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Einige Tage dauerte der Kampf an, Tage und Nächte, die ich in der völligen Dunkelheit verbrachte, zitternd vor Angst um Jojen. Lea stand mir die meiste Zeit bei, außer wenn sie natürlich schlafen musste. Es war einfach nur grausam, ich dachte, dass die Tage, an denen ich ihn nicht sehen konnte oder die Angst, als ich seinen Körper gesehen hatte, der kurz davor war, verbrannt zu werden, schon so schlimm waren, dass es nicht mehr schlimmer ging, doch die Zeit jetzt übertraf alles. Wir, in diesem Bunker, bekamen nicht viel zu essen, denn es musste alles rationiert werden, da niemand wusste, wie lange der Kampf noch andauern würde, doch selbst die kleinen Mengen, die ich bekam, rührte ich so gut wie nicht an. Lediglich durch die aufmunternden Worte von Lea, dass sie spürte, dass es Jojen gut ging und ich ihm auch nicht helfen würde, wenn ich nichts essen würde, brachten mich dazu, ein paar Brocken zu schlucken. Die Atmosphäre wurde von Stunde zu Stunde angespannter, man konnte es förmlich spüren, wie sich Aggressionen anstauten, die beinahe eskalierten, dass das nicht geschah, glich beinahe einem Wunder. Ich saß gerade an die Wand gelehnt da, während ich vor mich hinvegetierte und wartete darauf, dass die Zeit verstrich. Es kam mir so vor, als würde jede Minute mehrere Stunden dauern, wenn ich mit Jojen einfach glücklich war, kamen mir Stunden wie Sekunden vor, warum konnte das nicht einfach jetzt der Fall sein? Wieso musste ich hier im geschützten Bunker sitzen, während abertausende Männer, darunter mein Freund, da draußen ihr Leben riskierten? Es war einfach nicht fair, doch was konnte ich schon dagegen ausrichten? Gar nichts! Ich konnte nur warten und hoffen, dass alles gut lief. Auf einmal krallten sich Fingernägel in meinen Arm, der Griff verstärkte sich immer mehr, bis Blut aus der Wunde lief. Wer tat das denn? Schnell warf ich einen Blick über meine Schulter und blickte in Leas Augen, doch bei dem Anblick zuckte ich zusammen. Ihr ganzer Augapfel war rein weiß, mit einigen blauen Linien durchzogen, die wie Adern aussahen. Sie war nicht anwesend, das merkte ich schon in der ersten Sekunde, deswegen lehnte ich sie neben mir an die Wand an, damit sie nicht umkippte. Was war nur los? War das so etwas wie eine Vision, die sie da gerade hatte oder wie konnte man das nennen? War etwas Schlimmes passiert? Beruhige dich, Lealy, alles gut! Es wird gleich zu Ende sein! „Es ist beendet! Es ist vorbei! Es ist beendet! Es ist vorbei ...", fing Lea an, vor sich hinzumurmeln, wie bei einem Mantra. Währenddessen kam ihre normale Augenfarbe wieder zum Vorschein, also war ihre Vision oder wie man das auch immer nannte, wohl vorbei. „Lea, Lea, ganz ruhig! Es ist alles gut, du bist hier nicht allein, wir sind im Bunker." Ihr Blick huschte panisch durch den Raum, bis er an mir hängen blieb und sie sich ein wenig beruhigte. „Jojen! Jojen!", stammelte sie und hielt sich wieder an mir fest. Das führte jetzt allerdings doch dazu, dass ich ein etwas flaues Gefühl im Magen bekam. „Lea, sag mir, was du gesehen hast", sprach ich auf sie so sanft und gleichzeitig doch bestimmt ein, wie es ging. „Der Krieg, er ist vorbei! Stannis Armee zieht sich zurück. Es gibt Tote, viele Tote und etlich Verletzte. Jojen ... er wurde von einem Schwert am Bauch bis ans Bein getroffen und hat starke Schmerzen. Es sieht so aus, als würde er es überstehen, doch falls es sich entzünden sollte, hätten wir ein Problem!" Das hatte sie nicht wirklich gesagt! Das war doch gerade ein großer Scherz gewesen. Doch ihrem Blick sah ich an, dass sie es völlig ernst meinte, es tat ihr leid, doch sie wusste nicht, wie sie es mir mitteilen wollte. Kaum, dass ich es bemerkte, war ich schon auf den Beinen und zur Tür gestürzt, um durch sie ins Freie zu gelangen. Ich musste zu ihm! Wenn es so viele Verwundete gab, hatte niemand Zeit, sich intensiv um ihm zu kümmern und ich würde es vielleicht schaffen, durch mein Gedächtnis der Stunden, die ich schon in Heilpflanzen unterrichtet wurde, etwas zusammenzumischen und ihm somit helfen. Ich könnte mich, wenn es ihm gut ging, sogar um die anderen Verletzten kümmern, doch dafür musste ich erst einmal die Chance bekommen, aus diesem Bunker hier zu entkommen. „Lassen Sie mich hier raus! Der Krieg ist vorbei, ich muss zu den Verletzten!" Doch es brachte nichts, niemand von den Personen hier drinnen interessierte sich für mich. Sie lagen sich alle in den Armen und feierten, dass sie diesen Krieg überlebt hatten, ob sie hier rauskamen, war ihnen wohl völlig egal. Ich musste zu ihm! Jojen brauchte mich doch so sehr! Bei dem Gedanken, wie er wohl verletzt wurde, wurde mir ganz Angst und Bange: Er war seit Tagen im Kampf gewesen, völlig erschöpft und verschwitzt und wurde dann in seiner schwächsten Minute mit dem Schwert getroffen. Als er zu Boden sank, welche Angst musste er denn gehabt haben? Er dachte sicherlich, dass es das gewesen war und sein Leben nun zu Ende war, er mich nie wiedersehen würde. Wie grausam musste das für ihn gewesen sein? Er tat mir so leid, das konnte ich nicht in Worte fassen, mein Herz war, als hätte man es mit einem Schwert durchbohrt. Leer und doch voller Schmerzen, als würde es ein Schiff sein, das gerade auf den Weiten des Meeres untergehen würde. Ich ging unter, blendete alles um mich aus, als würde ich mit ihm Kontakt aufnehmen können. Wo bist du denn nur, Jojen? Bist du bei Bewusstsein? Bitte bleibe wach, bis ich bei dir bin. Ich vermisste ihn so sehr und hatte solche Angst. Meine Arme hatte ich um meinen Körper geschlungen, um mich zu wärmen, eigentlich war es gar nicht so kalt hier, doch zitterte, wie als hätte man mich in das Eismeer außerhalb der Mauer geschmissen. Jon, er war auf der Mauer und lebte dort. Er war immer so klug, am liebsten würde ich einfach mit ihm sprechen, er wusste immer irgendetwas, dass es mir besser ging. Auf einmal wurde vor mir die Tür geöffnet. Ein Soldat trat in den Raum und öffnete die Tür weit, wohl als Zeichen, dass wir den Bunker nun endlich verlassen konnten. Ich konnte mich allerdings nicht sehr lange freuen, da mir auf einmal ganz schwarz vor Augen wurde. Ich war nicht mehr der Herr über meinen Körper. Was passierte nur mit mir?

Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt