Jede gute Geschichte hat einen Tiefpunkt

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Wir probieren gerade unsere Garderobe für das Konzert in Columbia South Carolina an. „Für dich ein grauen Anzug, mit fließendem Material. Auf der Hose ist eine kleine Bügelfalte, die macht das ganze ein wenig edler", ein hochwertiger Anzug wird mir in die dunkle Kabine gehalten. Für den Auftritt haben wir bereits Sache raus gelegt. Jedoch bisher keine für die neuen Teenie-Zeitschriften Poster. Heute ist der Release für unseren neuen Song "Live to party". Dafür müssen wir perfekt aussehen. Am liebsten trage ich Anzüge oder Hemden. Schon immer habe ich mich gerne schick gemacht. Eigentlich wurde uns schon von klein auf gesagt, dass wir uns ordentlich zu kleiden haben. Für einen Abend auf der Couch besitzen wir gemütliche Anzughosen oder Jeans. Nur sehr selten sieht es meine Mum gerne, dass wir Jogginghosen tragen. Sie sagt, es könnte jemand unangemeldet vorbeischauen, uns sehen oder schlimmer, fotografieren und das Foto wäre ewig im Umlauf. Dabei sollen wir die am besten gestylte Band im Bundesstaat sein. Ich ziehe das Jackett über das weiße Hemd und binde mir die Krawatte. Für dieses Fotoshooting erscheinen wir sehr seriös und in bester Kleidung. Auf der Bühne aber tragen wir gerne Farben. Aber natürlich nicht so bunt gemischt, wie Baxxter zum Beispiel.

Kevin trägt den selben Anzug wie ich nur in einem braunen Ton. Joe ist der sportlich angezogene von uns. Er trägt meistens eher weite Anzugjacken oder nur Hemden. Heute trägt er ein weißes Hemd mit schwarzer Fliege und einem breitgeschnittenen Jackett. Seine langen Schnürboots lassen sein Outfit noch lässiger wirken.

Stolz dreht er sich vor dem Spiegel und fährt sich durch die Haare. Ich gähne. „Leg dich gleich lieber hin, nicht das du auf deinem Drum heute Abend einschläfst". Joe grinst mich höhnisch an.

„Du hast die ganze Zeit an unseren neuen Song gearbeitet oder?", fragt Kevin fröhlich.

„Ich habe die ganze Nacht geschlafen". Ich bin vor den beiden schlafen gegangen.

Letzter Zeit bin ich andauernd müde. Dazu habe ich ständig Durst. „Reich mir mal das Wasser, Kevin".

"Meinst du das jetzt als Redensart?", Kevin kratzt sich an seinem braunen Lockenkopf. "Nein, aber auf meiner Augenhöhe bist du trotzdem nicht". Kevin stöhnt und reicht mir die Kanne mit dem eiskalten Wasser.

Tatsächlich habe ich mich Mittags noch für ein paar Stunden hingelegt, bevor unser Privatflug gestartet ist, in Richtung Columbia. Ich scheine unbewusst ziemlich nervös zu sein. Eigentlich zählt es fast schon zum Alltag von Fans umzingelt zu sein. Und auch vor den Auftritten habe ich keine Angst mehr. Das gewisse Lampenfieber ist vorhanden, aber Herzklopfen und Schweißausbrüche hatte ich bisher noch nie. Ich esse unseren gesamten Obstvorrat auf. Eigentlich eher untypisch für mich, sonst werde ich meinen Stress anders los. Zum Beispiel von Klassik Musik. Musik die ich sonst nie hören würde, aber zum entspannen ist sie super.

Kevin isst wenn er nervös ist und Joe liest sich Zeitschriften durch und stylt sich mehrmals. Am Anfang hat er sich vor jedem Auftritt mehrmals umgezogen, weil irgendwas plötzlich nicht gestimmt hat. Aber er hat die Kleidung so unsortiert und ungefaltet in der Umkleide gelassen, dass eine unserer persönlichen Helfer alles wieder neu bügeln musste. Immer und immer wieder. Irgendwann ist unser Mum der Kragen geplatzt und sie hat es ihm verboten. Und was Mütter sagen, ist schließlich Gesetz.

In South Carolina angekommen, ziehe ich mir etwas anderes an. Mein altes Hemd habe ich durchgeschwitzt. Bisher habe ich das Gefühl, niemanden ist es aufgefallen. Nur als Mum mich wenige Minuten später im Hotel anschaut, fasst sie mir an die heiße Stirn. „Hast du Fieber, Schätzchen? Du bist ziemlich blass!". Ich schüttle fast motorisch den Kopf.

Sie scheint nicht einverstanden mit meiner Selbstdiagnose, aber Dad betretet gerade den Raum und lacht.„Es geht los Jungs. Macht euren alten Vater stolz". Unser Vater ist gleichzeitig auch unser Manager und kümmert sich um alles. Und Mum kümmert sich darum, dass wir immer genug zu Essen bekommen und nicht ungepflegt herum laufen. Wir ziehen unsere Hemden und Anzüge an und fahren zum Gebäude in dem die Bilder und das Interview stattfinden. Ein großes Buffet ist aufgebaut. Kevin und ich stolzieren schnurstracks darauf zu und essen, was wir nur Essen können. Noch immer schlägt mein Herz in doppelter Geschwindigkeit und ich setze mich mit dem Hamburger auf einen Stuhl. Ich muss mich konzentrieren nicht sofort weg zu schlafen. Appetit habe ich plötzlich auch nicht mehr und ich lege den leckeren Hamburger auf Kevins Schoß. Er schaut mich einen Moment böse an und wischt sich über die braune Anzughose. Mit Bügelfalte.

Mein Körper fühlt sich an, als wäre er ein Marathon gelaufen. Etwa so muss man danach schwitzen und auch das Herzklopfen stelle ich mir so vor. Ich höre Kevin zu mir sprechen und eine Hand auf meiner Schulter. Aber mein Mund fühlt sich nicht fähig an zu sprechen. Helle Stimmen dringen in verschlüsselten Sätzen zu mir durch. Als würde jemand sich ein Spiel mit mir erlauben und ich soll jetzt die Geheimsprache entziffern. Langsam wird mir von dem ganzen Essen ein wenig schlecht und ich stütze meinen verschwitzten Kopf, mit meinen Händen auf dem Schoß, meines edlen grauen Anzugs. Dann spüre ich wie mir Hände unter beide Arme greifen und mich langsam hochziehen. „Nick- Nick, was ist denn los?". Mum ist nur ein Stück vor meinem Gesicht entfernt.

Aber plötzlich sehe ich die braunen Haare von Liv vor mir. Wir sind in der Kabine auf der Toilette im Krankenhaus und sie lächelt mir zu. Ich laufe einen Schritt auf sie zu. Aber plötzlich wird alles schwarz. Die Wörter meiner Mutter verschlüsseln sich wieder, bis sie ganz verstummen. Ich falle in das schwarze Loch hinein.

Be different (Nick JONAS) *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt