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Ich war nicht mehr Herr über meinen Körper, er gehorchte mir nicht mehr. Linkes Bein! Rechtes Bein! Ich spürte es nicht mehr. Was war das nur? Ebenfalls konnte ich nichts mehr erkennen, mir war vollkommen schwarz vor Augen und es tanzten Flecken vor meinen Augen, die bis in mein Gehirn zu kriechen drohten. Ich kippte um und krachte mit voller Wucht an irgendetwas Hartes, doch ich konnte mich nicht bewegen. „Lealy! Alles ist gut, ich bin bei dir! Komm wieder zu dir!" Diese Stimme drang auch nicht wirklich zu mir durch, sie war, als würde ich diese weibliche Stimme am Ende eines Tunnels hören. Ich schlug die Augen zu und öffnete sie wieder, doch dieses Mal sah ich wieder etwas. Das, was ich sah, beängstigte mich allerdings zu Tode. Ich konnte mich in einigen Metern Entfernung sitzen sehen, mit Lea an meiner Seite, doch ich war so riesig, als würde ich ein Riese aus einer dieser vielen Sagen sein. Alle Menschen um mich herum waren so riesig, doch ich konnte doch nicht einfach geschrumpft sein? Vor allem war ich nicht mal ich selbst, da ich mich ja bewusstlos vor mir sitzen sah. Was auch mit mir passiert war, ich musste dafür sorgen, dass ich wieder in meinen Körper zurückkehren konnte. Doch wie sollte ich das anstellen? „Hey, hier! Hilfe!", schrie ich, doch ich brachte nur ein Krächzen zustande, das schon eher einem Fiepen glich, auf jeden Fall nicht das, was man eine Stimme nannte. Spätestens jetzt würde mir klar sein, dass ich nicht mehr der Herr über meinen Körper war und noch nicht einmal mehr in ihm war. Ich war in irgendeinen anderen Körper geschlüpft, doch in welchen nur? Wie konnte das denn bitte geschehen? Von einer Sekunde auf die andere war ich umgekippt und aufgewacht, um mich als Riese zu sehen. Ich hatte das Gefühl, dass das nur ein schlimmer Albtraum war, aus dem ich sicher gleich wieder erwachen würde. Ich musste einfach, denn schließlich musste ich zu Jojen. Ich blickte um mich, damit ich vielleicht irgendwie entkommen könnte, die Tür war sogar offen, ein paar Menschen traten schon aus ihr hinaus, an die frische Luft, nachdem wir mehrer Tage im Stickigen in diesem Bunker eingeschlossen waren. Langsam und so unauffällig wie möglich schlich ich mich auch zur Tür, um es so eventuell zu schaffen, ungesehen zu entkommen. Doch das konnte ich natürlich vergessen, war ja mal wieder klar. „Ratte! Iihhh, schafft dieses Ungeziefer weg!", brüllte die Königinmutter, Cersei, ganz panisch und fing an, nach mur zu treten uns mit ihrem Finger angewidert auf mich zu zeigen. Was meinte sie nur? Doch dann fing ich an, zu verstehen! Ich war die Ratte! Wie war das nur geschehen? Ich konnte doch niemals eine Ratte sein, das war doch nur ein großer Scherz, den sich irgendjemand gerade mit mir erlaubte! Doch unbewusst wusste ich, dass Cersei recht hatte, ich hatte weißes Fell und konnte die Krallen spüren, die sich verzweifelt versuchten, in den Boden zu krallen. Ich musste von hier weg, bevor noch irgenjemand auf die Idee kam, den Kammerjäger zu holen oder die Sache selbst in die Hand zu nehmen, das würde nämlich sicherlich nicht so gut für mich enden. Schnell, in einer Sekunde, in der niemand hersah, flutschte ich aus der Tür in dem Flur, natürlich nicht, ohne mich noch einmal nach meinem Körper umzusehen. Ich lag noch immer völlig bewusstlos da, zum Glück kümmerte sich Lea aber bestens um mich. Also schnell zu Jojen, er wusste sicherlich, wie er mir helfen konnte. Musste ich ihm nur verständlich machen, dass ich Lealy Schnee, seine Freundin, war und nicht nur irgendeine Ratte, die gerade zufälligerweise aus dem Schlamm zu ihm gekrochen kam. Ich kraxelte gerade die einzelnen Treppenstufen hoch, was sich als überaus anstrengend erwies, es war ganz und gar nicht gut, so klein zu sein, doch als ich es geschafft hatte, rannte ich endlich in den strahlenden Sonnenschein hinaus und atmete kräftig ein. Saubere, frische Luft bahnte sich den Weg in meine Lungen, doch schon in der nächsten Sekunde erkannte ich den bitteren Hintergrund. Es lag ein Hauch von Verwesung in der Luft, von Tod, der vielen Toten, die alle in der Schlacht gefallen waren. Ich wusste zwar nicht, wie viele es waren, doch es waren wohl ziemlich viele gewesen. Was wäre nur passiert, wenn wir aus Rosengarten ihnen nicht zur Hilfe gekommen wären? Ich durfte mir jetzt aber nicht zu viele Gedanken machen, ich musste mich auf dem Weg zu Jojen machen. Ich vermisste ihn so schrecklich und hatte eine solche Angst um ihn, das er wohl in keiner guten Verfassung sein würde, dass ich wie blind einfach in die nächbeste Richtung rannte, lediglich in dem Wissen, dass sich dort ein Lazarett befand- ob Jojen dort war, war allerdings eine andere Frage. Ich rannte und rannte, so schnell meine kurzen Beine mich trugen, voller Schmerzen, als ich auf einmal von etwas Großem gerammt wurde und ich zur Seite kippte. Ein pochender Schmerz fuhr mir in die Seite, als ich taumelte und versuchte, wieder aufzustehen. Was zur Hölle war das denn bitte? Ich legte meinen Kopf auf die Seite, um zu sehen, wer mich da gerammt hatte und beim Anblick bekam mein kleines Rattenherz fast einen Herzinfarkt, Winter, mein Schattenwolf, hatte mich umgerannt und jetzt hatte sich sich mit wedelndem Schwanz vor mich hingesetzt. Ihr Zunge hing ihr aus dem Maul heraus, als,würde ich gerade dabei sein, mit ihr das beste Spiel zu spielen. Bitte nicht, Winter! Ich bin es, Lealy. Doch Winter konnte mein Flehen natürlich nicht verstehen, deswegen sprang sie auch schon in der nächsten Sekunde los und fing an, mich zu jagen. Wer um Himmels Willen hatte sie freigelassen, sie war doch ein Schrecken für alle Tiere. Wie eine Besessene rannte sie mir hinterher und versuchte, mich zu fangen. Falls sie das schaffen sollte, wusste ich schon, auf was ich mich einstellen könnte. Winter ließ ihr Spielzeug niemals am Leben. Ich war gerade dabei, von meinem eigenen Schattenwolf, meinem Haustier, zerfleischt zu werden.

Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt