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„Bringen Sie dem König und der Königin den Wein!", forderte man Tyrion Lennister dazu auf, wie ein Diener den Wein zu holen und ihn Margaery und Joffrey zu servieren. Was hatten sie denn heute alle gegen ihn? Erst dieses Spektakel, bei dem er schon fast im Erdboden versunken war und bei dem sich alle lustig gemacht hatten und nun sollte er auch noch einen auf Diener machen und den Wein überreichen. Konnte denn nicht irgendjemand etwas dagegen unternehmen? Doch, meiner Meinung nach, bekam das niemand so wirklich mit, jeder war in seinen eigenen Gesprächen vertieft, niemand achtete wirklich auf den Halbmann, außer natürlich König Joffrey, der sich lachend die Hände rieb und es kaum erwarten konnte, dass sich sein Onkel endlich zum Affen machte. Margaery, die Königin und meine Freundin, schien nicht wirklich begeistert von der Sache zu sein, doch mit dem Gedanken zu spielen, einzugreifen, schien sie auch nicht. Dann hoffte ich mal, dass sie in nächster Zeit mehr einschreiten würde, denn sonst würden wir alle unter diesem Tyrannen zu Grunde gehen. Sansa Stark, die hier mit Tyrion war, hatte auch nichts zu melden, sie war rot im Gesicht, ob vor Scham oder Wut wusste ich nicht. Zum Glück saß ich hier ein ganzes Stück entfernt, ich wollte in diese Angelegenheiten nicht verstrickt sein. Tyrion tat wie ihm geheißen, er lief los und kam nach etwa einer Minute wieder mit einem Kelch voller Wein zurück. Er hielt eine Sekude inne, als müsste er sich erst wieder sammeln, damit er nichts Unangemessenes tat, trat dann aber schließlich auf den König zu und reichte ihm den Kelch. „Vielen Dank, Onkel. Jetzt hätte ich noch gerne das erste Stück des Kuchens, damit ich beides gleichzeitig zu mir nehmen kann. Somit wird die Feier des Tages eröffnet werden und es wird bis tief in die Nacht gefeiert." Tyrion nickte ihm ehrfürchtig zu und machte sich schnell auf den Weg, das Stück Kuchen zu holen, während die Gespräche um mich allmählich verstummten. Sie wollten den wichtigsten Moment des Tages nicht verpassen, der Moment, in dem die Feier der Hochzeit eröffnet wurde. Tyrion kam nun wieder sehr schnell zurück und reichte ihm wieder sehr ehrfürchtig das Stück und zog sich dann auf seinen Platz neben Sansa zurück. Jojen griff nach meiner Hand, als sich alle Gäste erhoben, um dem neuen Königspaar Beifall zu klatschen. Ich verschränkte meine Finger mit Jojens, während ich nur Augen für ihn hatte. Joffrey fing zwar an, seine Rede zu halten, doch ich schaltete auf Durchzug und konzentrierte mich einfach nur auf seine braunen Augen, somit war ich vollkommen zufrieden, etwas anderes brauchte ich nicht. Somit brachte ich die Zeit, in der er redete, ziemlich schnell hinter mich, indem ich mich wesentlich wichtigeren Sachen widmete. Ich meine, wer Joffrey Jojen vorzog, war doch vollkommen blöd und nicht mehr ganz zurechnungsfähig. „So lasst uns gemeinsam speisen!", beendete Joffrey seine Rede und hob die Gabel mit dem ersten Stück Kuchen darauf hoch. Wir klatschten alle Beifall, als er sich das Stück in den Mund schon und danach einen Schluck des Weines trank. Nun war die Feier offiziell im Gange. Hoffentlich hielt der König jetzt erst einmal für die nächste Zeit seine Klappe und genoss einfach den Kuchen, wie ich es auch tun würde. Ich fing auch an, das erste Stück Kuchen zu mümmeln, während um mich herum die Gespräche wieder aufgenommen wurden. Es wurde ganz nett geplaudert, allerdings nur einige Sekunden, als Margaerys Schrei die Luft durchschnitt. Panisch griff ich als ersten Reflex nach Jojens Hand, um mich zu versichern, dass er in Sicherheit war, bevor ich meinen Blick hob und zu Margaery blickte. Eine ganze Menge Leute stürmten schon auf sie zu- wobei, besser gesagt, stürmten sie auf den König Joffrey zu, dessen Anblick mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich zerquetschte Jojens Hand fast, solch eine Gänsehaut bekam ich bei seinem Anblick. Joffrey war auf dem Boden zusammengebrochen, seine Haut war leichenblass und hatte eine gelbliche Färbung angenommen, dazu konnte man seine Adern sehen, die grün schimmernd hervortraten und stark pulsierten. Joffrey zuckte wie ein sich windender Aal, doch niemand konnte ihm wirklich helfen. Margaerys Augen waren tränennass und sie zitterte wie Espenlaub. Doch Joffreys Zustand verschlimmerte sich noch mehr. Mittlerweile wurden seine Augen ganz gelb, sie schienen fast aus den Augenhöhlen zu quellen und es lief ihm aus den Augenwinkeln das Blut. Es floss und floss und hörte nicht mehr auf, während er Geräusche von sich gab, die durch Mark und Bein gingen. Das Blut sickerte nun auch noch aus seiner Nase und seinen Ohren, über sein Gesicht bis auf den Boden. Ich konnte das nicht länger mit ansehen, das war einfach viel zu grausam.  Ich hasst ihn zwar auf den Tod und hatte mir insgeheim immer gewünscht, dass er bald das Zeitliche segnen würde, doch so etwas wirklich mitzubekommen, war einfach so verstörend, dass man es nicht in Worte fassen konnte. Er war gerade am Sterben, man konnte das sogar schon krepieren nennen und niemand, wirklich niemand, half ihm. Es war alles verloren, selbst seine Mutter kniete nur verzweifelt neben ihm, ohne sich zu rühren. Es brachte nichts. Niemand konnte etwas für ihn tun. Wer hatte das denn getan? Wieso starb er denn jetzt? Was war passiert, dass es genau jetzt passierte? Die Torte und der Wein. Irgendetwas daran musste faul sein, doch wer traute sich denn, etwas zu tun? Ich wusste zwar nicht, wer es war, doch demjenigen konnte ich versichern, dass er getötet werden würde, wenn das rauskam. Was war nun mit Margaery? War sie denn überhaupt noch Königin? Es musste doch der blanke Horror sein, wenn der eigene Ehemann am Hochzeitstag vergiftet wurde. War nun Tommen der König? Wie würde alles in Zukunft weiterlaufen? Wie viel Zeit blieb Joffrey noch? Joffreys Geräusche wurden nun wieder lauter, er hob zitternd den Finger an, als wollte er auf irgendjemanden zeigen. Er zeigte auf mich. Als er schließlich den letzten Atemzug machte, wurde mir klar, dass das soeben mein Todesurteil war.

Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt