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Ich saß im Thronsaal. Mal wieder. Heute war es soweit, ich würde endgültig erfahren, was mein Schicksal sein würde. Und dieses Mal konnte ich noch nicht einmal auf die Gnade Tommens hoffen, denn heute entschied allein der kleine Rat, zusammen mit dem König, was mir geschehen würde. Es wurden vom Volk Anklagen gesammelt, in denen sie schilderten, was ihr Problem mit mir war und was sie dachten, was eine sinnvolle Lösung war, wie es mit mir weitergehen sollte. Sicherlich würde die Anzahl der Zettel, auf denen stehen würde, dass ich begnadigt werden solle so gering sein, dass man sie an einer Hand abzählen könnte. Ich hatte jegliche Hoffnung aufgegeben, das einzige, was ich momentan noch hoffte, war, dass sie es so schnell wie möglich tun würden und ich nicht solche großen Schmerzen leiden müsste. Und dass Jojen nicht zusehen musste. Das würde ich nicht aushalten. Jojen. Ihm hatten sie den Eintritt verweigert, da er zu mir, der Mörderin, in einem zu engen Verhältnis stand, genau so wie Lea und Margaery. Niemand wusste davon, dass sie eine Verräterin war und alle sahen sie noch immer als meine beste Freundin an. „Das Urteil wurde gefällt, Mylady." Ich fing an, zu zittern und zu schlucken, da sich ein riesiger Knoten in meinem Magen gebildet hatte, der sich immer weiter und immer weiter zuzog, mit jeder Sekunde, in der ich auf mein Urteil wartete. Ich hielt es nicht aus, warum spuckten sie es nicht einfach aus? Wollen sie, dass ich an einem Herzinfarkt vor Angst sterbe oder was ist ihr Ziel? Ich wurde ganz bleich im Gesicht, als sich alle Menschen erhoben, da das Urteil nun wohl verkündet wurde. „Sie sind zum Tode verurteilt. In drei Stunden wird es vollzogen werden, in dieser Zeit können Sie sich noch von ihrem Freund verabschieden. Es wird die Guillotine sein, mit der Sie enthauptet werden." Jetzt war es klar, ich würde sterben und es gab auch keinen Ausweg mehr für mich. Meine Angst war nicht in Worte zu fassen. Ich konnte noch nicht einmal garantieren, dass ich nicht schon an meiner Angst vorher sterben würde.

Noch drei Stunden. Drei Stunden, in denen sich alle daran ergötzen konnten, dass ich die Königsmörderin war und ich dann endlich von dieser Welt geschafft wurde. Nichts besseres als die Guillotine wurde mir zuteil, ich konnte es kaum erwarten. Ich konnte ja noch von Glück sprechen, dass sie mich nicht auf den Scheiterhaufen stellten und ich dort verbrennen musste, denn diese Schmerzen auf Dauer könnte ich nicht ertragen. So würde es zumindest schnell vorbei sein, ich hätte einen kurzen Schmerz, der sich durch all meine Knochen bohren und meinen Kopf von dem Rest meines Körpers trennen würde und dann würde ich gar nichts mehr spüren. Ich hatte mal gehört, dass der Kopf nach einer Enthauptung wohl noch etwa 20 Sekunden weiterleben soll, doch daran glaubte ich nicht, das konnte ich gar nicht. Ich hatte Angst, eine solche schreckliche Angst, dass ich das Gefühl hatte, jede Sekunde zu ersticken, da sich ein riesiger Knoten in meiner Brust gebildet hatte und sich mit jeder Sekunde weiter zuschnürte. Ich hatte mich an der Mauer festgeklammert, dass meine Knöchel weiß hervortaten, sodass ich meine Hand nicht mehr spürte, das Blut floss nicht mehr durch sie, denn ich hatte mich vor lauter Panik zu sehr verkrampft. „Nicht erschrecken, meine Liebe des Lebens. Sie haben mir erlaubt, dir noch einen letzten Besuch abzustatten." Ich drehte mich herum und fiel Jojen um den Hals, presste meine Lipen auf seine, mit einer solchen Härte, wie ich es noch nie getan hatte. Ich hatte keine Zeit, um romantisch zu sein. Ich sog jede Millisekunde, in der ich ihn berühren konnte und in der seine Lippen auf meinen lagen, auf, denn es war das Kostbarste der Welt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich jemals so nach seinen Lippen gesehnt hatte. Ich brauchte ihn, ich konnte nicht sterben, ich konnte ihn nicht verlassen. Ich liebte ihn doch einfach so sehr, dass ich es nicht mehr aushielt, ich konnte das nicht länger. Mein Körper schien mich zu zerstören, meine Gefühle schienen mich zu töten, bevor es der Henker tat. Ich hatte mir ein langes Leben mit ihm vorgestellt, Jahre, in denen wir immer zusammen sein würde, uns liebten und diese kostbare Geschenk, dass Gott uns mit unserer Liebe gemacht hatte, auskosten zu können. Wir beide, wie wir mit ausgefallenen Zähnen und grauen Haaren auf einer Bank in Rosengarten saßen, in den Sonnenuntergang blickten und uns an den Händen hielten. Dieses Gefühl, wenn man wusste, dass man ein ganzes Leben zusammen verbracht hatte, sich stets geliebt hatte und alles auch zusammen friedlich zu Ende gehen würde. Das wünschte ich mir. Doch nun blieb mir keien Zeit mehr mit ihm. Nur ein letzter Blick in seine schokoladenbraunen Augen, ein bitterer, salziger Kuss, ein letztes Klammern an seine Hand, das verschränken meiner vor Angst eiskalten, klatschnassen Hand mit seiner, mein Herz, das zum letzten Mal die Chance dazu hatte, wegen meiner unendlichen Liebe zu ihm zu hüpfen und mein Bauch, der sich voller Schmetterlinge gebildet hatte. All dies ein letztes Mal. Ich atmete ein letztes Mal seinen Duft ein, als sie kamen, um mich mitzunehmen. „Ich werde über dich wachen, Jojen, in alle Ewigkeit, bis wir wieder vereint sind."

Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt