Regel Nummer Eins unter Geschwistern

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Gerade als ich dabei bin in meinen Hamburger für zwischendurch zu beißen, klopft mein Bruder Joe mir auf den Rücken. „Ey, Alter. Lass uns heute Abend rausgehen und feiern!". Langsam drehe ich mich um. Hat er mich gerade ernsthaft beim Genuss meines Hamburgers gestört? Seine braunen Augen starren mich flehend an. Ihm ist hoffentlich klar, dass seit dem wir eine Band gegründet haben und einigermaßen bekannt sind, nirgends mehr unentdeckt hin gehen können. „Nein lass mal!". Ich lehne dankend ab, mit der Hoffnung er würde einfach wieder verschwinden und sich weiter im Spiegel beobachten. Oder Autogramme üben, denn seine sehen echt fürchterlich aus. Klar, Stars haben immer eine fürchterliche Handschrift, genau wie Lehrer und Doktoren, aber wir könnten auch anders sein. Joe lässt nicht locker und setzt sich neben mich auf den Stuhl. Dabei dreht er ihn so, dass er seine Arme auf die Lehne stützen kann und mir flehend in die Augen starrt. Seine Augen schauen, wie wenn er damals vor dem zu Bett gehen noch etwas zu Essen wollte. Dad konnte dem Hundeblick nichts abgewinnen und gab Joe noch einen Snack.

In den Jahren sind alle gegen diesen Blick abgehärtet. Gut, bis auf mir. Ich weiß nicht warum, aber ich kann dabei einfach nicht ablehnen. Ich lecke ganz kurz mit meiner Zungenspitze über meine Lippen und schmecke die leckere Soße. Wieso oft, stimme ich seufzend zu.

Joe springt auf und ruft nach unseren großen Bruder Kevin, der gerade seine Gitarrensammlung putzt. „Kev, Sturrkopf kommt mit". Ich höre nur ein Klirren, irgendetwas ist gerade zu Bruch gegangen. Gerade als ich wieder die Hoffnung bekomme, Joe würde endlich verschwinden, setzt er sich wieder neben mich und klopft mir auf die Schulter. „So schön, wenn wir Brüder wieder etwas zusammen machen. Die Jonas Brothers vereint!". Seine Stimme protzt nur noch aus Triumph, weil er mich umgestimmt hat. Er hebt meinen Hamburger hoch, als wären wir die drei Musketiere. Ich rolle nur mit den Augen, aber das merkt er nicht, denn er starrt auf mein Essen. Als ich ihn nur fragend anschaue, zieht er die Schultern hoch und beißt in den Hamburger. Meinen Hamburger. Dabei schmatzt er genussvoll und geht. Mir platzt vor Wut der Kragen. Nur einmal im Monat kauft meine Mutter richtiges Fast-Food, denn sie möchte, dass wir auf der Bühne gut aussehen. Ich balle meine Hände zu Fäuste und besinne mich des besseren, Joe nicht gleich eine in den Nacken zu hauen, dass er sich an dem Burger verschluckt. Aber Heim zahlen, werde ich es ihm allemal. Regel Nummer eins in Sachen Geschwistern, lecke alles ab was dir gehört oder iss leckere Sachen nicht dort, wo es dir jemand noch wegnehmen könnte. Schlecht gelaunt, mache ich mich auf den Weg in unser großes Zimmer. Es verteilt sich über die gesamte Etage. Unsere Eltern hatten einmal angeboten Wände nachträglich einzubauen, doch wir entschlossen uns dafür, alle in einem Zimmer zu schlafen. Im Grunde schläft jeder in eine Ecke des Zimmers. In der Wand links neben der Tür wurden damals Betten in die Wand eingelassen. Kevin schläft dort seither und nachträglich wurde auch ein Fernseher mit an der Wand installiert. Lange rote Vorhänge verdunkeln sein Schlafgemach noch mehr. Auf der anderen Seite befindet sich ein ziemlich großer Schrank aus afrikanische Mahagoni Holz. Drückt man an der Seite des Schranks auf einen bestimmten Knopf, so öffnen sich die Türen automatisch und es klappt ein großes Bett raus. Die Bettwäsche wird mit dicken Bändern befestigt. Joe findet diese Art von Bett praktisch, denn Mutter möchte, dass es immer aufgeräumt ist und so muss er das Bettzeug nicht ausschütteln und ordentlich zusammen legen, wie ich es zum Beispiel muss. Mein Bett ist in den Boden eingelassen, wie ich finde die beste Variante. Eigentlich nur ein viereckiges Loch, mit einer Matratze. Jedoch sind die kleinen Wände etwas höher und so wurden kleine Regale mit ein gebaut. Hier stehen meine ganzen Autobiografien die ich von bekannten Sängern, Schauspielern oder auch Wissenschaftlern sammle und förmlich verschlinge.

Um die Abendstunden herum, kurz nach dem gemeinsamen Abendessen sitzen Joe, Kevin und ich im Auto. Es hat eine Weile gedauert, bis Joe sich für den richtigen Kleidungsstil entschieden hat.

Lässig, cool oder schick, stand zur Auswahl. Dazu konnte er alle Kleidungsstile mit der selben Hose kombinieren, aber das war zu viel des Guten für den armen Joe.

Kevin hatte sich derzeitig mit der Gemüsepfanne vom Vortag den Bauch voll gehauen. Nun sitzen sie jammernd neben mir. Joe weil er doch lieber lässig tragen würde, statt cool und Kevin weil er Bauchschmerzen hat. Ich sitze still neben ihnen und bereue es mitgefahren zu sein. Wieso bin ich mit diesen verrückten aus dem Haus gegangen? Ich verbringe genug Zeit amTag und auch hochgerechnet in der Woche mit ihnen, bei Proben, Auftritten und sowieso, weil wir im selben Haus wohnen und uns ein Loft teilen. Müsste das nicht reichen, um einen Abend alleine zu sein? Gemütlich einen Burger zu verdrücken und an Liedern zu schreiben. Doch meine schlechte Laune verabschiedet sich für einen Moment, als ich an die Situation vor dem verlassen des Hauses denke.

„Jungs tut mir einen Gefallen und benimmt euch. Wenn was ist, Nick du hast die Verantwortung. Kevin wirke seriös und überlege zwanzig Sekunden, bevor du etwas sagst", hatte Mutter gesagt und legte eine kurze Kunstpause ein, um auf von Kevin zu warten. Sein rundliches Gesicht zeigte Verwunderung. „ Und Joseph, sei bitte einfach nicht du selbst!". Sie lächelte, als meine Brüder leicht zusammen zuckten. Ich schmunzelte in mich hinein und gönnte meinen älteren Brüdern diese Genugtuung. Dazu feierte ich meine Mutter für diese eiskalt gesagten Worte.

Kevin hatte protestiert, er sei der Älteste und ihm müsse die Verantwortung übertragen werden. Wir alle aber wissen, dass Alter hat damit nichts zu tun. Wer mit 20 Jahren in Schlafanzügen mit Eisenbahnbildern schläft, dem wird nicht die Verantwortung überlassen.

Joe dagegen jammerte, sie sollte ihn nicht bei ganzem Namen nennen und er sei der vernünftigste von uns drein. Mum und ich lachten gleichzeitig trocken auf, so wie wir es immer taten, wenn Joe oder Kevin sich verantwortungsbewusst fühlen. Verletzt biss er sich auf die Unterlippe und seine Augen blitzten misstrauisch auf. „"Ihr habt euch gegen uns verbunden!" ,murmelte er. Gespielt schockiert hob meine Mum ihre Hände. Beleidigt hatte er sich den Kuss auf den Kopf von unsere Mutter abgeholt und ist aus dem Haus geflüchtet. Kevin hörte gar nicht weiter zu, sondern nahm sich einen weiteren Löffel aus dem Essensbehälter, mit der Gemüsepfanne. Wissend verschränkte ich meine Arme vor der Brust, und zwinkerte meiner Mum zu, dessen Mundwinkel in die Höhe zuckten.

Zum Glück fahren wir nur zu einem Nachtclub, in unserer Heimatstadt Wyckoff in New Jersey.

Hier hatten sich die Menschen daran gewöhnt, mit einer Band zu leben, die so gut wie jedes Wochenende durch das Land tourt und auf den größten Bühnen des Landes auftritt.

Aber es war wie so oft, der ganz normal Wahnsinn. Was wir nicht wussten, eine Mädchenschule machte hierher eine Klassenfahrt und auf dem Programm stand ein abendlicher Ausflug, in einen Club. Aber erst einmal fährt das Auto an den vielen alten Gebäuden und Denkmälern vorbei, die unsere Stadt zieren. Zeit genug um zu überlegen, wie ich den Abend überlebe, ohne Titelblätter negativ zu füllen. Denn es gibt keine Längeneinheit der Welt, die aufzeigen könnte, wie kurz davon entfernt ich bin, meine Brüder zu schlagen. Jammernd sitzt Joe im weichen Polster der Limousine und kämt sich immer wieder nervös seine schwarzen Haare. Kevin, der mir gegenüber sitzt, macht mir jedoch mehr Sorgen, denn er wiederholt immer wieder, dass die Gemüsepfanne in seinem Magen kurz davor ist, sein Comeback zu feiern. In meinen Gedanken sehe ich schon, wie alles auf meiner Kleidung landet. Schnell schnalle ich mich ab und setze mich auf die andere Seite.

Be different (Nick JONAS) *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt