutete es, dass Jojen in die Schlacht zog. Er war Stannis' Armee völlig hilflos ausgeliefert und ich konnte nichts, einfach gar nichts dagegen tun. Der Knoten, der sich in meinem Magen gebildet hatte, war gigantisch. Es war zum Verzweifeln.

Da ich wusste, dass es nichts brachte, wenn ich mich wehrte, ließ ich zu, dass er mich in die Burg führte, inmitten das Getümmel all der Menschen, die hier Schutz suchten. Ich wurde in den besten Keller geführt, in dem alle aus der königlichen Familie und deren Gäste aus Rosengarten untergebracht waren, Königinmutter Cersei, Sansa Stark, Margaery Tyrell, aber auch Lea. Bei ihrem Anblick wurde mir etwas leichter ums Herz, ich konnte nicht sagen, wieso, doch die Tatsache, dass sie hier war, beruhigte mich. Ich hatte das Gefühl bekommen, dass Jojen es schaffen würde. Er war so klug, sich so gut wie möglich zurückzuziehen und nicht in die Offensive zu gehen. Ich hoffte, dass er nicht morden musste, was wohl nur unvermeidlich war. Er hatte so eine sanfte Persönlichkeit, dass es ihn schwer treffen würde, wenn jemand durch seine Hand den Tod finden würde, auch, wenn es nur reine Notwehr gegenüber eines Feindes war. Er hatte eine zu reine Seele für diese Welt, das würde ihn auf Ewig mitnehmen. Wenn er überhaupt überlebte ...! Ich stand hier in diesem kalten Raum voller Menschen, während er draußen war, in Gefahr. Er war in Lebensgefahr. Alles fing sich an, um mich zu drehen, schneller und immer schneller, die Wände schienen sich auf sich zuzubewegen, sodass sie mich beinahe zu zerquetschen drohten. Meine Beine hielten mein Gewicht nicht mehr, ich spürte, wie ich langsam in mir selbst zusammenklappte. Jojen! War das so etwas wie eine Paninattacke, die ich hier gerade hatte? Anders konnte ich mir das nicht erklären. „Setz dich, Lealy, ganz ruhig. Es geht ihm gut, ich spüre es." Lea stand hinter mir, legte mir ihren Arm auf den Rücken und half mir ganz langsam dabei, mich auf den Boden zu setzen. Dies alles bemerkte ich allerdings nur wie aus weiter Ferne, wie als würde ein Schleier über mir liegen, damit ich alles nur verschwommen erkennen konnte. Er war da draußen, in der Masse kämpfender Männer, inmitten von sich schwingenden Schwertern, rollenden Köpfen, spritzendem Blut, zerstückelten Leichen. Panik, ich hatte solche Panik, dass ihm etwas geschehen könnte. Ich liebte ihn so sehr. Ohne ihn wäre ich nur eine leere Hülle eines Menschen, ohne Perspektive, ohne eine Zukunft vor sich, meine Seele würde ihren Weg aus meinem Körper finden und zusammen mit Jojens Seele im Himmel leben. Ich durfte so nicht denken, ich musste an ihn ihn glauben, er konnte sich wehren und kämpfen- warum musste ich mich immer so runterziehen lassen? „Lealy, du hörst mir jetzt zu. Das, was ich dir jetzt erzähle, habe ich noch nie jemandem erzählt und ich würde es dir jetzt auch nicht erzählen, wenn du nicht kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehen würdest", sprach Lea und ließ sich neben mir auf dem Boden nieder. Ihre braunen Haare verdeckten eine Hälfte ihres Gesichtes und deswegen fiel es mir schwer, zu erkennen, ob sie das Gesagte ernst meinte oder sich einen Scherz auf meine Kosten erlaubte- was in der momentanen Situation ziemlich unangebracht wäre. „Ich weiß, dass Jojen ein Warg ist, dass er in andere Tiere schlüpfen kann und ich weiß, dass er einige Zeit in Winter war. Das hat mir niemand zugeflüstert, ich habe es gespürt, es ist wohl so etwas wie eine Gabe. Also glaube mir, wenn ich dir sage, dass es ihm gut geht und er nur Angst vor dem Bevorstehenden hat. Wenn etwas mit ihm passieren sollte, auch nur die geringste Änderung, werde ich es dich wissen lassen, das verspreche ich, so wahr ich Lea heiße. Du kannst mir vertrauen und du kannst ihm vertrauen, dass er das schafft. Er ist stark, lässt sich nicht leicht unterkriegen und deswegen wird er auch aus der Schlacht unbeschadet zurückkehren." „Danke", wisperte ich, das war das Einzige, wozu ich momentan in der Lage war, zu sagen. Mein Puls hatte sich einigermaßen wieder beruhigt. Auch wenn ich normalerweise nicht an solche Geschichten glaubte, von Lea ging diese tiefe Überzeugung aus, die sich auch auf mich abfärbte. Sie hatte es tatsächlich geschafft, mich zu beruhigen. Und sie war auch nicht ein ganz normaler Mensch, das erklärte auch das ganze merkwürdige Verhalten vom Anfang. Ein lauter Knall durschnitt die Luft, ließ alle Menschen in diesem Keller hier zusammenzucken. Die Bombe war hochgegangen. Der Krieg hatte begonnen. Und Jojen war mittendrin. Ich lehnte meinen Kopf an die Wand, sie war hart, genau wie die Realität. Um mich herum wurde kaum etwas gesprochen, hier hatte jeder Angst, denn es war jemand da draußen, den er liebte. „Lass uns bitte über etwas sprechen, ich drehe sonst noch durch", wandte sich Lea an mich. Ich verstand sie vollkommen, ich war auch kurz vor dem Verrücktwerden. „Wie findest du das Essen hier in Königsmund?", fragte ich sie also, da mir nichts Besseres einfiel. Ich musste mich ablenken, dringend, denn sonst würde meine Angst trotz Leas Hilfe ins Unermessliche steigen. „Ich liebe das Essen hier. Viel besser als in Rosengarten, aber sage das bitte Margaery nicht, sonst bin ich bei ihr untendurch", sagte sie und fing leicht an, zu lächeln. „Versprochen." Ich musste auch leicht anfangen, zu grinsen, einfach weil es eine so konfuse Situation war, jetzt über Essen zu reden. Doch es half, das war die Hauptsache. In Lea hatte ich vielleicht wirklich jemandem gefunden, der mich verstand, außer Jojen natürlich, aber er war ja ein Mann. Margaerys und meine Ansichten waren ja öfter total unterschiedlich, doch Lea hatte einfach eine positive Ausstrahlung. Und sie konnte mir sagen, dass es Jojen gut ging. Sie war momentan sozusagen mein Anker zu ihm.

Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt